Elif hat einen Weg hinter sich, von dem auch viele andere junge Mädchen träumen. Mit 16 Jahren nahm sie bereits an der ProSieben-Castingshow Popstars „Du und Ich“ teil. Das große Ziel damals war der Sieg als Teil eines Duos, allerdings wurde sie mit ihrem Gesangspartner Niklas Dennin nur Zweite. Aber Elif gab nicht auf und machte weiter. Im Nachhinein war das Ausscheiden bei Popstars kein großes Unglück, denn dass Elif auch solo Karriere machen wird, scheint mit ihrem Debütalbum garantiert. Bühnenerfahrung konnte die mittlerweile 20 jährige übrigens nicht nur an der Seite von Cassandra Steen bei Popstars sammeln, sondern auch auf Tour mit Tim Bendzko und zuletzt im Vorprogramm von Ronan Keating.
Am 30. August ist nun ihr erstes Album „Unter meiner Haut“ erschienen. Im Interview mit renk. erzählt sie, wie ihre Songtexte entstanden sind, wofür sie ihrer Mutter dankbar ist und wie das Schreiben des Songs „Ich bin da“ erfolgreich früheren Liebeskummer in die Flucht schlug.
Liebe Elif, dein Debütalbum beinhaltet 14 verschiedene Songs.
Wie sind diese entstanden? Was hat dich inspiriert?
Ich schreibe vieles selber, habe aber auch ein Team, mit dem ich gerne schreibe, weil ich das Gefühl habe, dass diese Leute mich inspirieren. Das ist so ähnlich, als wenn du an einem Konzept arbeitest; irgendjemand wirft etwas in den Raum und dann entsteht eine Idee, auf die du wahrscheinlich alleine nicht gekommen wärst. So ist es bei mir. Die Energie der Menschen um mich herum inspiriert mich. Aber manchmal bin ich auch alleine mit meiner Musik.
Magst du etwas zu dem Album selbst erzählen?
Es ist wie mein musikalisches Tagebuch. Wenn ich die Songs höre oder manchmal, wenn ich sie live singe, dann ist es so, als würde ich eine kleine Zeitreise machen. Es sind meine Dokumente, es sind schließlich viele Themen darin verarbeitet. Manchmal ist es auch wie eine Achterbahnfahrt. Man bekommt Einblicke in das, was ich erlebt habe.
Was waren das für Tage? Du hast sie eben als Achterbahnfahrt beschrieben. Waren es auch glückliche Tage, traurige Tage?
Ja, ein gutes Beispiel dazu ist meine letzte Single „200 Tage Sommer“, die Anfang August rauskam. Die beschreibt eine Situation, in der ich einen Typen in der U8 gesehen habe. Ich hatte so einen blöden Tag, aber dann habe ich ihn getroffen und er hat meinen Tag perfekt gemacht. „You made my day“, sagt man doch. „Ich kriege dich nicht aus meinem Kopf, wie 200 Tage Sommer. Du machst mein Leben etwas leichter.“ Es war nicht mal Sommer an dem Tag, es hat geschneit. Aber das sind diese kleinen Momente.Dann gibt es natürlich auch andere Momente… Ich habe einen Song geschrieben, der „Danke“ heißt. Ich habe mich mal mit meiner Mutter hingesetzt und sie nach ihrer Vergangenheit gefragt, wollte wissen: „Mama, was hast du alles durchgemacht?“. Und dann hat sie eben erzählt, wie sie aus der Türkei gekommen ist, dass nicht immer alles einfach war und sie viel aufgegeben hat. Ich habe drei Geschwister. Mit vier Kindern gibt man ein kleines Stück von seinem Leben auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sehr viel Zeit für sich selbst übrig hat, wenn man vier Kinder hat. Sie hat jahrelang nur in uns investiert und dafür wollte ich ihr danken.
Du hast eben die U8 erwähnt, du bist auch in Berlin geboren. Wie sieht dein persönliches Berlin aus?
Ich finde, Berlin ist so hektisch und so unruhig geworden und ich habe das Gefühl, ich kenne schon alles. Es ist ein bisschen dreckig, aber es gibt auch ein, zwei schöne Orte. Den Tiergarten mag ich gerne, der erinnert mich an meine Kindheit. Mittlerweile wohne ich im Osten Berlins. Ich überlege aber, wegzugehen, um mal was anderes zu sehen. Ich habe das Gefühl, ich bin hier nicht zu Hause. Obwohl ich Berlinerin bin, habe ich dieses Gefühl und das finde ich vielleicht nur heraus, wenn ich mal woanders bin.
Ist „Heimat“ für dich eher an einen Ort oder an ein Gefühl gebunden?
Zu Hause bist du dort, wo jemand ist, den du liebst. Es ist egal, wo man ist; wenn ich in Los Angeles leben würde oder in Spanien oder sonst wo: Die Person, mit der ich gerne zusammen bin, ist mein Zuhause. Mein Zuhause sind Menschen.
Denkst du, das könnte irgendwo in Deutschland sein?
Auf jeden Fall in Deutschland. Es kann sein, dass ich in paar Jahren in Brandenburg wohne, weil ich die Seenplatten sehen möchte oder an der Ostsee. Jetzt ist Berlin ganz cool, aber ich würde auch gerne mal nach Hamburg.
Deine Mutter ist aus der Nähe von Adana nach Deutschland gekommen. Warst du auch schon mal dort?
