Die Fotografin Annette Etges und die Autorin Elisa Harnischmacher arbeiten zusammen an verschiedenen Projekten. So machen sie zum Beispiel kleine Reportagen für die ProAsyl/Flüchtlingshilfe in Essen.
Elisa ist durchs Lesen ans Schreiben gekommen und hat Literaturübersetzen studiert, einen Roman aus dem Italienischen übersetzt, schreibt Kinderbücher und übersetzt Artikel für das 11 Freunde Magazin.
Die Fotografin Annette ist viel unterwegs. Derzeit bereist sie den Tschad. Auf ihrer Homepage könnt ihr sehen, wohin es die umtriebige Fotografin sonst noch verschlagen hat und dabei ihre eindringlichen Fotoarbeiten bestaunen.
Für renk. haben die beiden den Kölner Seilbahnmonteur Herr Dinç portraitiert. Die Fotos aus schwindelerregender Höhe und das liebevolle Portrait seht und lest ihr hier!
Das ist Herr Dinç.
Herr Dinç lebt seit 42 Jahren in Deutschland, 37 davon hat er bei der Kölner Seilbahn gearbeitet. Eigentlich wollte er nur kurz in Deutschland bleiben und recht bald in die Türkei zurück. Dann aber kam ihm die Kölner Seilbahn dazwischen und er blieb. In Deutschland und bei der Seilbahn. Dort ist er einmal wöchentlich im Servicewagen die Strecke vor Betriebsöffnung abgefahren um sicherzustellen, dass alles funktioniert, wie es soll. Der blaue Servicewagen heißt Toni. Es gibt noch einen roten, der selbstredend Ferrari heißt.
Das haben sie in der Werkstatt so bestimmt, unter Kollegen, als sie die Wägen gebaut haben. Wenn sie hier etwas brauchen, dann bauen sie es eben schnell selbst. Vielleicht sagt Herr Dinç deshalb, dass die Werkstatt wie ein Kind für ihn sei. Und vielleicht strahlt die Werkstatt deshalb eine solche Behaglichkeit aus, obwohl es staubig und laut ist, eben wie in einer Werkstatt.
Jeder einzelne Wagen wird hier gewartet und mit einem freundlichen Klaps wieder an das Stahlseil entlassen. Sie mögen hier das, was sie tun. Aber Herr Dinç, der mochte es besonders. Dann kam die Rente und mit ihr die große Angst: „Das halte ich nicht aus, ohne meine Seilbahn“ dachte Herr Dinç. Um es ein wenig leichter zu haben fuhr er erst mal mit seiner Frau in die Türkei ans schwarze Meer. Dort blieb er einige Monate und ist ganz ruhig geworden. Er hat gemerkt, dass es doch geht, ohne die Seilbahn. Dass der Mensch irgendwann inne halten muss.
Wieder in Köln zurück war es dann doch etwas schwieriger; Herr Dinç fährt jetzt oft zur Werkstatt, die alten Kollegen freuen sich und Herr Dinç fühlt sich direkt wieder zu Hause. Vielleicht ist dies der Ort, an dem er am meisten zu Hause ist: Fragt man ihn, ob er sich eher in der Türkei oder in Deutschland heimisch fühlt, sagt er: „In Köln. Meine Heimat ist Köln.“ Die meiste Zeit seines Lebens hat er in Köln verbracht, seine Familie ist dort und er fühlt sich wohl. Heimat eben. Sicher nicht zuletzt wegen der Seilbahn.
Jetzt besucht sie ihn in der Nacht. Stiehlt sich in seine Träume, immer wieder. Manchmal ist das traurig, manchmal freut Herr Dinç sich aber auch darüber. Er hat jetzt mehr Zeit für seine Frau, seine Enkel und für das Gebet, aber fehlen tut sie ihm doch, die Seilbahn. „Die Seilbahn hat uns alle ernährt“, sagt er, aber irgendwie ist sie auch ein Teil von ihm und so ganz wird er sie wohl nicht mehr los.
Text: Elisa Harnischmacher