Na Rassismus, da bist du ja wieder! 

,, Ihr Türken macht nur Probleme, geht dahin wo ihr herkommt!’’

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Die Sommerferien sind vorbei, ich bin in der fünften Klasse. Die erste Stunde beginnt. Die Federmappe ist voll ausgestattet. Die Stifte sind angespitzt und farblich sortiert. Ich bin bestens auf die Schule vorbereitet.

Ich freue mich auf meine neue Klassenlehrerin, sie ist schon etwas älter, hat kurze braune Haare, eine Brille und einen leichten Damenbart. Sie sieht freundlich und vertrauenswürdig aus. Ich freue mich darauf, neue Sachen zu lernen und Interessen zu entwickeln. Ich respektiere sie sehr und bin bereit mich mit Wissen berieseln zu lassen aber das will sie nicht.

 Alle anderen Schüler werden gehört, gesehen und dürfen aussprechen. Nur ich nicht.

Sie bevorzugt andere, erwidert meine Blicke nicht und übersieht bewusst meine Wortmeldungen. Ich strenge mich noch mehr an und denke, dass es an mir liegt. Ich zweifle daran, dass ich nicht genug weiß und besser werden muss. Die Hausaufgaben sind korrekt, sogar die extra Aufgaben habe ich gemacht. Ich verstehe alles aber sie gibt mir das Gefühl, dass ich alles falsch mache. Meine innere Stimme sagt mir, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Anfeindungen sind anfangs schleichend und indirekt. Ich nehme es nicht immer wahr und verstehe es nicht auf Anhieb, schließlich bin gerade erst  zehn Jahre alt.

Wieso werde ich immer noch nicht gesehen und gehört?

Ich bin beruhigt, aber auch besorgt und jetzt weiß ich, dass es nicht an meiner Leistung liegt. Es kostet mich viel Kraft gegen diese Ignoranz anzukämpfen. Ich melde mich jetzt viel öfter und manchmal rufe ich einfach die Antworten in den Raum, weil ich es nicht mehr aushalten kann. Ich lasse meine Hausaufgaben von meinem älteren Geschwistern zwei Mal kontrollieren. Meine Testergebnisse vergleiche ich mit denen meiner Mitschüler*innen. Wieso werde ich immer noch nicht gesehen und gehört?

Ein neues Gefühl entwickelt sich. Es ist kräftig, klar und ungeduldig. Ich glaube, man nennt es Wut. Dieses Gefühl nimmt jeden Teil meines Körpers ein und will sich bemerkbar machen. Meine Stimme ist lauter, klarer und kräftiger. Ich möchte das Problem ansprechen, aber ich weiß nicht wie. Wie soll ich über etwas reden, was ich nicht benennen kann?

Das Gefühl bestätigt sich im Laufe der Jahre.

Ich rede laut und kann mich nicht mehr ganz auf die Aufgaben konzentrieren. Das merken die Schüler aber noch mehr meine Klassenlehrerin. Endlich! Jetzt habe ich ihre Aufmerksamkeit. Sie schaut mich an und sie redet mit mir. Sie ermahnt mich leise zu sein da ich den Unterricht störe. ,,Du kannst ja gerne raus, wenn du nichts lernen möchtest’’. Ich bin kurz leise. Der Unterricht wird fortgeführt und ich beteilige mich, versuche es zumindest. Aber ich werde nicht gesehen und nicht gehört. Langsam ist mir der Unterricht gleichgültig. Ich werde wieder lauter und rede mit meinem Tischnachbarn.

Sie richtet ihren Blick wieder auf mich und wirkt wütend.

Ich höre auf zu reden. Sie holt tief Luft und sagt „Ihr Türken macht nur Probleme. Geht dahin, wo ihr herkommt!’’. Auf einmal erstarre ich. Mir bleibt die Luft für eine Sekunde weg. Kurze Stille im ganzen Raum.

Ich gucke sie an und kann mich nicht bewegen. Sie atmet schnell ein und aus. Die ganze Klasse schaut mich an. Es ist immer noch leise. Keiner traut sich die Stille zu durchbrechen. Mein Mund öffnet sich nicht. Mein Kiefer ist starr. Ich fühle mich gefesselt. Die Klasse schweigt immer noch. Die Lehrerin fährt fort: ,,Als ich dich das erste Mal gesehen habe, wusste ich dass du nur Probleme machen wirst. Du bist die ganze Zeit laut und nervst. Du wirst hier sowieso nichts lernen. Du wirst die Schule nicht schaffen!’’ Sie führte den Unterricht fort, die Anspannungen der Schüler*innen löst sich langsam.

Und ich verstand: ,,Hallo Rassismus, ich heiße dich mit einem bitterem Beigeschmack in meinem jungen Leben willkommen. Du wirst mein Begleiter auf einer langen Reise. Ich will dich zwar nicht bei mir haben, aber ich glaube, ich werde dich so schnell nicht wieder los. Auch wenn du manchmal verschwindest, findest du den Weg zu mir zurück’’.

 

 

Foto: 2oSomething

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