… oder wie ich an einem tristen Oktoberabend
lernte kahve zu kochen
Ich möchte hier nicht die Geschichtedes türkischen kahve erzählen. Nein, ich möchte von Volkan berichten, der mir gezeigt hat wie man kahve kocht und mir damit ein kulinarisches Erbe des osmanischen Reiches nahebrachte. Man muss dazu wohl wissen, dass ich keine türkischen Wurzeln habe. Osmanische vielleicht, osmanische Wurzeln könnte ich haben, schließlich ist meine Großmutter väterlicherseits gebürtige Griechin und wir wissen alle, wie weit sich das osmanische Reich seinerzeit erstreckte. Aber gut, dies zu hinterfragen würde jetzt zu weit führen und tut eigentlich auch nichts zur Sache. Mit dem türkischen Mokka jedenfalls, bin ich bis zu diesem Tag im Oktober noch nie in Berührung gekommen. Ich kannte also weder den Vorgang des kahve Kochens, noch die Utensilien oder den notwendigen Ausgangszustand des Kaffees. Volkan hingegen, kannte ich über eine gemeinsame Freundin. Die beiden sind schon viele Jahre miteinander befreundet und besuchten sich oft gegenseitig in Deutschland oder der Türkei. Volkan lebt mit seiner Familie in der Nähe von Izmir. Er rekultiviert alte Weinsorten unter beigen Winnetou-Felsen, mit Blick auf die türkische Ägäis. Bevor wir uns allerdings in der warmen Ägäis verlieren, schalten wir schnell um, zu einem kalten deutschen Oktoberabend vor ein paar Jahren. Keine Angst liebe Freunde, die Seele wird hier dennoch gewärmt, nämlich mit kahve dem türkischen Mokka.
An einem tristen Oktobernachmittag reiste Volkan an und zauberte neben lukullischen Gaumenfreuden, auch eine mit goldenen Ornamenten verzierte Mokkatasse, eine Tüte Kaffee und einen kleinen kupfernen Topf aus seinem Rucksack. Ich lernte, dass das Kupferkännchen cezve heißt und das darin der türkische Mokka gekocht wird. Das Kännchen hat traditionell einen langen, verschnörkelten Griff, ich nehme an um genug Abstand von der offenen Flamme zu haben, auf dem der Kaffee früher zubereitet wurde. Wir experimentierten bei der Zubereitung selbstverständlich nicht mit offenem Feuer, sondern schalteten ein handelsübliches Cerankochfeld an. Mit dem eigentlich unwürdigen Kochfeld und streng vorgegebenen Abläufen, sollte nun echter türkischer Mokka gebraut werden. Was nun folgte, erinnerte von der Philosophie her an eine japanische Teezeremonie. Wir füllten gewissenhaft die notwendige Menge Wasser, den staubfein gemahlenen Kaffee und Zucker in die cezve und verständigten uns auf die mittelsüße Variante orta şekerli. Wer es weniger süß also az şekerli mag, gibt eben weniger Zucker dazu und für die ganz Süßen unter uns, wird der Mokka tam şekerli also mit Unmengen Zucker zubereitet. Böse Zungen behaupten, nur so ließe sich der starke Kaffee überhaupt erst ertragen. Ich halte das für ein Gerücht. In der einschlägigen Literatur zum Thema wird nun empfohlen, das Gebräu beim langsamen erhitzen stetig zu rühren. Ich bin mir aber absolut nicht mehr sicher, ob wir das getan haben. Ich erinnere mich aber, dass wir aufgereiht wie Perlen auf einer Kette, vor dem Herd standen und starrten. Nicht wie »Männer, die auf Ziegen starren«, sondern wie Menschen, die auf Kaffee starren. Der Duft des Kaffees erfüllte bald die ganz Küche. Wir warteten auf Schaum und nach einer kleinen Ewigkeit, blubberte es fröhlich an der Oberfläche des Kupferkännchens. Ich glaube, dann rührten wir, nahmen den Kaffee kurz vorm überkochen vom Herd und gossen einen Schluck des schaumigen Kaffees in die kleinen Tässchen, die Volkan sorgsam neben dem Herd arrangiert hatte. Wir stellten die cezve wieder zurück auf die Platte und sie wurde erneut der Hitze überlassen. Dann brodelte, dampfte und zischte es wieder in der Kanne und zack, packten wir den Kannenstiel beim Schlafittchen und holten die cezve erneut vom Herd. Der Mokka war nun fertig und wurde auf die schon mit Schaum versehenen Tassen aufgeteilt.
Es war ein sehr befriedigendes Gefühl, das dunkle Gold in die kleinen Tassen laufen zu sehen. Das hatte absolut nichts mehr von dem schnöden Mammon eines deutschen Filterkaffees, der ungebremst und durchsichtig in eine undekorierte Glaskanne plörrt. Das hier war ein sinnliches Gesamterlebnis vom ersten bis zum letzten Handgriff. Wir schnappten uns die Tassen, machten es uns im Wohnzimmer gemütlich und genossen glücklich grinsend den liebevoll gebrauten Kaffee.
Ich gebe zu, ich habe seitdem nicht oft türkischen Mokka gekocht, aber immer wenn ich die cezve auf den Herd stelle und das Ritual vollziehe, habe ich die besten Erinnerungen an diesen Abend im Oktober. Und vor allem erinnere ich mich an einen Menschen, dem Kultur, und damit ist hier nicht nur die Kaffeekultur gemeint, wichtig ist und der sie zu vermitteln weiß. Wie oben schon erwähnt, geht es mir hier nicht darum aufzuschreiben, wie man einen perfekten türkischen Mokka kocht, sondern es geht viel mehr um, Zugewandtheit, um eine Kultur des Teilens, sorgsam miteinander und den Dingen sein und es geht um Genuss. Es geht darum einander zuzuhören, zuzusehen und dabei sinnlich verstehen zu lernen. Ich bin der Meinung, dass sich daraus das Gefühl für eine andere Kultur entwickelt und damit das Verständnis ganz von selbst kommt. Du merkst, wie sich dein Blick für die Dinge weitet und damit deine Seele öffnet. Immer wenn ich die cezve im Küchenregal sehe oder im Flur an den kleinen Tassen vorbeilaufe, wird mir das wieder bewusst. Es macht mich glücklich eine Geschichte zu den Dingen zu haben, denn sie geben dem Leben Bedeutung und Tiefe. Ein noch ein viel größeres Glück ist es, diese Geschichten bei einem guten kahve miteinander teilen zu können.
Ihr möchtet auch eure Geschichte mit uns teilen, dann haut in die Tasten und schreibt die Story eures ganz persönlichen osmanischen Erbes an roma@renk-magazin.de und wir erarbeiten daraus gemeinsam einen Text für renk.
Ganz besonders danken, möchte ich Catharina Schewe für ihre wunderschönen Illustrationen. Mehr von Catharinas zauberhaften Arbeiten könnt ihr auf ihrem Tumblr bewundern.
Credits
Text: Roma Hering
Illustration: Catharina Schewe