Das Verständnis von Rassismus ist in Deutschland stark an den Nationalsozialismus gekoppelt. Doch Rassismus ist kein Synonym für Rechtsextremismus. Vor allem die Diskussion über „Racial Profiling“, islamfeindliche Straftaten oder die Forderungen rechtspopulistischer Parteien haben die Frage aufgeworfen, was Rassismus im 21. Jahrhundert bedeutet.
Rassismus ist, wenn Menschen aufgrund tatsächlicher oder vermeintlicher Merkmale (z.B. Hautfarbe, Herkunft, Religion) als homogene Gruppen konstruiert, negativ bewertet und ausgegrenzt werden. Dabei wird unterschieden zwischen:
- „klassischer“ Rassismus → Ungleichheit aufgrund dieser Merkmale
- Neorassismus argumentiert mit kulturellen Zuschreibungen wie „die Muslime“ oder „die Roma“, die nicht „zu uns passen“
Struktureller Rassismus
Das sind rassistische Strukturen und Entscheidungsabläufe durch die überdurchschnittlich und regelmäßig BIPOC benachteiligt werden. Struktureller Rassismus ist so routiniert, dass es schwieriger ist als bei Einzelfällen, diesen aufzudecken.
- Beispiel Schule
In der Schule zeigen sich rassistische Strukturen zum Beispiel im Umgang mit Sprachniveaus, bei der Gymnasialempfehlung oder in den Inhalten von Schulbüchern. - Beispiel Polizei
Racial Profiling ist in Deutschland eigentlich verboten. Dennoch gehört es für viele Schwarze Menschen zum Alltag: 14% der Schwarzen Menschen in Deutschland haben in den vorangegangenen fünf Jahren Racial Profiling erlebt. Dabei geht es nicht um einzelne Beamt*innen, sondern um Strukturen in der Polizei.
Wie verbreitet ist Rassismus in der Gesellschaft?
Mehrere repräsentative Umfragen weisen darauf hin, dass rassistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet sind:
- Fast die Hälfte der Bevölkerung glaubt noch an die Existenz menschlicher „Rassen“. Ein Drittel findet, dass einige Völker oder ethnische Gruppen „von Natur aus fleißiger“ seien als andere.
- Rund 12% sind „fremdenfeindlich“ eingestellt und stimmen rassistischen Aussagen zu. Feindliche Einstellungen gegenüber Geflüchteten haben sogar 40%.
2021 zählte das Bundesinnenministerium 9.236 „fremdenfeindliche“ Straftaten, wobei das Wort „fremdenfeindlich“ aufgrund der Zuschreibung „fremd“ zu kritisieren ist. Nur knapp ein Viertel der Betroffenen melden rassistische Vorfälle. Häufig aus Angst, als „Problemverursacher*innen“ zu gelten.
Angriffe gegen Geflüchtete und Muslim*innen
2021 gab es 1.254 Delikte gegen Geflüchtete in Deutschland, davon sind die meisten rechts-motiviert.
Angriffe auf Unterkünfte geflüchteter Menschen werden selten gerichtlich geahndet: Von 2.558 politisch motivierte Übergriffen 2015-18, kam es in nur 206 Fällen zu Verurteilungen.
Als „Antimuslimischer Rassismus“ bezeichnet man die Diskriminierung von Menschen, die als Muslim*innen wahrgenommen werden. 2021 gab es 732 islamfeindliche Straftaten. Im Jahr davor gab es, je nach Quelle, 103 bis 148 Moscheenangriffe. Muslim*innen erleben häufig Diskriminierung bei der Arbeitssuche, auf dem Wohnungsmarkt oder im Bereich Bildung.
Beratungsstellen für Betroffene bieten zum Beispiel CLAIM oder der VBRG.
Antiziganismus in Deutschland
Antiziganismus ist ein spezifischer Rassismus gegen Menschen, die als Sinti*zze und Rom*nja wahrgenommen werden.
76% der Befragten Sinti*zze und Rom*nja gaben an, bei der Arbeit, von Nachbar*innen oder in Gaststätten schon häufiger diskriminiert worden zu sein. Ein Großteil der Vorfälle ereignet sich im öffentlichen Raum, wie z.B. im Nahverkehr oder in Jobcentern. Er findet sich aber auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wie Bildung, Berichterstattung und sozialen Medien.
Für Kinder zeigt sich der Antiziganismus vor allem in der Schule – Lehrkräfte sprachen Kindern mit Sinti-oder Roma-Hintergrund trotz gleicher Leistung im Vergleich mit türkischstämmigen Kindern eine Hauptschulempfehlung aus.
Anti-Schwarzer Rassismus
Anti-Schwarzer Rassismus ist die Diskriminierung und Abwertung Schwarzer, afrikanischer oder afrodiasporischer Menschen oder Personen, die als Schwarz gelesen werden.
In einer Befragung des Vereins Each One Teach One (EOTO) gaben rund 97% der Befragten an, in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erfahren zu haben: Am häufigsten in der Öffentlichkeit, in Geschäften, bei Dienstleistungen, im Arbeitsleben und im Internet. Dazu kommen Racial Profiling, Diskriminierung in Bildung, Gesundheit und vielen anderen Lebensbereichen.
Eine Beratungsstelle für Betroffene von anti-Schwarzem Rassismus ist EOTO.
Anti-asiatischer Rassismus
Anti-asiatischer Rassismus ist Rassismus an Menschen, denen eine asiatische Herkunft zugeschrieben wird.
Anti-asiatische Stereotype gehen bis in die Kolonialzeit zurück. Ein oft vorkommendes Beispiel ist das Narrativ der „fleißigen Vorzeige-Migrant*innen“. Aufgrund dieses Stereotyps wird asiatisch gelesenen Menschen häufig abgesprochen, Rassismus zu erleben.
Seit Beginn der Corona Pandemie haben sich die Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle verdoppelt. Betroffene erleiden neben gewalttätigen Angriffen auch institutionellen Ausschluss z.B. bei Terminen in Krankenhäusern.
Plattformen, die sich gegen anti-asiatischen Rassismus und Diskriminierung einsetzen, sind z.B. korientation, ein Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven, und ichbinkeinvirus.org, eine Dokumentationsplattform für rassistische Erfahrungen.
Was ist Racial Profiling?
Von Racial Profiling spricht man, wenn die Polizei Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale kontrolliert, ohne dass es einen konkreten Anlass gibt. Es ist auch dann Racial Profiling, wenn das Aussehen einer von mehreren Anhaltspunkten für die Kontrolle ist.
Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, sich in mutmaßlichen Gewaltsituationen von der Polizei diskriminiert gefühlt zu haben (62 Prozent). Racial Profiling kann auch häufig POC , aber vor allem Schwarze Menschen betreffen.
Oft kommt es im Zusammenhang mit Racial Profiling zu Polizeigewalt, immer wieder auch zu Todesfällen im polizeilichen Gewahrsam.
Weitere Infos und Statistiken findet ihr auf der Website des Mediendienst Integration.
Quelle:
www.mediendienst-integration.de