Auf einen Kaffee mit Sebastian Bieniek

Liebes Wedding

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In Polen geboren, als Teenager auf’s Land in Niedersachsen gezogen. Heute lebt er in Berlin und arbeitet in seinem Atelier in Friedrichshain. Sebastian Bieniek betitelt sich selbst als Konzeptkünstler, fotografiert Gesichter im Profil, bemalt diese und veröffentlicht zudem sein Buch unter dem Namen ‚Realfake‘.
Der richtig große Durchbruch kam dann 2013 mit seiner Fotoserie ‚DoubleFaced‘ – fotografiert werden Frauen, denen ein weiteres Gesicht auf die Wange gemalt wurde. Es entstehen multiple Personen, Realität und Malerei verschmelzen, die Wahrnehmung verschiebt sich – der Fokus ist ausschlaggebend.

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Wie bist du von Polen nach Deutschland gekommen?

1989, einen Monat vor dem Mauerfall. Ich war 10 Jahre alt, die ersten Jahre verbrachte ich in Celle.
Für mein erstes Studium zog ich nach Braunschweig, dann 1998 nach Berlin und ich bin hier geblieben. Damals und auch heute noch wollen alle Kunststudenten nach Berlin.

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Man findet viele Bezeichnungen zu deiner Person und vor allem zu deiner Rolle als Künstler im Netz, wie würdest du dich selbst bezeichnen? 

Ich selbst nenne mich Konzeptkünstler. ich mache zwar Fotos und male Bilder, aber ich versuche lediglich bestimmte Ideen, die ich habe, auszuschöpfen. Ich nutze das Medium mit dem ich arbeite – hier finde ich die Bezeichnung „Konzept“ sehr zutreffend. Ich schränke mich in meinem Medium nicht ein. Wenn ich Ideen habe, dann setze ich diese so um, wie es sich in dem Moment für mich richtig anfühlt. Ich möchte mich in meinen Arbeiten nicht in Schranken weisen und ‚nur‘ Fotograf oder ‚nur‘ Maler sein. Eine konkrete Bezeichnung für den Künstler lässt ihn bloß in Schubladen verschwinden und stoppt großartige Ideen, die durch irgendeine Art von Betitelung nicht in das Raster passen könnten.

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Lass uns über deine bekanntesten Werke aus der Fotostrecke ‚Doublefaced‘ sprechen. Kann man diese Arbeiten auf deine deutsch – polnischen Wurzeln zurückführen? Trägst du, durch deinen biographischen Hintergrund immer zwei Gesichter mit dir? 

Beeinflusst haben mich meine Wurzeln auf irgendeine Art und Weise schon bei der Fotoserie. Ich bin in Oberschlesien geboren, habe dort meine Kindheit verbracht. Das Verrückte ist, als meine Eltern geboren sind, war dieser Teil von Polen noch Deutschland. Wir sind somit am selben Ort, aber in zwei Ländern geboren. So wie fast überall, gibt es auch in Oberschlesien keine ‚Einheit‘ von Herkunft und Kultur, was sehr schön ist, aber auch eine Bestimmte Art von Zerrissenheit mit sich bringt. An einem Ort wie diesem fällt es den Menschen schwer, ihre Wurzeln zu definieren – bin ich Deutscher, bin ich Pole, bin ich Oberschlesier? Ist das überhaupt wichtig und essenziell für meine Existenz? In dem Dorf, in Oberschlesien in dem ich aufgewachsen bin, war genau das der Fall: die Wurzeln waren unklar – in Polen wurde ich als Deutscher bezeichnet und in Deutschland als Pole.

Später haben Kirche und Politik versucht diese Mischung zu vereinheitlichen, in dem diese Leute als deutsche Minderheit bezeichnet wurden.

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Kann man deine Kunst als Identitätssuche verstehen?

Das ist zu weit hergeholt! Ich lebe seit über zwanzig Jahren in Berlin. Ich suche meine Identität nicht. Meine Werke sind Ideen, die meistens aus dem Hier und Jetzt entstehen. Etwas, das ich sehe, das mich inspiriert und eine weitere Idee antreibt – lässt mich am Ende ein ganzes Werk schaffen. Häufig passieren diese Dinge wie aus einer Art Affekt heraus. Interpretiert wird im Nachhinein – auch das ist schön, dann bleibt noch weit aus mehr Freiraum für die Gedanken des Betrachters. Allerdings muss eine Idee oder eine Meinung von der Gesellschaft auf etwas projiziert werden, sonst ist es für den Einzelnen kaum annehmbar.

Im Grunde ist es so: Das Kind braucht einen Namen und der Name braucht eine Bedeutung.

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Meine Oma hat mich immer gefragt, ob ich auf deutsch oder auf polnisch träume. Wie träumst du?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dir diese Frage gestellt wurde. Patriotismus ist ein großes Thema in Polen. Ich bin kein Fan von dieser Schwarz – Weiß Malerei. Menschen in Schubladen stecken aufgrund ihrer Herkunft kommt für mich nicht in Frage. Deswegen kann und möchte ich mich gar nicht für eine dieser beiden Seiten entscheiden müssen.

Es gibt so viele Grauzonen dazwischen, die uns gerade zu dem machen was wir als Individuum sind. Die Grauzonen sind das Essenzielle – es wäre doch schade, wenn man sich für eine Seite entscheiden müsste: entweder Schwarz oder Weiß. Die verschiedenen Einflüsse bringen die Nuancen in unser Leben und in unsere Gedanken.

Auch meine Werke und deren Vielfältigkeit entspringen aus diesen Grauzonen.

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Bienieks Werke werden zur Vernissage am Freitag, den 30.09. ab 19 Uhr bis einschließlich 21. Oktober in der Montagehalle bei unserer Ausstellung im Rahmen von Liebes Wedding zu sehen sein. 

Credits

Text: Julia Boos
Fotos: Darwin Stapel

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