Mann, Mann, Mann! Wer hätte je gedacht, dass ich zuhause den Küchenchef gebe, während meine Freundin draußen die Brötchen verdient?
von Atilla Oener
Für deutsche Verhältnisse mag das vielleicht nicht allzu abwegig klingen, doch für mich – einen Sohn sogenannter türkischer G.a.s.t.a.r.b.e.i.t.e.r. –, der in einem Haushalt aufwuchs, wo die Rollenverteilung zwischen Anne und Baba klassisch definiert und so selbstverständlich war wie das Geld, das er nach Hause brachte, und die warme Mahlzeit, die sie ihm täglich servierte, ist das schon ’n ziemlich weiter Weg, den ich da hinter mir gelassen hab. Schließlich bin ich noch in dem (Irr-) Glauben groß geworden, dass wir – also die Südländer – die echten Männer seien, die eine Frau führen und lenken wie einen Mercedes Benz in die Türkei, und wenn sie nicht spurt, ihr einfach sagen, wo’s lang geht. Brumm, brumm …
Doch spätestens wenn ich – so wie heute Morgen in der Küche – Bergen von ungewaschenem Geschirr gegenüberstehe, weiß ich, was es heutzutage bedeuten kann, seinen Mann zu stehen. Ich zähl dann schon mal ganz ruhig bis zehn, weil ich weiß, dass es hilft, wenn einem etwas brutal gegen den Strich geht, und denk mir dann: „Beruhig’ dich, du wolltest es nicht anders! So fühlt es sich an, integriert zu sein. Du bist: angekommen, am Ziel! Auch wenn der Zustand der Küche gerade etwas anderes erzählt, bist du der eigentliche Superman.“ Ich bind mir also die Schürze um und mach mich ans Werk. Das Gute an der Arbeit in der Küche ist: Man kann sich vom Radio bedudeln und die Gedanken dabei schweifen lassen – und sie später vielleicht aufschreiben und veröffentlichen.
In meinem ersten Beitrag möchte ich gerne Männern, die sich in ähnlichen Umständen befinden, Mut machen: Ihr seid nicht allein! Wir sind inzwischen schon ganz viele und werden immer mehr. Und das ist gut so und auch notwendig. Ich weiß, die wenigsten von euch möchten offen darüber sprechen, vor allem die Südländer, vornehmlich aus muslimisch geprägten Räumen. Doch wir müssen jetzt ganz stark sein und in die Zukunft schauen – und ich sollte schauen, dass mir mein Pilav nicht anbrennt. Gerade wir sind jetzt vielleicht gefragter denn je. Es sind schon so viele Männer aus dem arabischen Raum hierher geflüchtet und keiner kann mit Sicherheit sagen, wie viele noch kommen werden. Wir, die Jungs der Immigranten von damals, die jetzt vielleicht selbst eigene Jungs haben, können hier Vorbildfunktionen erfüllen. Natürlich sind „die Deutschen“ mit ihrer wunderbaren Willkommenskultur und den Stullen am Bahnhof schwer zu toppen. – Die gemein-deutschen GIDAs, die ost-deutschen No-go-Areas und brennende Flüchtlingsheime sind es übrigens auch.
Doch so ein groß gewachsener deutscher Abendländer mit all seinen Idealen im Kopf – bisweilen auch mit einem dichtbewachsenen Heckenzaun um’s Herz – ist vielleicht auch erstmal schwer zu fassen für einen beispielsweise eher etwas kleiner geratenen syrischen Araber, Aramäer, Assyrer, Kurden oder Armenier aus dem Morgenland. Dagegen hätte es doch unsereins, sprich der immigrierte, integrierte, Döner-, Auberginen- und Paprika-Importeur von einst, der SÜDLÄNDER eben, etwas leichter. Nicht umsonst wurden viele meiner Freunde an einigen deutschen Bahnhöfen fälschlicherweise mit Kalbsleberwurstschnittchen empfangen, obwohl sie hier geboren sind. Einige waren tücksch, andere wiederum freuten sich, dass sie überhaupt mal herzlich empfangen wurden. Besser spät als nie, oder? Kann uns unser äußeres Erscheinungsbild gepaart mit unseren Migrationserfahrungen einen Vertrauensbonus bei den Neuankömmlingen verschaffen? Wer weiß das schon genau, das müssen wir erstmal sehen … wollen!
Außerdem ist wohl eine immer weiter zunehmende Mehrheit der Deutschen gerade schwer damit beschäftigt, besorgt zu sein. Das könnte einige Syrer und Hilfesuchende beim Fußfassen hierzulande ziemlich demoralisieren. Bei mir hat es schließlich fast vierzig Jahre gedauert, bis ich Sätze wie die hier zu lesenden bilden konnte. Gut Ding braucht halt etwas Weile. Und wenn ich, du oder wir es geschafft haben, dann können sie das auch schaffen – das sollte unsere Message sein. Yo, wir schaffen das! Wir können ihnen zeigen, wie stolz Mann beispielsweise auf eine starke Frau sein kann, die, wenn nötig, das Geld nach Hause bringt.
Apropos, voila, die Küche ist sauber, und gleich noch die Kinder aus der Kita abholen. Auf geht’s – yalla, yalla!
Text: Atilla Oener