19 Jahre Keupstraße. Der rechtsextremistische Nagelbombenanschlag auf die Keupstraße jährte sich am 09.06.2023 zum 19. Mal. Der Schmerz, die Wut und Fassungslosigkeit bleiben.
Der Nagelbombenanschlag auf der Keupstraße
„Erinnern heißt kämpfen“ ist die Überschrift des Beitrages der „Initiative Keupstraße ist überall“ zum Jahrestag des Nagelbombenanschlages in der Keupstraße in Köln. Am 09.06.2004 explodierte auf der Keupstraße in Köln eine Nagelbombe. Im Jahr 2001 war bereits der erste Anschlag des NSU auf die Probsteigasse in Köln. Das Ziel: möglichst viele migrantische Menschen zu verletzen. Ein rechtes Motiv wird seitens der Politik jedoch bis zur Enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrundes im Jahr 2011 ausgeschlossen. Stattdessen wurde gegen die Menschen ermittelt und diese wurden als mögliche Täter: innen stigmatisiert. Es bleiben bis heute Fragen offen, Antworten sind ungeklärt. Die Wunden bleiben.
Die Initiative „Keupstraße ist überall“
Nachdem im Aufklärungsprozess der Keupstraße gegen die Menschen selbst ermittelt worden ist und die Verhandlungstage zur Keupstraße im NSU-Prozess in München näher rückten, bildete sich die Initiative „Keupstraße ist überall“:
„Wir wollen gemeinsam in München auftreten und Solidarität mit den mehr als 20 Nebenkläger*innen demonstrieren. Wir fordern ein, zu erfahren, wer alles zum NSU gehört und was die Rolle der unterschiedlichen Akteure war“
Die Ziele der antirassistischen Initiative sind die Unterstützung der Sicht der Betroffenen und Zeug: innen, gegen Rassismus einzustehen, die Verstrickung von rechtsextremen Personen in der Gesellschaft, Polizei und Geheimdiensten beim Prozess in München zu zeigen, die Gefahr für eine offene Gesamtgesellschaft durch die rechtsextremistischen Anschläge deutlich zu machen und die angemessene Entschädigung der Verletzten und Angehörigen durch die staatlichen Behörden zu fordern.
Es folgte auch ein Zusammenschluss mit anderen antirassistischen Akteur: innen zu dem Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“. Bis heute organisiert sich die antirassistische Initiative “Keupstraße ist überall”. Die Arbeit hat viel Aufmerksamkeit generiert. Auch das Schauspiel Köln organisierte in der Leitung von Nuran David Calis das Stück „Lücke 2.0“, in welchem vor dem Stück mit Menschen aus der Keupstraße Führungen organisiert wurden. In diesem Stück spielten Menschen aus der Keupstraße mit. Das Stück ist auch kostenfrei über Soundcloud als Hörstück anzuhören.
Das Mahnmal: Mal ja, mal nein
Gemeinsam bilden u.a. die „Initiative Keupstraße ist überall“ und das Aktionsbündnis „NSU-Komplex auflösen“ die Initiative „Herkesin Meydani- Platz für Alle“. Diese setzt sich für ein antirassistisches Mahnmal an der Keupstraße ein. So schreibt die Initiative in ihrer Stellungnahme im Jahr 2022: „ Das Mahnmal bietet nun die Chance, der jahrelangen Stigmatisierung der Keupstraße zumindest symbolisch etwas entgegenzutreten“ (Initiative „Herkesin Meydani- Platz für Alle“, 2022).
Die Initiative „Herkesin Meydani- Platz für Alle“ fordert: “Erinnerung, Aufklärung, Gerechtigkeit und politische Konsequenzen”. Das Mahnmal ist dabei ein wichtiges Symbol für eine so notwendige Erinnerungskultur. Den Entwurf des Mahnmals gewann der Künstler Ulf Aminde. So soll das Mahnmal ein öffentlicher Lern- und Gedenkort werden. Dies soll auch durch einen medialen und interaktiven Zugang zu einer Datenbank mit Filmen der Gesellschaft unterstützt werden. Dazu soll das Mahnmal auch Platz für kulturelle Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer der NSU-Anschläge und antirassistischer Bildung bieten. Der ausgewählte Entwurf trägt dabei einen direkten Bezug zum Anschlagsort: „Die Bodenplatte aus Beton entspricht dem Grundriss des Hauses Keupstraße 29, wo die Bombe gezündet wurde. Die Bodenplatte wird parallel versetzt an anderer Stelle eingelassen und vermittelt damit die Botschaft, dass das, was weggebombt beziehungsweise beschädigt werden sollte, an anderer Stelle verdoppelt bzw. dauerhaft bleiben wird“ (Stadt Köln, 2021).
