Wie weißer Feminismus Islamophobie vorantreibt

Kein Angriff, sondern Aufforderung zum Umdenken

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Wenn ich an Feminismus denke, dann assoziiere ich das oft mit negativen Gefühlen. Dies kommt auch daher, dass es mir so vorkommt, als würden dabei viele Frauen ohne Migrationshintergrund für uns sprechen wollen, uns leiten wollen, uns jedoch gleichzeitig ausschließen, wenn wir kurz in unsere deutschen Fußstapfen treten möchten.

Doch wie komme man dazu das zu denken?

Alles fing damit an, dass ich an einem feministischen Treffen, gemeinsam mit einem dutzen Frauen jeden Alters, teilnahm.

Als ich mich umsah, musste ich jedoch feststellen, dass keine einzige dunkelhaarige oder gar eine Frau mit Kopftuch unter ihnen war. Nur ich, eine schwarzhaarige muslimische Marokkanerin, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist.

Die Runde bestand aus einem Stuhlkreis, was mich irgendwie an das Spiel „die Reise nach Jerusalem“ erinnerte. Dabei gilt es, sobald die Musik stoppt, rasch einen Platz einzunehmen. Nur spielte hier keine Musik. Zu hören war hier nur das laute Tuscheln.

Obwohl ich vor lauter starker Frauen umgeben war, fühlte ich mich nicht repräsentiert.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass irgendwer von diesen Frauen jemanden wie mich oder eben Black and People of Color repräsentieren könnte. Vielmehr kam es mir so vor, als müsste ich besonders stark argumentieren, als es um Themen wie Gewalt gegenüber Frauen bzw. Frauen mit Kopftuch ging. Dabei fielen immer wieder Blicke und Kommentare auf mich.

Weißer Feminismus, dieser Begriff wurde ursprünglich von den „Women of Color“ benutzt, um den Rassismus innerhalb der feministischen Bewegung zu thematisieren. Eine berechtigte und notwendige Thematisierung. Dabei wird der weiße Feminismus jedoch als eine Art Angriff betrachtet, anstatt ihn als Aufforderung zu sehen, sein eigenes Verhalten innerhalb der Bewegung zu hinterfragen und zu überdenken. Oder einfach selbstkritisch mit der Situation umzugehen.

Oft kommt es vor, dass ich direkt über meine Herkunft und Religion definiert werde.

Die arme Frau aus diesem unterdrückenden Land. Von welchem Land reden wir denn hier? Deutschland oder Marokko? Doch, dass viele Frauen beispielsweise auch Stärke aus ihrem Kopftuch ziehen und diese gerade dadurch repräsentieren, kommt dabei kaum jemandem in den Sinn. Der Streit um das Kopftuch ist eine Debatte, die ausschließlich weibliches Verhalten betrifft. Weiße Feminist*innen betrachten das Kopftuch meist als etwas Negatives. Dadurch werden die Frauen, die bewusst ein Kopftuch tragen wollen, immer mehr verängstigt. Die Medien tragen hier ebenfalls dazu bei, dass das Tragen eines Kopftuchs misslungen dargestellt wird. 

Ich habe den Eindruck, dass viele Feminist*innen angesichts sexistischer Haltungen und Aussagen oft schweigen, wenn sie im Zusammenhang mit Migration stehen. Dank der Darstellungen der Medien herrscht eine gewisse Angst hinsichtlich der Migrationsströme nach Europa. Nun wird die Gleichstellung der Geschlechter nicht mehr als Gefahr, sondern vielmehr als „westlicher“ Wert dargestellt, den es angesichts der Einwanderung als zu verteidigen gilt.

Es wird die Freiheit der Frauen in Zusammenhang mit Migration (symbolisiert durch das Kopftuch) infrage gestellt. Dies lässt sich besonders bei Vereinen wie „Terre de Femme“ oder auch Magazinen wie der „Emma“ beobachten.

Es wird dort angenommen, dass in „nicht-westlichen“ Kulturen Frauen oft Gewalt erleiden und sich dies automatisch in Deutschland fortsetzen wird. 

Emanzipation, Frauenrechte, Gleichberechtigung gelten als Werte der westlichen Kultur, während Gewalt gegenüber Frauen der „anderen“ Kultur zugeschrieben wird.

Leider sind viele Frauen in Deutschland genau dieser Annahme. Nach einigen Gesprächen erkenne ich sofort das typische Merkmal, „nicht verstanden zu werden“, wieder. Migrant*innen teilen sich mir oft mit und berichten darüber, dass sie sich fehl am Platz fühlen und sich kein Gefühl von Zugehörigkeit einstellt. Nur woran liegt das? 

Wir (Migrant*innen) studieren, gehen essen und zahlen unsere Steuern. Wir sprechen klares Deutsch und werden dennoch oft nicht akzeptiert.

Insbesondere der arabischen Kultur wird oft – wie im Beispiel mit dem Kopftuch – Unterdrückung vorgeworfen. Schaut man dagegen nach Istanbul, so haben die Frauen dort mit ganz anderen Themen zu kämpfen. Als ich vor Ort einige Aktivistinnen treffen durfte, erzählten sie mir, dass sie stets zusammenhalten und immer versuchen, sich intern zu helfen. Dies unterschied sich stark von der Art und Weise, wie ich feministische Vereinigungen in Deutschland erlebt habe. 

In der Türkei war ich sofort ein Teil ihrer Gesellschaft, wurde mit Çay begrüßt und fühlte mich unmittelbar integriert.

In Deutschland dagegen musste ich eine Art Musterung der einzelnen Teams über mich ergehen lassen. Hervorheben möchte ich hierbei, dass ich, wie gesagt, Deutsche mit marokkanischen Wurzeln bin und sich dies genauso von der türkischen, wie auch von der deutschen Kultur unterscheidet.

Feminismus ist und bleibt eine Bewegung, für die sich ALLE starkmachen sollten. Bevor bestimmte Vereinigungen Kampagnen gegen Kopftücher oder Ähnliches starten, sollten diese sich die Meinung anhören von genau diesen Kopftuchträgerinnen und diese Frauen in ihren Projekten integrieren.

Dabei wurde doch bereits weltweit bewiesen, wie viel Emanzipation doch möglich ist.

Natürlich herrscht stets eine gewisse Angst vor dem Unbekannten. Aber genau diese Angst kann nur überwunden werden, indem offen kommuniziert wird. Ohne jegliche Bewertung.

Würden wir Frauen, und damit meine ich uns alle, lernen, zusammenzuarbeiten anstatt uns ständig nur zu bemängeln, dann würden wir sicherlich die ganze Welt regieren.

Text: Fatima Remli
Illustration: Yasmin Anilgan

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