„Meine YouTube-Vergangenheit ist viel mehr wert als ein Studium“ – Youtuber Oğuz Yilmaz

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Er ist gerade einmal 25 Jahre alt und gilt schon als einer der Pioniere des Webvideos. Aufgewachsen ist Oğuz Yilmaz in Freystadt in der Oberpfalz. Seine eigentliche Heimat ist aber YouTube, denn dort sorgte er zusammen mit zwei Schulfreunden bis 2015 für Klickrekorde: Der Kanal des Trios „Y-Titty“, dem sich Yilmaz 2009 anschloss, war mit über drei Millionen Abonnenten zeitweise der erfolgreichste YouTube-Kanal Deutschlands. Die drei Jungs räumten einen Preis nach dem anderen ab, ihre Songparodien kamen auf bis zu 26 Millionen Aufrufe. Seit ihrer Auflösung macht Oğuz Yilmaz hinter der Kamera als Berater weiter: Mit „whylder“ hat der sympathische Wahl-Kölner seine eigene Agentur gegründet und hilft Unternehmen dabei, im Social Web ihre Marke zu platzieren. Mit renk. spricht er über sein Leben mit und ohne „Y-Titty“.

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Zu Beginn ist Y-Titty ein reines Spaßprojekt gewesen. Wann habt ihr gemerkt, dass mehr daraus werden kann?
Wir sind 2010 direkt nach dem Abitur nach Köln gezogen, weil wir gesehen haben, dass die Sache noch viel mehr Potenzial hat. Bis dahin war es nur ein Hobby neben der Schule. Seit 2009 konnte man bei YouTube Geld verdienen und wir haben es irgendwie geschafft, uns davon über Wasser zu halten. Es war auf jeden Fall eine bewusste Entscheidung, zu sagen, wir ziehen das jetzt durch und setzen alles auf eine Karte. Wir wussten auch, dass wir es nicht schaffen würden, neben Y-Titty noch zu studieren. Ich hatte mich zwar in Wirtschaftsmathematik eingeschrieben, wusste aber, dass ich das Studium nicht bis zum Ende durchziehen würde. Deshalb bin ich dann auch nicht mehr hingegangen.

Jetzt hast du die Seite gewechselt und stehst nicht mehr vor der Kamera. Ein neuer Lebensabschnitt?
Ja, mein Leben hat sich stark verändert. Das ist aber gut so, denn ich möchte mich immer weiterentwickeln. Ich bin einfach zu jung, um zu sagen, „Jetzt war es das, so bleibe ich für den Rest meines Lebens.“ Alles, was ich beim Youtuben gelernt habe, kann ich jetzt an andere weitergeben, die ebenfalls erfolgreich sein möchten. Es soll ja keiner sein Geld verschwenden, weil er falsch beraten wird. Der Bedarf ist jedenfalls sehr groß. Das hat dazu geführt, dass ich mit meinem Partner Lukas Schneider die Agentur „whylder“ gegründet habe.

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Vermisst du es, eigene Videos zu veröffentlichen?
Eigentlich nicht. Ich denke, wenn etwas vorbei ist, dann ist es vorbei. Immerhin gab es Y-Titty fast zehn Jahre, ich selbst war ab 2009 dabei. Wir haben alle Facetten des Youtubens erlebt. Irgendwie ist es wie eine Ausbildung oder ein Duales Studium gewesen. Wir haben viel gelernt und viel praktische Erfahrung gesammelt. Unser YouTube-Channel ist somit unsere Referenz für zukünftige Projekte.

Eure Clips waren von Beginn an recht professionell. Gerade in der Anfangsphase habt ihr alles selbst gemacht. Dinge wie Videoschnitt, Musikproduktion und Drehbuch schreiben – wie habt ihr das alles in dem Alter gelernt?
Wir haben uns tatsächlich alles selbst beigebracht. Dem Internet sei Dank, kann man ja alles nachschauen oder nachlesen. Da wir die Clips am Anfang für unsere Freunde gedreht haben, also Gleichaltrige, fiel es uns nicht schwer, Inhalte zu finden. Wir wussten, was unsere Zielgruppe lustig findet. Wir hatten so viel Spaß dabei, dass wir uns Tag und Nacht damit beschäftigt haben.

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Ihr gehört zur ersten YouTube-Generation, die in Deutschland ein großes Publikum erreicht hat. Wie haben eure Eltern darauf reagiert, dass ihr das professionell durchziehen wollt?
Meine Eltern kamen praktisch mit Nichts aus der Türkei nach Deutschland und haben sich immer gewünscht, dass ihre Kinder studieren und etwas Sinnvolles lernen. Meine Geschwister studieren auch alle. Sie waren erst einmal ziemlich verwundert, als ich gesagt habe, dass wir uns voll auf Y-Titty konzentrieren wollen. Rückblickend war das aber die richtige Entscheidung. Für die Arbeit bei meiner Agentur ist meine YouTube-Vergangenheit viel mehr wert als ein Studium.

