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Gesellschaft & Geschichten

Lateral Violence

Wenn Unterdrückte zu Unterdrückern werden

Was bedeutet Lateral Violence?

Unter Lateral Violence (dt. seitliche Gewalt) bezeichnet das Verhalten bei denen Menschen, die gesellschaftlich benachteiligt und einer Unterdrückung ausgesetzt sind, selbst gegeneinander wenden. Das Phänomen beschreibt, dass Menschen, die als gesellschaftlich diskriminiert gelten und unterdrückt werden, die unterdrückenden Verhaltensweisen und die erfahrene Diskriminierung in ihren eigenen Verhaltensweisen reproduzieren.

Dazu zählen beispielsweise Rassismus, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung sowie Sexismus. Auch Mobbing als alltägliches Verhalten in Schulen und Bildungseinrichtungen wird immer wieder als reproduziertes, diskriminierendes Verhalten im Rahmen von Lateral Violence beschrieben.

Es handelt sich hierbei um eine Selbstaufwertung durch die Abwertung anderer.

Lateral Violence und postkoloniale Theorien

Der Begriff Lateral Violence geht ursprünglich auf Konzepte der postkolonialen Theorie zurück und auch unter den Begriffen “internalised colonialism” (dt. internalisierter Kolonialismus) und “horizontal violence” (dt. horizontale Gewalt) bekannt.

Unterdrückte positionieren sich hierbei mit ihren Unterdrückern und richten ihre Wut, Angst und Frustration an Personen derselben unterdrückten Gruppen. Kolonisierte Menschen übernehmen die unterdrückenden Mechanismen der Kolonisatoren und wenden sie gegen andere kolonisierte z.B. in Form von körperlicher Gewalt oder von Praktiken der Beschämung. Lateral Violence ist ein Resultat von langjährigen Unterdrückungsverhältnissen die auf Trauma, Rassismus und Diskriminierung aufgebaut ist.

Oft sind diese internalisierten Denkmuster so tief verankert und gelernt, dass sie von vielen Indigenen und Aborigines nicht als solche wahrgenommen werden oder unabsichtlich passieren. Eine Form dieser Gewalt ist z.B. das Verbieten vom Ausüben von traditionellen Praktiken und Bräuchen. Auch Mobbing, Lästern, Ausgrenzung und Kleinreden innerhalb der Community sind formen von Lateral Violence. Die Aggressoren sind auf dem Arbeitsplatz, im Freundeskreis als aber auch innerhalb der Familie zu finden.

Internalisierte Misogynie

Lateral Violence kann sich auch in Form von internalisierter Misogynie, also internalisierenden Frauenhass äußern. Das oftmals herabwürdigende und eindimensionale Frauenbild prägt nicht nur Männer, sondern auch das Frauenbild von Frauen. Slutshaming, Rape Culture, TERF (Trans-Exclusionary Radical Feminism) und (Cyber-)Mobbing sind nur einige Beispiele, in denen Frauen selbst zu ihrer Unterdrückung und Abwertung beitragen. Damit einher kommt ebenfalls die fehlende Solidarität untereinander.

Es handelt sich um eine Trickmühle des Sexismus.

Ein Beispiel hierfür sind Frauen, die in männlich dominierten Bereichen arbeiten und andere Frauen vor männlichen Kollegen abwerten. Durch dieses Verhalten können sie zum einen die Solidarität der männlichen Kollegen ernten, zum anderen können sie sich dadurch von anderen Frauen abgrenzen und sich selbst als besser darstellen. Doch auch wenn man sich durch dieses Verhalten eine Form von Vorteil verschaffen kann: Es wird an der eigenen Unterdrückung mitgewirkt.

Eine Ursache für Lateral Violence in Bezug auf Frauen liegen beispielsweise in den gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen. Zum Beispiel, dass Frauen in heterosexellen Beziehungen dafür zuständig sind, sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern. Trotz Progression sind viele Stereotypen und Rollenbilder noch immer in unserer Gesellschaft verhärtet.

Auch Sexismus sorgt dafür, dass alles, was weiblich assoziiert wird, als minderwertig gilt und dass die Arbeit von Frauen oft unsichtbar gemacht wird. Es ist also immer ein Effekt von gesellschaftlichen Macht- und Ungleichverhältnissen.

 

Es kann schmerzhaft sein zu realisieren, dass unterdrückende Muster wiederholt und dadurch an der eigenen Unterdrückung mitgearbeitet wird – auch, wenn dieses Verhalten ein sehr menschlicher Zug zu sein scheint. Personen, die sich dessen nicht bewusst sind, wehren sich gegen solche Gespräche oft erst einmal ab. Es ist leichter seine Unzufriedenheit und Frustration an Menschen aus der gleichen Gruppe zu richten, als das unterdrückende System zu hinterfragen.

Pädagogische Maßnahmen können eventuell dazu beitragen, abwertende Denkmuster und ihre Auswirkungen bewusstzumachen und deutlich zu machen, wie sie mit gesellschaftlichen Verhältnissen zusammenhängen.

Es geht also sowohl um ein Verlernen als auch um ein Neu-Lernen, und das wenden Betroffene dann im Idealfall nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf andere an – wodurch Lateral Violence und Ungleichbehandlung entgegengewirkt werden kann.

Mit Repräsentation und Solidarität kann verinnerlichte Feindlichkeit ent-lernt werden.

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