Transnationale Liebe geht über Ländergrenzen, Kulturen und Sprachen. Unsere Autorin teilt ihre ganz persönlichen Erfahrungen über die Sprachen und Barrieren, die ihr und ihrem Partner im Beziehungsalltag begegnen.
Obwohl er Deutsch kann, C1 sogar, reden wir auf Englisch. Auf Englisch haben wir beide das gleiche Level: Wir suchen nach Wörtern, machen Fehler. Auch wenn wir streiten, streiten wir auf Englisch. Ich mag es nicht, auf Deutsch mit ihm zu streiten, weil ich weiß, dass ich ihm dann immer sprachlich überlegen bin, das fühlt sich unfair an.
Wenn uns Wörter auf Englisch nicht einfallen, dann sagen wir sie auf Deutsch oder auf Türkisch und wir verstehen uns immer. Ayıp z.B. kann man nicht übersetzen oder Hadi. “Hadi, Hadi”, so wie seine Mutter es immer sagt. Damit kriege ich ihn auf die Palme, aber auch unter Druck, nicht so zu trödeln. Wenn wir bei seiner Familie sind, sprechen wir manchmal nur auf Deutsch, als Geheimsprache, “Ich liebe dich” oder “Ich habe deine Oma gut gesehen”.
Manchmal passiert es, dass ich türkische Redensarten eins zu eins auf Deutsch übersetze. “Anneannen iyi gördüm bu gün.”, “Segen deiner Hände”, “Trage es an guten Tagen”. Auf Englisch habe ich einen türkischen Akzent übernommen, der stärker ist als seiner. Wenn er dafür bei meiner Oma zu Besuch ist, klingen viele seiner Sätze auf einmal bayrisch. Zurück in Berlin sagt er dann noch eine ganze Woche lang “freilich” und “gell.”
Meistens funktioniert unsere hybride Sprache, unsere Mischsprache aus Türkisch, Englisch, Deutsch und Haftbefehl-Zitaten richtig gut.
Manchmal kommen wir an unsere Grenzen. Wenn ich gestresst bin, schaffe ich es nicht, einen englischen Satz zu formulieren. Dann werde ich wütend auf mich selbst und -ungerechterweise- auch auf ihn. Beim Auto fahren ruft er “Hop, Hop!”, um mir zu sagen, ich soll bremsen, ich denke dabei aber, ich soll schneller fahren. “Hop Hop ist das Hadi Hadi von meiner Oma”, schreie ich dann.
Dass wir beide ein höheres Bildungsniveau haben und deshalb überhaupt erst in der Lage sind, Englisch zu sprechen, das fehlerfrei genug ist, uns im Alltag zu verständigen, ist ein Privileg. Ich frage mich schon, wie zwei- oder mehrsprachige Liebe funktioniert, die keine “gemeinsame” Mittel-Sprache hat.
Die Sprachbarriere muss nicht “Quelle von Frust, sondern [kann] Teil der Anziehungskraft [sein]“ , erklärt die Sprachwissenschaftlerin Ingrid Piller, die seit zwei Jahrzehnten zu bilingualen Partnerschaften forscht:
Ich erinnere mich daran, es zu Beginn unserer Beziehung sexy gefunden zu haben, wenn er Türkisch mit mir gesprochen hat. Das hängt bestimmt mit der, von der Wissenschaftlerin Piller nicht als solche gelabelte, aber in ihrer Aussage -mit kritischem Blick- sicherlich enthaltenen Exotisierung, Rassifizierung und Orientalisierung zusammen, die ich mit meinem weißen Blick auf meinen türkischen Freund hatte – und in manchen Teilen auch sicherlich noch habe. Es ist das alte, koloniale Lied vom “Fremden”, das anziehend ist.
Gibt es aber auch Anziehungskraft, die von der Sprachbarriere ausgeht, die nicht problematisch ist?!
Ich glaube, dass es für unseren Teil besonders anziehend ist, die andere Person fortlaufend kennenzulernen. Und immer wieder neu. Wir singen beide lauthals bei trashigen 2000er Bands mit, die damals sowohl im bayerischen Dorf als auch in Istanbul im Radio liefen. Aber das Gefühl, den Liedtext eines Songs, den er immer dann hört, wenn er in einer bestimmten Stimmung ist, zum ersten Mal zu verstehen, weil ich endlich alle türkischen Wörter darin übersetzen kann, ist unbezahlbar. Oder zu merken, dass ich von seiner Familie geliebt werde, auch wenn ich beim Rezitieren des Istanbul-Gedichts schlechthin “gözleme” statt “gözlerim” sage, dass sie mich gern haben, obwohl wir uns quasi nicht verständigen können.
Istanbul’u dinliyorum gözleme kapalı