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Kunst & Design

Joseph Huber über Muslima, die keine sind.

Nicht schon wieder so ein Gutmensch-Deutscher – denke ich, als wir seine Arbeit das erste mal ansehen. „Neue Deutsche Frauen“ – Auf den folgenden Seiten sieht man Portraits von jungen Mädchen und Frauen, die ein Kopftuch tragen. Daneben stehen Ihre Geschichten, ihre Wünsche, Ängste und Träume.

Nichts außergewöhnliches, denke ich und schließe die Datei.

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Monate später sitze ich im Zug. Mich erwartet eine sechsstündige Fahrt. Ohne Internetzugang. Was macht man da am besten? Genau, die Festplatte aufräumen! Dabei entdecke ich die Datei von Joseph wieder. Irgendwie ist seine Arbeit mir doch im Gedächtnis geblieben. Doppelklick. Die Datei öffnet sich. Erneut gehe ich die Fotos und die Geschichten durch. Diesmal nehme ich alles genauer unter die Lupe. Bis zum Schluss. Bis der Vorhang fällt:

Denn die Frauen die er fotografiert hat, sind nicht wirklich Muslima und keine von ihnen hat jemals ein Kopftuch getragen. Es sind Freunde, Verwandte und Bekannte des Fotografen und ihre Geschichten sind erfunden.

Lieber Joseph, stell dich unseren Lesern doch bitte kurz vor.

Ich bin Joseph Huber, arbeite als freier Fotograf und lebe in Berlin.

Wieso hattest du das Bedürfnis ein solches Projekt zu realisieren? Wie ist die Idee dazu entstanden?

Das Projekt „Neue Deutsche Frauen“ ist im Rahmen meiner Abschlussarbeit entstanden.
Konzeptionell bezieht sich meine Arbeit auf das „Bilderverbot“ im Islam und die damit verbundene Problematik muslimische Frauen nicht fotografieren zu dürfen.
Es ging mir am Anfang meines Projekts, das den Titel „Neue Deutsche“ trug, um den Aufbruch eines Stereotyps, das viele Menschen in Deutschland von den hier lebenden Muslimen haben.
Ich wollte mit den Bildern die Pluralität der hier lebenden Muslime zeigen, ohne schon von Anfang an eine Meinung vorzugeben. Mir war von Beginn an bewusst, mit welcher Sensibilität ich an das Thema herantreten muss, und das es nicht einfach werden würde, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen. Nach einiger Zeit wurde mir aber klar, dass ich einen Teil der Menschen, nämlich die Kopftuch tragenden Frauen, nicht fotografieren können würde.
Diese Frauen sind das Stereotyp schlechthin und zur Entstehungszeit der Arbeit sind sie ein regelrechtes Modethema gewesen. Auf sie zu verzichten, hätte das Konzept der Arbeit verfälscht. Schlussendlich habe ich diese Problematik zum Konzept meiner Arbeit gemacht und spiele so mit dem Stereotyp, das viele Menschen von Kopftuch tragenden Frauen haben.

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Hattest du in deiner Kindheit türkische Freunde?

Ja, ich bin in einem multikulturellen Freundeskreis aufgewachsen.

Was fiel dir besonders schwer bei den Aufnahmen?

Mein Hauptziel war es authentische Bilder zu machen. Dem musste sich auch mein Perfektionismus unterordnen. Bewusst kleine Fehler einzubauen und das Bild nicht zu perfekt aussehen zu lassen, ist mir am schwersten gefallen.

Wie fielen die Reaktionen auf deine Fotos aus? Hast du überwiegend positives oder negatives Feedback bekommen?

Viele Menschen haben mir die Inszenierung zuerst abgekauft, was für mich ein positives Feedback ist. Aber generell haben die meisten sehr skeptisch reagiert, weil es doch ein Tabu ist, Kopftuch tragende Frauen so direkt zu zeigen. Hinzu kommt der Titel der Arbeit „Neue Deutsche Frauen“ der bewusst provokant ist, aber auch einen Lösungsvorschlag gibt. Ich denke, die Skepsis rührt aus der Angst, dass die Bilder jemanden verletzen könnten, und das diese Verletzung sich in Hass umwandelt.

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Du schreibst, Muslime in Ägypten haben sich eher fotografieren lassen als Muslime in Deutschland! Kannst du die möglichen Gründe dafür erklären?

Die Muslime hier, in diesem Fall vorwiegend die türkischen Gastarbeiter, kamen oft aus bäuerlichen, eher ärmlichen Verhältnissen nach Deutschland. Was meistens für einen unreflektierten Umgang mit Kultur beziehungsweise Religion spricht. Hinzu kommt das Bedürfnis, in Deutschland akzeptiert zu werden. Da das meistens nicht der Fall ist, ist die Reaktion darauf die Rückorientierung auf das Mitgebrachte und die eigene Kultur. In vielen Fällen ist das dann, eine sehr einfache Auslegung des Islam, in deren Verständnis das Bild einer Frau etwas anzügliches ist und den Ruf der ganzen Familie beschädigen kann. Egal mit welcher Absicht das Bild gemacht wurde.
Die Menschen in Ägypten hingegen leben in einer islamisch geprägten Gesellschaft, die sich konstant weiter entwickelt hat und sich bedingt daran, leichter an das Fortschreiten der Entwicklung anpassen kann.

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Nachdem ich mir die Fotos angeschaut und dein Nachwort dazu gelesen habe, hatte ich einen kleinen Schockmoment. Wie hast du es geschafft, deine Fotos so authentisch wirken zu lassen?

Ich nehme das als Kompliment. Danke! Wie oben angesprochen, trägt der fehlende Perfektionismus im Portrait eine große Rolle dazu bei. Ich denke, die Recherche im Voraus hat auch viel dazu beigetragen. Hinzu kam die Unterstützung von zwei jungen Frauen die mich bei der Outfitzusammenstellung beraten haben.

Du sagst, diese jungen Frauen gehören zu den neuen deutschen Frauen.
Was entgegnest du Menschen, die der Meinung sind, diese Frauen seien keine deutschen Frauen?

Das ganze ist ja im Rahmen einer künstlerischen Arbeit zu verstehen und dementsprechend erst mal nur der Titel meiner Arbeit. Dieser bezieht sich auf die Bezeichnung einer deutschen Sozialwissenschaftlerin, die die Frage stellt, ob es nicht an der Zeit ist, die Menschen mit Migrationshintergrund schlicht als deutsche Bürger anzusehen. Tatsache ist, dass die meisten dieser Menschen schon ihr ganzes Leben lang in Deutschland wohnen.

Kannst du uns etwas zu deinem aktuellen Projekt erzählen?

Das ist noch unter Verschluss.

Credits
Fotos: Joseph Huber

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