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Gesellschaft & Geschichten

Nasreddin Hoca erfand den Aprilscherz

..April, April. Trotzdem ist es Zeit, euch an Nasreddin Hoca zu erinnern.

Als ich klein war, gab es für mich nichts Spannenderes als die Geschichten Nasreddin Hoca’s. Jetzt, wo ich in meinen Mittzwanzigern bin, verstehe ich zunehmend die tiefsinnige Allegorie seiner Prosa.

Jeder Witz ist eine Anekdote, die er von dem Leben zugeflüstert bekam. Nasreddin Hoca ist der kluge, tiefsinnige Überlieferer, der uns auf die Mehrdeutigkeit des Moments aufmerksam macht. Und jetzt, kurz bevor der 1. April als Scherzkeks angekrümmelt kommt, finde ich in meinem Bücherregal ein Sammelband seiner nachdenklichen Witze wieder.

Bevor wir in das Spacemobil steigen, das uns in das Jahr 1284 beamt, frischen wir mal unser Wissen über den Mann auf, der mit seinen Weisheiten den anatolischen Raum prägte, auf.

Die Spuren Nasreddin Hocas sind ab dem Jahr 1209 zu verfolgen. Er war der Sohn eines Imams und übte später selber das Amt des Imams aus. Später unterrichtete er in Akşehir an theologischen Hochschulen. Trotz seiner religiösen Biografie wird Nasreddin Hoca nicht als strenger Gelehrter dargestellt. Er ist viel mehr der schlagfertige Rebell, der auf die damalige gesellschaftliche Normen unterschwellig subversiv reagiert. Gewitzt verspottet er die Doppelmoral der Gesellschaft und regt zum Hinterfragen an.

Heute können wir seinen Spuren weiterhin in Akşehir hinterherlaufen, wo sein Mausoleum steht.

Und jetzt: the very best of storys des Königs der türkischen Volksliteratur:

Der allwissende Turban

Ein Mann, der des Lesens unkundig ist, bekommt einen Brief und bittet den Hodscha, ihn ihm zu übersetzen. Der Hodscha tut sein bestes, kann das Geschriebene aber nicht entziffern. Es ist wohl Arabisch oder Persisch.

»Ich kann es nicht lesen«, erklärt er schließlich, »frag lieber einen anderen.«

»Und du willst ein Gelehrter sein«, sagt der Mann ärgerlich, »du solltest dich deines Turbans schämen, den du trägst!«

Da nimmt der Hodscha seinen Turban ab, setzt ihn dem Mann auf und sagt: »Wenn du meinst, der Turban sei allwissend, dann lies du doch den Brief!«

Wer die blaue Perle hat

Der Hodscha hat zwei Frauen. Beide fragen ihn immer wieder: »Welche von uns beiden hast du am liebsten?«

Als die beiden Frauen einmal nicht zusammen sind, gibt der Hodscha jeder eine blaue Perle und bittet jeweils die eine, der anderen nichts davon zu sagen.

Als sie ihn dann wieder einmal fragen, wen er denn lieber hätte, da antwortet er: »Wer die blaue Perle hat, der gehört mein Herz!«

Der Mund ist kein Sack, dass man ihn zubinden könnte

Der Hodscha ist unterwegs zum Dorf. Er hat seinen Sohn auf den Esel gesetzt und geht selbst nebenher. Da kommen ein paar Leute vorbei und sagen: »Schau dir das an! Der alte Mann muss zu Fuß gehen und der Junge sitzt auf dem Esel. Er sollte sich was schämen!«

Der Hodscha, der dies hört, lässt seinen Sohn absteigen und setzt sich selbst auf den Esel. Doch schon nach einer Weile hört er, wie sich zwei, die am Wegrand sitzen, unterhalten: »Der große Kerl sitzt auf dem Esel und lässt den armen Jungen nebenher gehen. Gibt es denn kein Mitleid mehr auf der Welt?«

Da holt der Hodscha seinen Sohn mit auf den Esel und so reiten sie beide weiter. Kommt ein Bauer des Weges und meint: »muss dieses schwache Tier denn euch beide tragen? Das ist ja unglaublich. Der arme Esel wird sich das Rückgrat brechen.«

Der Hodscha steigt daraufhin ab und nimmt auch seinen Sohn vom Esel herunter. So gehen sie weiter, der Esel voraus und die beiden hinterdrein. Als sie nicht mehr weit vom Dorf entfernt sind, hören sie, wie ein Mann zum anderen sagt: »Schau dir bloß die zwei Hohlköpfe an! Der Esel spaziert voraus und die zwei marschieren hinterher. Wie kann man nur so dumm sein?«

Da sagt der Hodscha zu seinem Sohn: »Du hast es gehört, das beste ist immer, man tut, was man selbst für richtig hält. Den anderen kann man nie etwas recht machen. Und der Mund ist auch kein Sack, dass man ihn einfach zubinden könnte.«


Das Mehl auf der Wäscheleine

Ein Nachbar kommt zum Hodscha und möchte dessen Wäscheleine ausleihen. Der Hodscha geht ins Haus und kommt bald darauf wieder zurück. »Tut mir leid, Nachbar«, sagt er, »jemand hat die Wäscheleine mit Mehl bestreut.«

»Aber Hodscha«, meint der Nachbar, »wer sollte denn eine Wäscheleine mit Mehl bestreuen?«

»Der, der sie nicht verleihen will«, antwortet der Hodscha kleinlaut.

So haben sich diese Anekdoten in den letzten Jahren innerhalb vieler Kulturen verbreitet. Heute reicht der Einfluss seiner Geschichten von Kasachstan bis China. Und damit Nasreddin Hoca weiterhin unvergessen bleibt, erinnern wir uns passend zu dem 1. April seufzend an ihn wieder.

Und weil es so schön war, hier noch ein Letzter:

Die Nachtigall

Eines Tages wollte der Hodscha frische Früchte essen, darum schlich er in einen fremden Garten. Dort kletterte er auf einen Baum und aß all die Früchte, die in seiner Reichweite waren. Etwas später kam der Besitzer des Gartens und fragte ihn böse: »Was machst du da oben?« Der Hodscha versuchte sich heraus zu reden und antwortete süß: »Oh, mein Herr, ich bin nur eine Nachtigall und sitze hier oben und singe!« Der Mann amüsierte sich darüber und sagte lachend: »Soso, du bist also eine Nachtigall? Dann lass mich mal ein Lied von dir hören!« Der Hodscha machte komische Gesichtsausdrücke und gab merkwürdige Töne von sich. Der Besitzer brach in Lachen aus und sagte: »Mann, was für ’ne Art von Singen ist das? Ich habe noch nie zuvor eine Nachtigall so singen hören!« Der Hodscha erwiderte: »Ja, eine unerfahrene Nachtigall singt nun mal so!«

Wie ihr merkt: Tapferer Alltagsheld, Schlitzohr und Querdenker – um Nasreddin Hodscha ranken sich zahllose Anekdoten und Geschichten, die über Jahrhunderte hinweg mündlich weitergegeben wurden und nicht nur in der Türkei bei Kindern und Erwachsenen beliebt sind.
Der türkische Satiriker Aziz Nesin sagte einmal über Nasreddin Hodscha, es sei der einzige Mensch, der vor seiner Geburt und nach seinem Tod gelebt hat.

Autorin: Gonca Termucin

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