Muss eine trans Frau erst Röcke, hohe Absätze, Make-up und eine Perücke tragen, um ihre Weiblichkeit zu repräsentieren? Ist das nicht eine ziemlich einseitige Vorstellung von Weiblichkeit?
Rojda Comak hat Jayrôme C. Robinet, dem Autor von „Mein Weg von einer weißen Frau zu einem Mann mit Migrationshintergrund“ einige Fragen zu seinem Buch gestellt.
Was hat dich dazu bewegt dieses Buch zu schreiben?
Jayrôme: Ich wollte den Umgang der Gesellschaft mit den Geschlechtern anhand meiner persönlichen Erfahrungen beleuchten: Wie wurde ich als Frau behandelt, wie werde ich heute als Mann behandelt? Außerdem kannte ich die Perspektive von Personen of Color, die als weiße passen, wie es Adrian Piper oder Hengameh Yaghoobifarah in ihren Arbeiten thematisieren, aber ich kannte noch keine Geschichte von weißen Personen, die als PoC markiert werden. Was passiert, wenn sich nicht nur das Geschlecht, sondern auch die vermeintliche Herkunft in der Außenwahrnehmung ändert?
Denkst du, dass eine Änderung beim Ablauf der Transition stattfinden muss und wenn ja, wie sollte es deiner Meinung nach stattdessen sein?
Ich habe meine Transition 2010 begonnen, als die Situation noch anders war. Inzwischen ist die S3-Leitlinie in Kraft getreten, die die aktuellen Standards der Gesundheitsversorgung von trans Menschen widerspiegelt und die Regeln angepasst hat. Psychotherapie und der sogenannte Alltagstest sind nicht mehr Voraussetzung für eine Hormonbehandlung und die ist keine Voraussetzung mehr für chirurgische Maßnahmen. Demnächst soll das Selbstbestimmungsgesetz verabschiedet werden, das auch die amtliche Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags erleichtern wird. Das ist gut.
Du schreibst, dass du vor deiner Transition durch eine Art Alltagstest musstest, wo alle Bereiche des Lebens im „gewünschten Geschlecht” getestet werden. Wie kann man sich das vorstellen und wie hast du das empfunden?
Vor 2018 mussten Menschen mit Transitionsanliegen zunächst 12 Monate lang „das Leben in der gewünschten Geschlechtsrolle ausprobiert“ haben müssen. Ziel des Alltagstests war es, dass die Person vorab lernt, wie es sich anfühlt, als Frau oder Mann in unserer Gesellschaft zu leben. Das ist natürlich recht normativ. Was heißt es, als Frau zu leben? Muss eine trans Frau erst Röcke, hohe Schuhe, Make-up und eine Perücke tragen, um ihre Weiblichkeit zu repräsentieren? Ist das nicht eine ziemlich einseitige Vorstellung von Weiblichkeit?
Mein Alltagstest war zum Beispiel nicht so schwierig, weil ich mich damals vor allem in queerfeministischen Zusammenhängen bewegte. Generell haben es trans Männer leichter als trans Frauen.
Über deine Wahlheimat Berlin sagt du, dass dort viele Franzosen*Französinnen leben, es gibt eine Art französische Parallelgesellschaft. Migrant*innen ohne Migrationshintergrund. Ausländer*innen, die nicht zur Integration aufgefordert werden. Was meinst du damit?
Tatsächlich haben EU-Staatsangehörige mit eigener Migrationsgeschichte einen größeren Migrationshintergrund als meine deutschen Freund:innen, die in Deutschland geboren sind und italienische oder türkische Eltern haben. Und trotzdem werden die Deutschen mit italienischen oder türkischen Eltern als „Menschen mit Migrationshintergrund“ etikettiert, nicht die Franzosen, die nach Deutschland migriert sind. Dahinter steckt eindeutig Rassismus.
Interview: Rojda Çomak