Aber yavaş, yavaş (langsam, langsam) so schnell ging es dann nicht. Es gab ein Problem. Der Standort ist auf einer Fläche geplant, welche von privaten Investor: innen erworben worden ist. Dafür waren Pläne vorgesehen, die den zugesprochenen Gedenkort nicht an der geplanten Stelle mit eingeplant haben. Die Initiative versuchte, mit der Investor: innengruppe zu sprechen. Die Vertreter: innen der Investor: innen wurden zu einem öffentlichen Gespräch eingeladen, sagten aber ab. Die Initiative „Herkesin Meydani- Platz für Alle“ musste mehr Druck machen und setzte sich weiter für das Mahnmal ein. So folgte ein offener Brief an die Stadt, um die Relevanz des Mahnmals zu verdeutlichen. Um zu zeigen, dass der Standort für das Mahnmal bereits ein „Platz für Alle“ ist, organisierte „Herkesin Meydani-Platz für Alle“ gemeinsam mit verschiedenen Künstler: innen von Sommer bis Herbst 2020 Veranstaltungen gegen Rassismus an der Keupstraße. Das Mahnmal sollte nicht untergehen. Erst als das Grundstück Investor: innen wechselt, kann das Mahnmal am vorgesehenen Standort in der Ecke Keupstraße/ Schanzenstraße doch zugesichert werden: „Das Projekt kann nun in den kommenden drei bis vier Jahren umgesetzt werden (…)“ (Stadt Köln, 2021).
So bleibt es abzuwarten, wann genau das so wichtige Mahnmal an der Keupstraße als Zeichen der Erinnerung und dem Kampf gegen Rechtsextremismus wirklich existieren wird.
Text: Irem Demirci
Link zum Soundcloud Hörspiel: https://www.schauspiel.koeln/spielplan/a-z/die-luecke-zwei/
Quellen:
Initiative „Keupstraße ist überall“(2023). Über Uns, in: http://keupstrasse-ist-ueberall.de/ueber-uns/ (06.06.23)
Initiative „Keupstraße ist überall“ (o.J.). Flyer, in: http://keupstrasse-ist-ueberall.de/wp-content/uploads/2015/08/2015-06-keupstr_wir_ueber_uns_web.pdf (06.06.23)
Stadt Köln (o.J.). Denkmal zu den Anschlägen des NSU in der Keupstraße und der Probsteigasse, in: https://www.stadt-koeln.de/artikel/71428/index.html (06.06.23).
Dostluk Sinemasi (2014). Von Mauerfall bis Nagelbombe. Eine Einleitung, in: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/06/Von_Mauerfall_bis_Nagelbombe.pdf (06.06.23).
Rosa Luxemburg Stiftung NRW (o.J.). Von Mauerfall bis Nagelbombe, in: https://nrw.rosalux.de/publikation/id/7964/von-mauerfall-bis-nagelbombe (06.06.23).
Aßmann, T. (2015). NSU-Prozess. „Die Keupstraße hat mir das Beste genommen“, in: https://www.deutschlandfunk.de/nsu-prozess-die-keupstrasse-hat-mir-das-beste-genommen-100.html (06.06.23).
Schauspiel Köln (o.J.). Die Lücke 2.0, in: https://www.schauspiel.koeln/spielplan/a-z/die-luecke-zwei/ (06.06.23).
Initiative „Herkesin Meydani- Platz für Alle“. Antirassistisches Mahnmal an der Keupstraße in Köln, in: https://mahnmal-keupstrasse.de (06.06.23).
Initiative „Herkesin Meydani- Platz für Alle“. Stellungnahme: Mahnmal Keupstraße- der lange Weg ein würdiges Gedenken gegen Rassismus zu erkämpfen“, in: https://mahnmal-keupstrasse.de/stellungnahme-ini-hmpfa-01.22.html (06.06.23).
Rosa Luxemburg Stiftung (2020). Kampf um Erinnerung- Wieso gibt es noch immer kein Mahnmal in Köln?, in: https://www.rosalux.de/news/id/43274/kampf-um-erinnerung-wieso-gibt-es-noch-immer-kein-mahnmal-in-koeln (06.06.23).