Ja. Es ist jetzt zwar schon lange her, denn ich hatte seit drei Jahren keinen Urlaub mehr und wir sind meistens dort zum Urlaub machen. Mittlerweile sind wir Vier alle älter geworden, da können wir auch gar nicht mehr so einfach zusammen Urlaub machen, weil jeder sein eigenes Ding macht. Meine Schwester studiert, mein Bruder arbeitet und ich arbeite auch seit drei Jahren an meiner Musik, wegen der ich lieber in Deutschland bleiben wollte, darum habe ich mir keinen Urlaub gegönnt. Wenn irgendwas Wichtiges passiert oder ich mich inspiriert fühle, will ich hier sein, damit ich jemanden habe, mit dem ich das aufarbeiten kann. Ich möchte aber unbedingt wieder in die Türkei, um meine Verwandten zu sehen. Ich vermisse meinen Opa.
Als Musikerin ist man oft auch von verschiedenen Kulturen inspiriert. Denkst du, dass deine türkische Kultur dein Schaffen beeinflusst hat?
Sie hat mich beeinflusst, weil meine Eltern bestimmte Werte mitgebracht haben. Sie haben mir beigebracht, wie wichtig es ist, freundlich zu sein und immer eine offene Tür zu haben. Das mag ich ganz gerne. In vielen türkischen Familien ist es so, dass „Misafirler“ (die Gäste) immer kommen können. Und die Familien sind groß. Es wird immer alles zusammen gemacht. Das hat mich sehr geprägt. Aber ich war in meinem Leben vielleicht zehnmal in der Türkei und dann auch nur, um Verwandte zu sehen. Ich bin eigentlich durch und durch Deutsche, mit türkischen Werten. Ich war letztens ganz kurz in Istanbul, aber auch nur am Flughafen. Ich meine das nicht böse, aber es kam mir so fremd vor. Obwohl ich Türkisch kann, fühle ich mich eher deutsch. Ich hatte auch musikalisch nie etwas mit dem Türkischen zu tun. Es gab zwei, drei Lieder, die ich cool fand, aber es war von Anfang an klar, dass ich auf Deutsch singen will.
Also fühlst du dich sehr wohl in der deutschen Sprache und kannst gut ausdrücken, was du sagen möchtest?
Ich rede den ganzen Tag Deutsch, ich träume in der Sprache. Wenn ich Gefühle ausdrücken will, versuche ich nicht, das auf Englisch zu machen oder auf Türkisch, sondern auf Deutsch.
Du hast früh begonnen zu schreiben. Was hat dich damals beschäftigt?
Jungs! Wahrscheinlich auch Teenagerprobleme wie „Warum darf ich dies und das nicht?“, „Wieso darf ich nicht so lange draußen bleiben?“, aber auch „Ich würde so gerne mal weiter weg.“ Du warst ja so an die Schule gebunden; ich konnte jetzt nicht eben mal nach München fahren. Man durfte einfach nicht so viel. Das kann ich heute auch verstehen, damals hat mich das jedoch beschäftigt.
In deinem Lied „Ich bin da“ geht es darum, dass du verlassen wurdest, aber aus dieser Phase sehr erwachsen und selbstbewusst hervorgegangen bist. Eine beendete Beziehung kann viele sehr runter bringen. Wie kam es, dass du so positiv damit umgegangen bist?
Ich war 17, als ich den Song geschrieben habe. Ich hatte eine Beziehung, die gerade zu Ende gegangen war. Ich hatte ein halbes Jahr lang Liebeskummer, aber irgendwann stand ich morgens auf und er war einfach weg. Und darum singe ich: „Der erste Morgen, ich vergesse das, was war. Dass das passiert, war jedem, nur mir selbst nicht klar. Von rosarot zu grau, so blass war’n wir noch nie und ich mag diesen Tag … irgendwie.“ Ich war so glücklich, wieder einfach bei mir selber zu sein und diese Liebeskummerphase hinter mir zu lassen. Ich habe aber auch verstanden, dass ich nach einer Beziehung anders bin, anders, als ich vorher war. „Nichts tut für immer weh“ und „Ich bin da“ sind an denselben Typen gerichtet. In der Phase, in der ich Liebeskummer hatte, habe ich „Nichts tut für immer weh“ geschrieben, weil ich wusste, es tut irgendwann nicht mehr weh und dann kam „Ich bin da“. Dann war es halt vorbei.
Du hast bei Popstars teilgenommen und bist im Finale ausgeschieden. Wie hast du es geschafft, trotzdem weiterzumachen?
Ich bin hinterher in die Garderobe zu Michelle, sie war damals in der Jury und ist heute meine Verlegerin. Sie hat darauf geachtet, dass mich am Anfang niemand über den Tisch zieht. Im ersten Jahr war sie immer mit am Start. Zwei Wochen später war ich schon im Label und sie haben gesagt: „Mach einfach, was du willst. Hier sind ein paar Leute, mit denen kannst du Musik machen. Oder mach alleine. Mach einfach.“ Nachdem Popstars zu Ende war, habe ich gar nicht darüber nachgedacht, was ich machen will. Ich wusste einfach, dass ich erst mal zur Schule gehe. Dann kamen peu à peu immer mehr Leute und irgendwann hat es funktioniert und es hat den Leuten vom Label gefallen. Jetzt habe ich ein Management, das voll geil ist.
Du bist bereits mit Tim Bendzko auf Tour gegangen. Was war das für eine Erfahrung?
Es war eine gute Erfahrung, denn ich habe auf der Bühne gemerkt, was ich verändern möchte. Wenn man die Sachen live spielt, ist es etwas anderes, als wenn man nur im Studio sitzt und das mechanisch macht. Spielend und singend hat man keine Chance, etwas abzusprechen, weil der Song ja weiterlaufen muss. Da habe ich gemerkt, dass manche Dinge verbesserungswürdig sind. Es hat mir auch geholfen, zu sehen, wie die Leute darauf reagieren. Welche Songs sie mögen, welche nicht.
Credits:
Interview: Meltem Toprak
Text: Carmen Kreyenberg
Fotos: Hannes Casper