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Allgemein

Science-Fiction, Punk und Feminismus

Ein Interview mit der Band Reptilians from Andromeda

Ein bisschen Science-Fiction und Horror, ein bisschen Punk und Rock’n’Roll: Das Paar Aybike und Tolga Özbey aus Istanbul sind die Band Reptilians from Andromeda. Tolga gilt als Wegbereiter des türkischen Punks in den 90ern. Aybike ist schon dadurch politisch aktiv, dass sie sich als Frau in der Türkei auf die Bühne stellt und ins Mikrofon schreit.

Zusammen machen sie nicht nur Musik, sondern haben ihre politische Haltung zu ihrer Lebensart gemacht, auch wenn das in der Türkei von Tag zu Tag schwieriger wird.

Wer sind die Reptilians from Andromeda?

Aybike: Die Band Reptilians from Andromeda wurde von mir und Tolga 2013 gegründet. Tolga war schon Gründer und Songwriter der türkischen Pionier-Punkband Rashit in den 90ern und spielt Gitarre. Wir haben bereits sieben EPs unter UK/US-Labels und zwei LPs veröffentlicht, Doomsday und Dialogues for Monkeys.

Im Februar 2018 sind wir durch Belgien getourt. Leider ging es unserer Bassistin Merve gesundheitlich schlecht und wir haben drei Monate pausiert. Sie musste die Band verlassen… Im Mai kam unser Freund Ersin Çağlayan mit einem gigantischen Bass-Sound dazu. In den 90ern war er mit der türkischen Hardcore-Band Radical Noise bekannt.

Dann hatte ich unsere Drummerin Başak Karacan im April getroffen und wir hingen als Freunde eine Zeit lang rum. Sie ist so süß und wirklich talentiert. Und nun spielt sie Schlagzeug in unserer Band. Herzrasen pur!

Was bedeutet euer Bandname?

Tolga: Der Name kommt von dem Science-Fiction B-Movie The Reptile von 1966 auf den wir total stehen, und bezieht sich auf  Verschwörungstheorien über Reptiloide (fiktionale Wesen, die von Reptilien oder reptilienartigen Außerirdischen abstammen, A.d.R.). Einige Leute beschreiben uns außerdem als Reptilien. Dabei sind wir natürlich wie alle Rock’n’Roller sowieso Reptilien aus einer anderen Zeit!

Aybike: Außerdem ist Andromeda unsere Lieblings-Galaxie!

Worüber singt ihr und wie ist euer Sound?

Tolga: Laut und rau. Wir spielen einfach alten Rock’n’Roll.

Aybike: Wir singen über unterschiedliche Themen. Magie, die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft, Geschichten, Träume…. Einige sind Liebesgeschichten, andere Songs sind über verrückte Leute. Unser neues Album kommt eher aus dem Science-Fiction und Horror-Universum.

Was bedeutet „Punk“ für euch?

Tolga: Einfach man selbst zu sein und versuchen, etwas anderes zu machen.

Und wenn dir dann jemand sagen will, was „richtig“ ist, antwortest du einfach: Halt deine Fresse!

Wie seid ihr in die Punkszene gekommen?

Tolga: 1989 fing alles an, als ich meine erste E-Gitarre bekommen habe und die Sex Pistols hörte. Ich gründete die Band Rashit, die heute als Meilenstein des türkischen Punks gilt. Wir haben so viele Alben und EPs unter europäischen und türkischen Labels rausgebracht. Wir haben eines der ersten offiziellen Punk-Alben Telaşa Mahal Yok veröffentlicht. Die Platte hat Punk in der türkischen Jugend bekannter gemacht.

Aybike: Nach den Gezi-Protesten stieg der Druck auf alternative Menschen gewaltig an. Ich wollte mich selbst ausdrücken und kam so in die Punk-Szene. Mir war egal, was andere Leute gesagt haben.

Tolga: Ein Punk zu sein ist in der Türkei allein schon politisch. Du musst nicht mal was sagen oder politische Texte schreiben. In islamischen Ländern lebt man unter ungeschriebenen Regeln. Wenn du einen alternativen Lebensstil hast, es muss nicht mal Punk sein, dann werden sie dich hassen und versuchen zu zerstören. Wir haben quasi unsere politische Haltung zu unserer Lebensart gemacht.

Die Band ist vor allem durch dich, Aybike, als Frontsängerin geprägt. Welche Rolle spielen Frauen in der türkischen Punk- und Undergroundszene?

Aybike: Was die Gleichstellung der Geschlechter betrifft, ist die Türkei heute ganz weit hinten. Selbst Präsident Erdoğan hat vor kurzem gesagt, dass „die Gleichheit zwischen Männern und Frauen gegen die Natur” sei. Erdoğan versucht, die Jugend in der Türkei zu verändern. Sie sollen islamischen Idealen folgen.

Die Gezi-Proteste hatten das Ziel, einen Park und Bäume im kulturellen Zentrum der Stadt zu retten. Alternative und Außenseiter haben sich dafür zusammengeschlossen. Die Regierung hat dann verkündet, dass wir Staatsfeinde seien, so wurden wir zu ihrem Ziel. Danach wurde die Türkei immer islamischer und die Entwicklung läuft weiter in diese Richtung. Auf der Straße spürst du den Druck. Belästigungen haben stark zugenommen. Viele Leute wurden angegriffen, einige sogar getötet.

Die Gründung von Reptilians from Andromeda war eine Reaktion auf all dieses. Wir wollten unseren Emotionen Ausdruck verleihen. Die Band gründet auf der Gleichstellung der Geschlechter, da ist es egal, ob wir Protestsongs machen oder nicht. Ich liebe Musik und mich hat immer die rebellische Seite daran fasziniert. Im Mittleren Osten eine Musikerin zu sein, ist schon ein politisches Statement. Du suchst es dir nicht aus. Es kommt schon allein daher, dass du unter diesen Umständen als Frau auf einer Bühne stehst.

Ich bin froh, dass ich nicht alleine bin. Es gibt noch viele andere Bands, die hier gegen das Patriarchat aktiv sind.

Gibt es denn „türkischen Punk“ oder orientiert sich dieser nur an westlichen Vorbildern?

Aybike: Wenn du damit meinst, dass man traditionelle Instrumente und Melodien mit Punk mixt, stimme ich dem nicht zu. Ich komme aus dem Osten der Türkei und ich habe in der Ost-Kultur gelebt. Ich sehe darin keine besondere Spiritualität und auch nicht den Zwang, Ost- und Westeinflüsse zu mischen. Es gibt Leute, die das machen. Das ist aber nicht mein Ding. Leute, die nicht aus der Türkei kommen, finden darin vielleicht irgendetwas Mystisches oder Besonderes, weil sie damit nicht aufgewachsen sind.

Ich denke auch, dass es falsch ist, Subkulturen oder Musikrichtungen einem westlichen Vorbild gegenüberzustellen. Jede Band, die immer noch Punk, Garage und Rock’n’Roll macht, ist einzigartig. Wir leben nicht in der Zeit von damals, wir haben nicht dieselben Probleme und Emotionen. Wir haben andere Geschichten zu erzählen und jedes Bandmitglied ist anders. Daraus entstehen ganz unterschiedliche Collagen, ein eigener Stil.

 

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