Ihr habt 2014 eine längere Pause angekündigt und Y-Titty Ende 2015 schließlich aufgelöst. Wie kam es dazu?
Irgendetwas war anders, wir mussten einfach den Kopf freibekommen. Wir hatten 2012 den YouToube-Kanal mit den meisten Abonnenten in Deutschland, haben nebenbei Bücher und CD’s veröffentlicht, das Drehbuch für einen Kinofilm geschrieben und mehrere Preise gewonnen. Das eine große Ziel gab es nicht mehr, wir hatten den Berg schon erklommen. Es war besser aufzuhören, bevor die Marke nichts mehr wert ist. So bleibt Y-Titty in guter Erinnerung.

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Habt ihr auf dem Höhepunkt eures Erfolges Druck und Verantwortung gespürt? Immerhin hattet ihr 3,1 Millionen Abonnenten mit einer gewissen Erwartungshaltung.
Den Druck haben wir uns eigentlich selbst gemacht. Nach unseren festen Abläufen gab es jede Woche ein neues Video. Der wachsende Einfluss von den Fans kam schleichend und nicht über Nacht. Viel mehr als die hohen Klickzahlen hat uns beeindruckt, wenn wir in einer Halle vor 15.000 Fans performt haben. Das nimmt man dann viel intensiver wahr.

Wie habt ihr euch damals finanziert?
Zunächst kann man ja bei YouTube Werbung einblenden lassen. Das sind aber kleine Beträge, die man dafür bekommt. Davon lässt sich kein Team bezahlen. Bei einer hohen Reichweite bieten sich Kooperationen mit großen Marken an, die  Product Placement machen wollen. Am Anfang waren es nur die großen Unternehmen wie Electronic Arts, Samsung oder O2. Später haben dann aber auch kleinere Marken Geld in YouTube investiert. Mittlerweile hat die Industrie erkannt, welchen Einfluss YouTube-Influencer haben. Darum haben sich dann unsere Vermarkter gekümmert. Dazu kam noch der Verkauf von Büchern, CD’s und Merchandise.

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Was macht für dich einen Influencer aus?
Influencer gibt es ja nicht nur auf YouTube. Dazu zählen alle Leute, die über Ihre Social-Media-Kanäle viele Menschen oder eine bestimmte Zielgruppe erreichen. Das kann auch ein Blogger sein. Entscheidend ist die eigene Plattform und deren Einfluss. Das unterscheidet Influencer auch von TV-Promis, die zwar auch viele Leute erreichen, aber eben nicht über ihren eigenen Kanal. Wichtig ist auch nicht die Reichweite. Denn wenn ich 10.000 Zuschauer oder Abonnenten habe, kann ich aktiv Einfluss üben, zum Beispiel über eine Kaufempfehlung.

Wie kann eure Agentur Marken dabei helfen, ins YouTube-Geschäft einzusteigen?
Videos können die meisten Unternehmen selbst produzieren, aber eben oft nicht Internettauglich. Oder sie haben einfach den Anschluss verpasst und wissen gar nicht, wo sie im Internet die Leute erreichen. Es geht ja nicht nur darum, einfach ein Produkt in die Kamera zu halten. Man muss die ganzen Denkmuster, die man sich über Jahrzehnte eingeprägt hat, über den Haufen werfen. Ein passendes Storytelling innerhalb eines relevanten Contents ist zum Beispiel wichtig. Es entstehen ja mittlerweile so viele Videos, dass man ganz genau schauen muss, wo und wie man die eigene Marke dort platziert. Snapchat ist zum Beispiel eine Plattform auf der man sich erstmal ausprobieren und damit ein gewisses Risiko eingehen muss. Wenn das funktioniert, ziehen andere Marken automatisch nach.

Das heißt neben der klassischen Beratung gehört auch Überzeugungsarbeit zu deinem Job?
Ja, denn nicht jeder durchblickt das Internet. Die digitale Welt befindet sich stetig im Wandel, es kommen immer neue Trends hinzu. Das überfordert einige Unternehmen.

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Welche Entwicklungen findest du persönlich spannend?
Ich denke, dass Virtual Reality oder noch eher Augmented Reality die Zukunft ist. Du bekommst über eine Brille digitale Bilder reinprojeziert, zum Beispiel, dass über dir ein Flugzeug fliegt. Der Rechner wäre dann beispielsweise die Armbanduhr über die man alles steuert. Das sind verrückte Dinge, die uns da erwarten, aber ich bin da sehr offen für. Ich glaube, dass uns da eine Entwicklung bevorsteht, die alles Jetzige ablösen wird. Stell dir vor, du starrst eine leere Wand an, setzt die Brille auf und siehst ein schönes Gemälde an dieser Wand. Oder du legst dich im Park auf die Wiese, schaust nach oben und guckst über die Brille Fernsehen. Und noch krasser wird es, wenn das irgendwann über Kontaktlinsen geht. Das sind Dinge, die schneller kommen werden als viele glauben.

Was wäre eigentlich ohne YouTube aus Oguz Yilmaz geworden?
Ich hätte wahrscheinlich Chemie studiert, da ich in der Schule in Naturwissenschaften sehr gut gewesen bin. Als meine Lehrerin hörte, dass ich nicht studieren werde, war sie richtig wütend. Aber vielleicht fange ich nochmal mit Informatik an. Denn Programmiersprachen sind das Englisch der nächsten zehn Jahre.

Credits
Interview: Emrah Kilic

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