Murat Topal – Mit Blaulicht ins Rampenlicht

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An einem sonnigen Montagmorgen kommt uns Murat Topal schon mit einer Sporttasche entgegen gelaufen. Wir treffen den umtriebigen Comedian in seinem Haus in Berlin-Britz, wo er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt.
Nach einer zehnjährigen Laufbahn als Polizist in Berlin-Kreuzberg, seinem mittlerweile fünften Buch, diversen TV-Auftritten und vielen Jahren sozialen Engagements, feilt er derzeit an einem neuen Bühnenprogramm. Der gebürtige Neuköllner hat mit uns über das Künstlerdasein, Familie, seinen alten Kiez und was ihn sonst noch bewegt gesprochen.

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„Ich habe es nie bereut den Schritt auf
die Bühne gegangen zu sein.“

Fehlt dir manchmal etwas aus deinem alten Leben als Polizist?

Nein, nicht wirklich. Ich denke zwar immer mal wieder daran zurück – der ein oder andere Nachtdienst mit einem aus der Truppe wäre sicher lustig ­ aber Sehnsucht habe ich nicht. Ich war bereits Beamter auf Lebenszeit als ich 2007 ausgestiegen bin. Dann freiwillig zu kündigen und diesen Status aufzugeben, um freiberuflicher Künstler zu werden, ist kein einfacher Schritt. Ich bin jetzt Familienvater und da ist das Leben als Künstler schon eine Herausforderung. Ich hatte vor gut zwei Jahren einen schweren Motorradunfall – Das war ein Ereignis, das mir den Unterschied zwischen dem jetzigen und dem vergangenen Leben drastisch bewusst gemacht hat, wenn du plötzlich über ein halbes Jahr aussetzen musst. Aber ich habe es nie bereut, diesen Schritt gegangen zu sein. Es war sozusagen selbstgewähltes Schicksal.

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Hast du Sorge, dass dir eines Tages die Anekdoten aus deiner Zeit bei der Polizei ausgehen?

Nein, da habe ich noch einiges in petto! In zehn Jahren sammelt sich schon einiges an. Meine Zeit als Polizist wird immer ein Bestandteil meiner Programme sein, denn sie gehört fest zu meiner Biografie. Auf ihr baut alles auf, was ich heute bin. Später habe ich dann thematisch auch Dinge wie Hausbau und Familie einfließen lassen, wie in meinem letzten Buch „Das Dach kommt später“. Mich interessieren außerdem gesellschaftspolitische Themen, die vielleicht in Zukunft stärker Einzug in mein Programm halten werden. Meine Intention war es schon immer, Menschen zusammen zu bringen, sodass nicht nur die eine über die andere Gruppe lacht, sondern im Idealfall alle miteinander übereinander schmunzeln können.

Würdest du gern öfter mal in der Türkei auftreten?

Ich hatte bereits Auftritte am „Goethe Institut Istanbul“, auf einer Veranstaltungsreihe in Hotels oder bei größeren Konferenzen in der Türkei, immer in deutscher Sprache. Ich fühle mich jedoch zu unsicher, um das auf Türkisch zu machen. Man büßt zu viel Schlagfertigkeit ein, die in dem Job Voraussetzung ist. Da beneide ich meine Schwester, die 10 Jahre in der Türkei gelebt hat und nun tatsächlich beide Sprachen gleich gut spricht. Was viele gar nicht wissen: Die Türkei hat eine erstklassige Comedy-Landschaft. Es gibt extrem gute türkische Komödien, sowohl auf der Leinwand als auch auf der Bühne.

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In deinem Buch „Neukölln – Endlich die Wahrheit“ brichst du viele Klischees mit akribisch recherchierten Fakten zur Geschichte des Bezirks. Bereust du es, deinen Kiez in ein positiveres Licht gerückt zu haben? Vermisst du das „alte“ Neukölln manchmal?

