Der Beruf Intimitätskoordinator*in

Sex-Szenen, aber alle fühlen sich wohl

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Wie Sex auf der Leinwand dargestellt wird, kann vor allem junge Menschen empowern und ihnen die Möglichkeit geben, ein besseres Verständnis von einvernehmlichem Sex zu bekommen, oder queeren Sex zu normalisieren. Das gilt nicht nur für Pornos und die oft rassistischen, exotisierenden, sexistischen und auch sonst problematischen Szenen darin, sondern auch für Spielfilme und Serien.

Allerdings ist der dargestellte Sex oft heteronormativ, aus dem male-gaze (männlicher Blick) erzählt oder geht einher mit sexueller Gewalt, die nicht als solche deutlich gemacht wird.

Deshalb werden seit ein paar Jahren immer häufiger Intimitätskoordinator*innen eingestellt. Vor allem seit der #metoo- Debatte wollten viele Personen nicht länger sexuelle Übergriffe an Filmsets tolerieren. Intimitätskoordinator*innen haben nicht nur die Aufgabe, die Art, wie Sex dargestellt wird, zu beeinflussen und inklusiver zu gestalten, sondern vor allem auch, die Sexszenen zu koordinieren und für das Wohlergehen und das Beachten der Grenzen der Schauspieler*innen zu sorgen.

„Aber das sieht ja dann nicht echt aus!“

Viele Regisseur*innen wollen keine Intimitätskoordinator*innen am Set, sondern bestehen auf die „Authentizität“ der Sex-Szenen. Das kann aber im schlimmsten Fall zu Missbräuchen der Schauspieler*innen kommen. Intimitätskoordinatorin Julia Effertz, die z.B. am Set der Serie Druck intime Szenen koordiniert hat, sagt in einem Interview, dass alles an Filmen eine Illusion ist und sich Schauspieler*innen ja auch in Kampfszenen nicht tatsächlich gegenseitig verletzen. Sie findet, Schauspieler*innen müssen nicht leiden, um eine gute Performance abzuliefern. Für eine Sex-Szene gilt laut Julia Effertz dasselbe wie für eine Kampfszene:

„Es darf keine Improvisation geben, sonst verletzen sich Menschen.“

Wie sieht die Arbeit einer Intimitätskoordinator*in aus?

Oft treffen sich Regisseur*innen schon bereits vor dem Dreh mit den Koordinator*innen, ent-sexualisieren und choreographieren gemeinsam die Sex Szenen. Dabei wird auch abgesteckt, an welchen Körperstellen die Schauspieler*innen nicht berührt werden wollen, ob Nacktheit für sie ein Problem darstellt, mit welchen Tricks Berührungen vorgespielt werden können. Immer wieder wird der Konsens abgefragt. Bei Szenen die sexualisierte Gewalt darstellen, wird vorher ein möglicher Trauma-Bezug abgefragt, um Trigger zu verhindern. Manchmal ist es auch wichtig, für andere intime Szenen Koordinator*innen zu engagieren, also z.b. wenn eine Schauspieler*in eine gebärende Person spielt.

Intimitätskoordinator*innen sind natürlich auch bei Pornosets wichtig. Nur weil Sexarbeiter*innen durch ihren Beruf offener sind, sexuelle Praktiken vor der Kamera auszuführen, heißt das nicht, dass jegliche sexuelle Handlung für die Sexarbeiter*in in Ordnung ist. Konsens und Absprachen sollten Grundvoraussetzung sein. Idealerweise gibt es also auch an Porno-Sets eine Intimitätskoordinator*in oder die Regie-führende Person ist selbst ausgebildet, Sex-Szenen mit Fokus auf Konsens zu inszenieren, wie z.B. Porno-Regisseurin Erika Lust, die sich für faire, ethische Pornos einsetzt, die vor und hinter der Kamera divers und inklusiv gestaltet werden.

Sichtbarkeit

Erika Lust plädiert auch dafür, dass Intimitätskoordinator*innen mehr Credit und Sichtbarkeit für ihre wichtige Arbeit bekommen. Anlässlich der diesjährigen Oscars hat sie sich in einem Presse-Statement dafür stark gemacht, dass an Intimitätskoordinator*innen genauso wie z.B. an Kostüm oder Szenenbild Oscars vergeben werden. In einer Industrie, die von „sex sells“ lebt, sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, findet sie.

Der Beruf der Intimitätskoordinator*innen hat sich leider v.a. in Deutschland noch nicht wirklich durchgesetzt.

Wie wird man Intimitätskoordinator*in?

Meistens kann man sich weiterbilden, indem man bei und mit einer Person, die schon als Intimitätskoordinator*in tätig ist arbeitet und dieser Person assistiert. Es gibt auch offizielle Weiter- und Ausbildungen, z.B. an der London Film School. Julia Effertz hat ihre Ausbildung bei dem Trainingsprogramm „Intimacy on Set“ (ebenfalls in London) gemacht.  In Deutschland gibt es den BIK (Verband freier Intimitätskordinator*innen und Kampfchoreographie), der Seminare gibt oder Konferenzen hält, wie beispielweise im Februar in Berlin rund um das Thema Intimitätskoordination.

Text: Paula Steiner

Quellen:

https://fink.hamburg/2022/10/intimitaetskoordinatorin-neuer-beruf-in-der-filmbranche/
https://www.zeit.de/zett/liebe-sex/2021-02/sexszenen-film-set-intimitaetskoordinatorin-julia-effertz-schutz-schauspieler
https://missy-magazine.de/blog/2022/07/11/intimitaet-als-choreografie/
https://www.teenvogue.com/story/intimacy-coordinators-sex-scenes-oscars-2023
https://www.rbb24.de/kultur/beitrag/2022/03/interview-intimitaetskoordinator-berlin-film-julia-effertz.html
https://editionf.com/das-ziel-ist-es-den-privaten-koerper-aus-der-professionellen-arbeit-herauszuhalten-ein-gespraech-mit-einer-intimitaetskoordinatorin/
https://erikalust.com/lustzine/voices/ask-lust-faqs-sex-work
https://b-ik.art
https://www.schott-acting-studio.de/en/intimacy-on-set-workshop-with-ita-obrien/
https://lfs.org.uk/workshops/lfs-workshops/3096/intimacy-coordination

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