Gesichtsverhüllung in der Schweiz verboten

Kolonialismus entschleiern

Ein langer Schleier liegt auf einem Stuhl.
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Der “Schleier”, die Burka, Hijab, Nikab: Stoffe, die schon immer polarisieren. Jedenfalls auf “westlicher” Seite. Jetzt wurde in der Schweiz jegliche Form von Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum verboten (außer z.B. in Gotteshäusern). Die Ablehnung von der Verhüllung der Frau und die damit einhergehende “Entschleierung”, die jetzt in der Schweiz stattfindet, ist ein schmerzhaftes Überbleibsel des Kolonialismus.

Das neue Gesetz

Vor einer Woche wurde das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum durch das Schweizer Parlament mit 151 zu 209 Stimmen beschlossen. Das Gesetz wurde schon im März 2021 bei einer Volksabstimmung von mehr als 50 Prozent gewünscht und anschließend vom Bundesrat gebilligt. 

An sich spricht das Gesetz jede Art von Gesichtsverhüllung an, also auch Skimasken o.ä.. Dass es sich bei dem Ausmaß an “Fremden”-feindlichkeit in der Schweiz aber eben nicht um ein Skimasken-Verbot, sondern ein explizites Verbot der Religionsausübung und Kleiderpräferenz von Frauen handelt, ist klar. 

Beim ersten Verstoß gegen das Verhüllungsverbot droht eine Strafe von umgerechnet 1038 Euro.

Dass es Frauen gibt, die unter patriarchalen Auslegungen des Islams leiden, ist selbstverständlich ein Problem, das bekämpft werden muss. Aber die Einschränkung von Kleidung oder Religion im öffentlichen Raum ist eine Freiheitseinschränkung. Mit dem neuen Verbot werden Frauen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Zusätzlich dazu wird anti-muslimischer Rassismus noch salonfähiger gemacht, indem die Gesichtsverhüllung kriminalisiert wird. 

Eine kolonialistische Masche

Die dominanzgesellschaftliche Ablehnung jeglicher Art der “Verschleierung” ist im Grunde nichts weiter als eine kolonialistische Masche. Denn der Schleier der Frau funktioniert wie eine Grenze zwischen ihr selbst und dem westlichen Blick auf sie, dem “Gaze”. Die Kolonialherren können die verschleierte Frau nicht im selben Maße überwachen, kontrollieren und besitzen wie den Rest des kolonisierten Landes. Stattdessen überwacht sie vielmehr zurück. In vielen postkolonialen Schriften wird betont: Die verschleierte Frau sieht, ohne gesehen zu werden. Das ist eine gravierende Machteinschränkung für die Kolonisierer.

 “Wenn wir die Struktur der algerischen Gesellschaft, ihre Widerstandsfähigkeit, zerstören wollen, müssen wir zuallererst die Frauen besiegen. Wir müssen sie suchen und sie hinter dem Schleier finden, wo sie sich verstecken (…)” –Frantz Fanon über die Absichten der französischen Kolonisierer

weiße Feminist*innen stellen sich über die muslimische Frau

Eine andere “Begründung” für die Entschleierungen war auch oft die vermeintliche Befreiung der muslimischen Frau, die als rückständig und unterdrückt inszeniert wurde. Mit dieser Erzählung, es würde dem kolonisierten Land eigentlich aus der eigenen “Rückständigkeit” geholfen werden, wurden viele Kolonialverbrechen gerechtfertigt. Wenn es in aktuellen Debatten nicht um antimuslimische Vorurteile geht, z.B. eine Frau mit Gesichtsverhüllung könne ja einfacher gefährliche Gegenstände transportieren (Vorurteil: Terrorismus), dann geht es um die Befreiung der muslimischen Frau. 

Die muslimische Frau aus den Fängen ihrer eigenen Religion befreien haben sich viele rechte (Feminist*innen) zur Hauptaufgabe gemacht: Dabei findet aber kein Austausch auf gleicher Ebene statt, sondern die weiße Feminist*in stellt sich über die muslimische Frau.

Das ist heute so, wenn Alice Schwarzer über Kopftuch-tragende Frauen hetzt, die Schweiz ein Verhüllungsverbot einführt und es war auch damals schon so, als die französischen Kolonisierer*innen Zeremonien feierten, in denen sie algerische Frauen zwangsweise “entschleierten”. 

Dass der Schleier später im algerischen Unabhängigkeitskrieg als Zeichen des Widerstands galt, also eher ein Tool für Befreiung als für “muslimisch-orientalisch-patriarchiale-Unterdrückung” ist kein Wunder. 

Entschleierungen wie sie jetzt durch das neue Verbot in der Schweiz stattfinden, Kriminalisierung der Burka und Nikab, Geldstrafen und (noch mehr) gesellschaftliche Ächtung unterscheiden sich kaum von den Entschleierungs-Zeremonien im kolonisierten Algerien. Frauen werden gezwungen, sich zu zeigen, dabei wird ihnen ein Verstoß gegen die eigene Religion aufgezwungen und sie werden ihrer Entscheidungsfreiheit beraubt. 













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