Ich hoffe, dass ich keinen allzu großen Beitrag zur Gentrifizierung Neuköllns geleistet habe! (lacht) Ich bin im Herzen von Nord-Neukölln groß geworden und habe es noch als klassisches Arbeiterviertel erleben dürfen – hart aber herzlich. Ich habe nicht das Gefühl, dass mir dort etwas fehlte. Dann war es zeitweilig verrufen und keiner wollte dort wohnen. Aus vielen leeren Läden wurden plötzlich Spielotheken oder Wettbüros. Das gab ein trauriges Straßenbild. Jetzt muss man wiederum schauen, dass Neukölln nicht zu einem zweiten Prenzlberg wird. Aber es ist glaube ich, auch ein natürlicher Prozess in einer Großstadt, dass alles ständig im Wandel begriffen ist. Ich finde es nicht schlecht, dass der Bezirk wieder reizvoller geworden ist, vor allem für junge Familien.

„Vom Engagement vieler junger Menschen bekommt
oft keiner etwas mit.“

Du bist Juror bei der Verleihung der Berliner Tulpe für deutsch-türkischen Gemeinsinn. Wie wählt ihr die Preisträger aus und welche Bedeutung hat der Preis für dich?

Ich finde, es ist einer von vielen Anlässen bei dem tolle und wichtige Projekte gekürt werden. Vieles bekommen wir gar nicht mit, da in der Medienwelt eher die Prämisse gilt: „bad news are good news“. Ich finde es wichtig, mit meiner Arbeit solchen den Projekten den Zugang zur Presse möglich zu machen. Oft geht es sogar über den deutsch-türkischen Gemeinsinn hinaus, da sich viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen an den Projekten beteiligen, Zeit und Herzblut hineinstecken. Das finde ich sehr ehrenhaft. Die Jury nimmt die Aufgabe ernst, indem sie sich mit den nominierten Projekten tiefgründig auseinandersetzt. Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht, da glühen dann schon mal die Köpfe.

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„Es war ein großes Glück für mich,
bikulturell aufwachsen zu dürfen.“

Was bewegt dich in Deutschland im Moment?

Ich finde, die Menschen aus meiner Generation sollten verstehen, dass es ok ist, sich als Deutscher zu fühlen, gleichzeitig jedoch seine Wurzeln nicht zu leugnen. Viele sind es leid, sich immer wieder erklären zu müssen. Ein Fehler, der in der Vergangenheit gemacht wurde, ist, dass man uns immer als die „Anderen“ und nicht als Deutsche wahrgenommen hat. Ich trage ja tatsächlich beides in mir, habe sowohl türkische als auch deutsche Wurzeln. Meine Mutter ist Berlinerin, mein Vater war türkischer Gastarbeiter. Es war ein großes Glück für mich, bikulturell aufwachsen zu dürfen. Dabei spielt es keine Rolle, um welches Land es geht, denn Bikulturalität ist in jedem Fall eine Bereicherung für alle. Wir müssen uns aber auch selbst an die Nase packen, denn wir haben uns der Ausgrenzung zu spät entgegen gesetzt. Viele Akademiker gehen jetzt mit dem Abschluss in der Tasche zurück in die Türkei. Wobei es hier ja mittlerweile kein „Zurückkehren“, sondern eher ein Auswandern ist. Das finde ich bezeichnend und auch etwas besorgniserregend.

Ich hätte auch niemals gedacht, dass die Herkunft für meine Kinder noch irgendeine Rolle spielen würde. Dass sie sich im Alter von vier und sechs Jahren Problemen ausgesetzt sehen, die nur von ihren türkischen Vornamen herrühren, finde ich schon krass. Ich hoffe sehr, dass die Leute zur Vernunft kommen, denn es kann keinen anderen Weg geben, als sich wieder auf’s Menschsein zu besinnen.

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Credits
Text: Wiebke Finkenwirth
Fotos: Ferhat Topal

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