Die Erdbeben rufen bei vielen Menschen starke Reaktionen und Gefühle hervor. Davon können auch Augenzeug*innen, Helfer*innen, Vermissende und eben auch Hinterbliebene in Deutschland betroffen sein.
Als nicht betroffene Person ist es wichtig, den trauernden Menschen bestmögliche Unterstützung und Hilfe zu leisten und sich über Krisenstellen und psychiatrische Hilfsmöglichkeiten zu informieren.
Das Verständnis von Angehörigen und Freunden kann sehr viel dazu beitragen, dass die Betroffenen mit dem Erlebten besser zurechtkommen. Oft hilft schon das Gefühl, nicht allein zu sein.
Obwohl jede Person anders trauert, gibt es doch meist einen gewissen Ablauf in Trauerphasen. Die erste Phase, Sorge, beschreibt den unmittelbaren Zustand bei Konfrontation mit einer anstehenden Veränderung, also z.b. dem (absehbaren) Trauerfall. Nachdem man mit der Veränderung konfrontiert wurde, stellt sich die zweite Phase, Schock, ein. Es dauert, bis sich Menschen von diesem Zustand erholen können und währenddessen sinkt die Produktivität und Möglichkeit, den Alltag zu bewältigen. Nach dem Schock, dem „nicht wahrhaben wollen“, wehren sich trauernde Menschen in der Phase der Abwehr und werden oft wütend über die Umstände, die zum Tod der geliebten Person beigetragen haben.
Weil die Abwehr aber die Veränderung nicht ungeschehen macht, stellt sich die Phase der Frustration ein. Letztlich muss die trauernde Person Abschied nehmen, von dem verlorenen Menschen, aber auch von der akuten Trauer. Das gelingt indem sich die trauernde Person der neuen Lebenssituation öffnet und sie in den gewohnten Lebensalltag integriert.
Wie kann ich einer trauernden Person helfen?
Nachfragen
Psychiaterin Meryam Schouler-Ocak sagt in einem Interview, dass Menschen außerhalb der betroffenen Communities in Berlin kaum Betroffenheit zeigen. Viele Menschen wünschen sich aber mehr emotionale Unterstützung und es kann helfen, einfach anzusprechen und nachzufragen, wie es betroffenen Personen geht.
Aushalten
Die Gefühle, die Trauer, egal auf welche Art sie sich äußern, annehmen, aushalten und nicht werten. Dabei braucht es keine tröstenden Worte („Es wird schon wieder“ stimmt ja ohnehin nicht, es wird nie wieder wie es vorher war), keine Tipps oder eigene Trauererfahrungen. Nur zuhören, mit so viel Zeit wie irgendwie möglich. Starke Gefühle wie Panik verschwinden zwar für die meisten trauernden Personen nach einigen Wochen, aber die Gefühle der Trauer selbst bleiben für eine lange, nicht messbare Zeit bestimmt. Eine trauernde Person zu unterstützen ist keine Aufgabe, die innerhalb einer Woche erledigt werden kann.
https://www.psychotherapeutenkammer-berlin.de/system/files/document/MitbelastendenEreignissenumgehenallgemeineInfoA4.pdf
https://www.betanet.de/umgang-mit-trauernden.html
„Meld dich, wenn du was brauchst“
Nachrichten wie „Meld dich, wenn du was brauchst“ reichen nicht, oft wissen Trauernde gar nicht, was sie genau brauchen.
Es hilft viel mehr, konkret zu werden. Gemeinsame Aktivitäten vorschlagen, z.B. vorbei zu kommen, einen Spaziergang, aber auch für eine Ablehnung Verständnis zeigen. Trauernde haben das Recht, die angebotene Hilfe abzulehnen, ohne dass darauf persönlich angegriffen oder beleidigt reagiert wird.
Nach einiger Zeit einfach noch einmal vorschlagen. Oder Hilfe im Alltag anbieten. Gerade alltägliche Aufgaben wie putzen, einkaufen, Gartenarbeit, Essen mitbringen, können Trauernden schwer fallen.
Die eigenen Grenzen kennen
Man kann nur bis zu einem gewissen Punkt alleine Hilfe leisten. Sobald die eigenen Gefühle zum Thema überwältigend werden, es schwerer fällt, Abstand zu halten oder die trauernde Person unter starken psychischen Symptomen leidet, kann es hilfreich oder sogar notwendig sein, weitere Hilfe zu suchen.
Weitere Hilfe
- Spezialisiert auf Hilfe für vom Erdbeben (un)mittelbar Betroffene auf Türkisch und Deutsch berlindepremdanismanligi@web.de , Dipl. Psych. Ayşın Inan und Kolleginnen(Quelle:https://twitter.com/oezgeinan/status/1623995329342308354?s=61&t=i_s1bFFEsk4c3jpGEUOrtQ)
- Hilfe für Personen, die aufgrund des Erdbebens fliehen mussten: https://www.refugio-bremen.de/kontakt/
- Krisenchat berät Menschen bis 25 Jahre auf Türkisch, bald auch auf Kurdisch und Arabisch über Whatsapp +49 1573 5998143
- Allgemeine Anlaufstelle: Berliner Not-und Krisendienst https://www.berliner-krisendienst.de/ich-brauche-hilfe/
Text: Paula Steiner
Alle Quellen:
https://www.psychotherapeutenkammer-berlin.de/system/files/document/MitbelastendenEreignissenumgehenallgemeineInfoA4.pdf
https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2023/02/14/anteilnahme-erdbeben-tuerkei-syrien-schouler-ocak.html
https://www.betanet.de/umgang-mit-trauernden.html, www.scrumburg.wordpress.com/tag/trauerkurve