„Schön, dass du da bist. Wir trinken erstmal einen Wein“. Jeder, der die Bar betritt, wird von Fatih mit herzlichen Worten hereingebeten. Sowieso sind seine Augen immer auf die Tür gerichtet. Als wolle er nach draußen schauen und jedem, der sich die Nase platt drückt, sagen: Kommt ruhig rein! Noch klebt der Name nicht an der Fensterfront. Grinsend erzählt Fatih: „Das hat so seine Gründe“. Mit einem gut gekühlten Silvaner in der Hand schauen wir uns gemeinsam die Bar an. Warum ausgerechnet in der Südvorstadt? „Erinner mich nicht daran! Ich habe über zwei Jahre nach einem geeigneten Platz gesucht“. Am vorderen Teil der Karli ist die Straße noch nicht zu eng bebaut – ein wichtiger Punkt. „Ich brauche Weite, wenn ich nach draußen sehe“ – und natürlich auch Laufkundschaft, keine Frage.
„Alles, was du hier siehst, ist selbstgemacht“
Der Tresen. Die Sitzkombination im Eingangsbereich, die je nach Situation umgestellt werden kann (Beine hoch, Amerika!), die gefliesten Badezimmer, die moderne Küche, die Treppenstufen, die Tischbehälter, die jederzeit mit Eis gefüllt werden können – einfach alles. Die Wahl, wo ihr sitzen wollt, wird euch garantiert schwer fallen – lässig im Fenster auf dem Fell, direkt am Tresen (nie verkehrt!), privater im hinteren Bereich oder mittendrin.
„Manche mögen es arrogant finden, aber ich will einfach nur das Beste und das, was mir gefällt“. Seine glühenden Augen und sein Grinsen verraten Fatih. Er hat richtig Bock auf diese Bar. Jeder soll vorbeikommen, jeder soll sich wohlfühlen. Kein Wunder, dass sich „renkli“ dann auch mit bunt oder farbig übersetzen lässt. „Ein bisschen mehr Farbe würde uns allen gut stehen“. Ein Weinglas in der Hand steht uns dazu extra noch. Schon mal echtes Gabriel-Glas in der Hand gehalten? Nein, ich auch nicht. „Woh! Sicher, dass man das Glas nicht kaputt macht?“ „Keine Angst, man gewöhnt sich nach dem dritten Schluck daran“. 90 Gramm schweres Kristallglas, mundgeblasen, extrem zarter Stil – „Aber weißt du was das Gute an dem Glas ist?“ „Nein…“ „Es entlarvt jeden schlechten Wein… in dem Glas kommt zwar jeder noch so billige Wein zur Geltung aber du riechst sofort, dass er scheiße ist“. „Ähm ok. Also der Silvaner schmeckt mir sehr gut“. Fatih lacht. Darum geht es auch eigentlich beim Wein trinken.
Weniger ums Schwenken und Diskutieren – vielmehr um den Genuss und die Freude beim Wein trinken. Woher er dennoch all sein Wissen über Weine gesammelt hat? Abgesehen vom Trinken kann man Wein auch studieren – im einzigen Studiengang Deutschlands: Internationale Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim in der Nähe von Wiesbaden. Was anderes kam nach dem Abi für Fatih auch einfach nie in Frage. Die Gastfreundschaft und das Wissen über eine gute Gastronomie liegen im Blut und in der Familie. Von den Weinbergen im Rheinland, zu den Saale-Unstrut-Weinen bis nach Leipzig zur ersten eigenen Bar. Und ganz ehrlich, Fatih steht grinsend hinter seinem selbstgebauten, neuen Tresen: „Scheiße, ich hab da einfach Bock darauf. Ich gehe genau diesen Weg, weil ich darauf jetzt Lust habe und es einfach passt“.
„Ich hab‘ da jetzt einfach Bock drauf.“
Über diesen Satz denken wir später noch eine Weile nach, während wir eine Flasche echten Champagner vor die Nase gesetzt bekommen: „Ihr seid heute meine Gäste. Die Flasche ist für euch“. Wir schauen uns an. GEIL! „Das ist auch eine besondere Flasche, denn laut eines ungeschriebenen Gesetztes darf nur der Schaumwein den Namen tragen, der auch in der Champagne angebaut wird. Aber dieser hier hat das Gesetz einfach gebrochen“. Die Rebellion schmeckt vorzüglich. Während sich unsere Wangen röten und wir kichernd auf unseren Barstühlen rutschen, füllt sich das renkli im Kerzenschein. Besucher, Stammgäste, Spaziergänger, Freunde von Fatih (Hier kommen sogar die Reudnitzer Bierjungs auf ihren Geschmack) und die, die sich nur verlaufen haben. Die haben dann leider auch die tolle Pizza des Hauses verpasst. „Ich sag das echt nicht oft aber das war die beste Pizza, die ich seit langem gegessen habe“. Ähnliches können wir auch von den Gerichten behaupten, die wir noch nie probiert haben. „Kennst du Markknochen?“ „Iiieks! Nein!“ „Probier es doch erst mal…“ – als könnte Fatih zaubern schmeckt plötzlich Markknochen mit Frühlingszwiebeln und Zitrone wie das feinste Gourmetgericht. „Wenn du jetzt noch Eis hast, will ich nie wieder gehen“. Eis gibt es tatsächlich nicht – aber dafür jede Menge Tafeln Schokolade.
Herzlich Willkommen!
Im renkli bist du als Gast wirklich willkommen. Jeden Abend erwarten dich von 12 liebevoll ausgesuchten Weinen 3-4 Sorten auf der Getränkekarte (natürlich auch Premium Bier, Premium Cola, Mate, Champagner, Limonade und und und) – Die gefallen dir nicht? Kein Problem, im Lager, das jeder auch durch die Gitterstäbe sehen kann, warten noch mehr Kartons… zu jeder Flasche gibt es bestimmt auch eine Geschichte, die euch Fatih erzählen kann. P.S.: Sobald die Wand mit den leeren Flaschen voll ist, gibt es Wein aufs Haus! „Moment, ich habe gesagt, wenn mehrere Wände leergetrunken sind“. „Wein aufs Haus bei der ersten Wand!“ „Ok, abgemacht!“ – ihr habt es gehört… oder wie Fatihs Mama schon sagte: „Hier kann man saufen und lustig werden“. Zum Abschied gibt es noch einen echten Reudnitzer – den Stillen Josef (Original polnischer Wodka aus dem Leipziger PONIATOWSKI). Karamell oder Wodka pur? BEIDES!
Was?
renkli – wein und angst
Wann?
Montag bis Samstag ab 18 Uhr
Sonntag: Katerpflege
Wo?
Karl – Liebknecht Straße 2, 04107 Leipzig
Warum?
Wegen liebevoll ausgewählter Weine (und Bar-Food), warmer Gastfreundschaft, dem Gefühl, dass man eigentlich niemals gehen möchte (einer geht schließlich immer noch), gemütlichen Barstühlen und all den Geschichten, die Fatih erzählen kann. Fragt ihn doch mal wie es zu dem Titel „wein und angst“ kam und vergleicht eure Storys miteinander (Kam eine Schlange darin vor?). „Wir wissen nicht genau, ob wir dir das glauben können“. „Echt jetzt, so war das. Ohne Scheiß!“. Ach und nicht zu vergessen: Das unvergleichliche Fluchen!
Credits:
Zunächst erschienen auf dem Blog annabelle-sagt.de