Fast ein Jahr ist es her, dass renk. Mirza Odabaşı in Düsseldorf in seiner WG besuchte. Mirza arbeitet derzeit an seinem Film „Leiden schafft“ zum Thema Musik und Identität. Im Fokus steht HipHop-Kultur. Wir haben ihn in Berlin bei den Dreharbeiten besucht und zu seinem Film interviewt.
Wie ist die Idee zu dem Film „Leiden schafft“ entstanden?
Vor einigen Monaten habe ich mir einen Song von Killa Hakan und Fuat aus dem Rapüstad Album angehört. Ich hatte auf einmal Bilder vor Augen für einen Film. Ich sah, dass mein Terminkalender zwei Wochen leer war. Da ich ein Mensch bin, der gerne beschäftigt ist, habe ich Killa Hakan kontaktiert und dachte, ich fahre einfach nach Berlin.
Wie kamst du von deinen alten Filmen „Zwischenkultur“ oder „93/13 Solingen“ auf HipHop-Kultur?
Ich beobachte Dinge an mir und versuche, diese dann auf die Gesellschaft zu übertragen. Für mich behandelt der Film „Leiden schafft“ somit die Frage, ob Menschen mit Migrationshintergrund mehr Bezug und einen schnelleren Zugang zu HipHop haben. Menschen mit Migrationshintergrund machen öfter HipHop als Menschen ohne Migrationhintergrund. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in den USA und Frankreich.
Wie hat sich Hip Hop für dich in den letzten zehn Jahren verändert?
In meinem Film habe ich zum größten Teil mit Menschen gesprochen, die die Entstehung und die Entwicklung dieser Kultur mitbekommen und mitgestaltet haben. Ich persönlich habe seit kurzem wieder einen Zugang zu HipHop mit dem Projekt bekommen, kann aber mit den aktuellen Entwicklungen in den USA und Deutschland wenig anfangen. Das ist aber meine Meinung und eine Frage des Geschmacks. Die Leute, die ich tatsächlich gut finde, habe ich auch vor meiner Linse gehabt, weil ich weiß, dass sie etwas zu erzählen haben. Ich habe ja im Schwerpunkt nicht nur HipHop-Kultur, sondern möchte mich vor allem auf gesellschaftliche Probleme konzentrieren.
Wer sind die Menschen, die du in deinem Film zeigst?
Ich habe mit verschiedenen Persönlichkeiten gesprochen die sich in der HipHop-Kultur wieder finden. Nicht nur Rap-Musiker, sondern auch Tänzer, Graffiti-Künstler oder Street-Worker. Für den Film habe ich Berlin, München, Köln und Istanbul abgesteppt und habe mit Killa Hakan, Chefket, Eko Fresh, Fuat, Ebow X, Celo & Abdi, Kadir Amigo Memis, Elektro Hafiz, Senol Kayaci, Saiid Ismati, Encan & Murat Acikada gesprochen.
Ich habe ganz bewusst Killa Hakan gewählt. Einer der mit seinem Gangster-Image überzeugt, wie aber auch den Rapper Chefket als Kontrast, der auf eine ganz positive Weise HipHop-Kultur lebt. Diese zwei sind Produkte Deutschlands, die in der Türkei mit Sicherheit ganz andere Menschen geworden wären.
Ist es anstrengend, immer wieder so viele Menschen zu treffen?
Mich verbindet etwas mit diesen Menschen und das bringt mich unheimlich weiter. Keine Erfahrung würde mich so ungemein weiter bringen. Ich komme auch nie an den Punkt der Langweile, da ich mir Themen aussuche die mich bewegen.
Wie bereitest du dich auf die Gespräche vor?
Gar nicht wirklich. Ich nehme auch keine Fragen mit und versuche, so wenig wie möglich vorher mit den Menschen zu reden. Das verdirbt mir das Interview. Diese ganzen Gespräche sind jungfräulich. Die Tatsache, dass sich mir jemand vorstellt und es vor der Kamera das zweite mal tut, ist nicht dasselbe. Mir ist authentisches Filmmaterial unheimlich wichtig.
Ich habe in diesem Projekt nur eine einzige Frage, die ich immer wieder gestellt habe und die lautete: „Wo findet sich in deiner Kunst deine Identität wieder?“
Was willst du mit „Leiden schafft“ erreichen?
HipHop Kultur hat innerhalb der Musikszenen eine ähnliche Position wie die Migranten in ihrer Gesellschaft oder Umgebung. Zudem findet der Zugang zu Hiphop schneller oder sogar besser statt, wenn Migration stattfindet. Es reicht, wenn wir die Situation in Deutschland beobachten. Ganz viele Jugendliche mit einer Einwanderungsgeschichte konsumieren diese Kultur und auf der anderen Seite hat man ebenfalls viele HipHop-Künstler oder Rapmusiker, die denselben Background haben. Rapmusik kommuniziert meistens Probleme und selbst bei Künstlern, die keinen Migrationshintergrund haben, kommuniziert sie Unzufriedenheit. HipHop ist das Sprachrohr für viele Menschen, die mit einfachen Mitteln ihre Sorgen kommunizieren können. Da fällt mir ein, was Celo und Abdi mir sagten, während wir das Interview führten: „Anstatt auf einen Mannschaftswagen einen Molotov Cocktail zu werfen, konfrontierst du die Gesellschaft mit deinem Anliegen oder deiner Wut.“ Ich möchte mit dem Film nichts entschuldigen oder rechtfertigen, was schief gelaufen ist oder schief läuft bei vielen Jugendlichen. Genau so möchte ich nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen. Aber wir benötigen für einige Sachen mehr Verständnis und diese Musikrichtung kann sehr viel über bestimmte Probleme und Missverständnisse in Deutschland erzählen.
Gibt es ein Fazit des bisherigen Prozesses?
Es ist sehr bewegend, was ich an Material zusammenbekommen habe und ich freue mich, es bald auf die Leinwand zu bringen. Ein echtes Fazit müssen die Betrachter dann für sich ziehen.
Fotos: Umut Yaşar Baltacı, Mirza Odabaşı