Seid ihr schon mal vom Kottbusser Tor die Adalbertstraße hochgelaufen und habt euch gefragt, warum über dem Späti auf der linken Seite ein Buchladen-Schild hängt? Ganz einfach: Die Regenbogen Buchhandlung (Gökkuşağı Kitabevi) war bis vor ein paar Jahren noch in dem besagten Späti. Mittlerweile hat der deutsch-türkische Buchladen ein eigenes kleines Geschäft auf der anderen Straßenseite, direkt vor der Kreuzberg-Merkezi-Brücke. Wir treffen uns dort mit dem Buchhändler Sinan Şimşek. Er erzählt uns von der Geschichte des Ladens, den Menschen, die hier einkaufen, und von seinen eigenen Lieblingsbüchern.
Seit wann gibt es eure Buchhandlung?
Die Buchhandlung gibt es seit fast zwanzig Jahren. Vorher waren wir auf der anderen Straßenseite und haben dort in dem Kiosk Bücher verkauft – neben Tabak und Getränken. Deshalb hängt dort auch noch unser Schild. Aber irgendwann wollten wir einen eigenen Laden haben, in dem nur Bücher verkauft werden. Seit sechs Jahren sind wir nun hier in diesen Räumlichkeiten.
Was hat sich seit der Gründung verändert? Sowohl im Kiez als auch für den Laden…
Die Gegend ist sehr beliebt geworden und die Mieten sind ziemlich gestiegen. Deshalb mussten viele Leute wegziehen. Besonders seit den letzten fünf Jahren gibt es sehr viele Touristen. Aber auf unseren Laden hat sich das eigentlich nicht ausgewirkt. Wir haben Glück, weil es auf unserer Straßenseite immer etwas ruhiger ist als gegenüber. Dort kann man ab 17 Uhr manchmal kaum noch normal laufen.
Wie bist du persönlich zum Laden gekommen? Warst du schon immer Buchhändler?
Ich habe in der Türkei Kunstgeschichte und Archäologie studiert und zur selben Zeit auch eine pädagogische Ausbildung gemacht. Die Buchhandlung habe ich eigentlich als Kunde kennengelernt. Ich war oft hier, um mir Bücher zu kaufen, und irgendwann wurde mir dann angeboten mitzuarbeiten. Das war ein tolles Angebot! Seit 2007 arbeite ich nun hier und es ist der ideale Ort für mich – wie eine Oase.
Welche Art von Büchern verkauft ihr? Und in welchen Sprachen?
Wir verkaufen Weltliteratur: Russische, französische und deutsche Klassiker, sowohl auf Türkisch als auch auf Deutsch. Neben Belletristik führen wir aber auch politische Bücher, Sachbücher, Reiseführer und noch viel mehr. Am meisten verkauft sich hier das, was in der Türkei gerade viel gekauft und dort in den Medien besprochen wird. Das läuft ziemlich parallel.
Außerdem haben wir eine recht große Auswahl an zweisprachigen Büchern. Viele Jugendliche, die hier aufgewachsen sind, können leider kaum Türkisch, möchten aber gerne ihre Muttersprache lernen. Die deutsch-türkischen Bücher helfen ihnen dabei. In letzter Zeit gibt es außerdem immer mehr deutsche Kunden, die gerne Türkisch lernen wollen. Das wundert mich manchmal. (lacht)
Seit der Gründung des binooki-Verlags 2011 gibt es ja auch einen Verlag, der dem deutschsprachigen Publikum die junge Literatur aus der Türkei zugänglich machen will. Kannst du irgendeine Art von Wandel feststellen, was das Interesse an türkischer Literatur angeht?
Durch den binooki-Verlag wurden viele wichtige Bücher aus dem Türkischen übersetzt. Das Interesse der deutschen Leser an türkischer Literatur ist dadurch ein bisschen gestiegen. Aber leider spielt Literatur in der Türkei selbst keine allzu große Rolle. Das verändert sich nur ganz langsam.
Wie sieht sonst eurer Publikum aus?
Viele unserer Kunden sind in den achtziger Jahren aus politischen Gründen aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Die Mehrheit unserer Kundschaft ist also türkischsprachig. Interessanterweise kommen auch insgesamt mehr Frauen in unseren Laden – anscheinend lesen sie mehr als die Männer.
Wie geht ihr mit der Digitalisierung der Buchwelt um? Verkauft ihr zum Beispiel auch E-Books?
Nein, wir verkaufen keine E-Books. Unsere Kunden sind in der Regel über 30 oder 40 Jahre alt und mögen es immer noch, ein Buch aus Papier in der Hand zu halten. Es sind eher klassische Leser, die sich oft gar nicht so gut auskennen mit dem Internet und der digitalen Welt. Sie mögen es, hierherzukommen und sich auszutauschen, also nicht nur Bücher zu kaufen, sondern sich auch über aktuelle Themen zu unterhalten.
Die Buchhandlung ist also nicht nur ein Laden, sondern auch ein kultureller Treffpunkt. Wie würdest du eure Funktion und Rolle hier im Kiez einschätzen?
Wir versuchen auf jeden Fall, kulturelle Dinge einzubringen und Veranstaltungen zu organisieren. Wie groß die Resonanz ist, hängt immer davon ab, wie beliebt jemand ist. Wenn wir zum Beispiel einen Schriftsteller einladen, der in der Türkei bekannt ist, zieht das viele Leute an. Aber wenn jemand weniger prominent ist, gibt es oft kaum Interesse. Popularität spielt für das türkische Publikum eine sehr große Rolle.
Welche Art von Veranstaltungen organisiert ihr?
Wir veranstalten Lesungen, Konzerte und Filmvorführungen. Über einen Verlag in der Türkei haben wir außerdem selbst ein politisches Buch veröffentlicht. Dort wird die Geschichte des Anwalts Nebi Barlas erzählt.
Hast du zum Schluss noch eine Buchempfehlung für die renk.-Leser?
Der vorletzte Roman von Orhan Pamuk, Kafamda Bir Tuhaflık (Diese Fremdheit in mir), ist wirklich sehr empfehlenswert und wurde auch schon ins Deutsche übersetzt. Ich muss außerdem immer wieder betonen, was für ein wunderschönes Buch Kızıl Darı Tarlaları (Das rote Kornfeld) vom chinesischen Nobelpreisträger Mo Yan ist. Und Drina Köprüsü (Die Brücke über die Drina) von Ivo Andrić – diese drei Bücher würde ich auf jeden Fall weiterempfehlen. Und alle Werke von Stefan Zweig.