Einheimisch, außergewöhnlich, lebensnotwendig

Wie das junge Darağaç-Kollektiv Izmirs Kunstszene verändern will

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Izmir wächst. Die immer als westlich präsentierte Stadt und Hochburg des Kemalismus wird Tag für Tag größer, weil viele Istanbuler die Metropole verlassen und nach Izmir ziehen, eine der letzten progressiven Oasen der Türkei.

Die Straßen werden voller, und nur in Berlin sind die Immobilienpreise 2017 mehr gestiegen. Kein Wunder, dass auch die Kunstszene differenzierter wird, und auch darüber berichtet. ARTE’s Metropolis Format hat die Szene in der Stadt porträtiert, darunter das Kollektiv Darağaç.

Cansu Çakar – Neden latife, darağaç bu_arada, 2016

Das Kollektiv möchte jungen KünstlerInnen einen Ausstellungsraum bieten, da die Stadt unter einem Mangel an Galerien, Ateliers oder anderen Orten der Kunst, leidet. Darağaç, durch moderne Kunst und die Dynamiken des Lebens im Viertel, hinterfragt unterschiedliche Perspektiven und ist der Meinung, dass man diese zusammen mit den ZuschauerInnen erleben sollte.

Hasan Usta, Ben yanlış anlama, darağaç bu_arada, 2016

Ein KünstlerInnenkollektiv in einer Großstadt – an sich nichts besonderes. Was die Darağaç-Truppe in Izmir veranstaltet, aber schon. Durch die Ausstellungen der jungen KünstlerInnen entsteht eine Verbindung zwischen Kunst und dem Umurbey-Viertel (damals Darağaç genannt), in der sie ansässig sind, denn für sie ist Kunst an sich lebensnotwendig – “von dem Leben nicht trennbar.” Aber mehr dazu könnt ihr in ihren eigenen Worten erfahren.

Als ein neues Kollektiv, was für einen Raum möchtet ihr euch in der Kunstszene in Izmir erschaffen?

In erster Linie ist es uns, als Darağaç-Kollektiv, wichtig, einen alternativen Kunstraum in Izmir zu kreieren und dadurch Produktion und gemeinsame Projekte und Kommunikation zu fordern. Dabei legen wir viel Wert auf schon etablierte Gruppen oder Personen, um in den Dialog zu kommen. Der Austausch von Ideen, Vorschlägen und nachhaltigen Projekten ist ein Bestandteil unserer Dialoge.

Nazım Arslan & İnese Krizanovska, Mavi Öküz, darağaç bu_arada, 2016

Was für eine Verbindung habt ihr zu dem Bezirk? Möchtet ihr als Kollektiv mit eurer Kunst töten?

Der Grund, warum wir das Kollektiv mit dem alten Namen des Umurbey-Viertels getauft haben ist, dass wir sowohl die vergessene Geschichte des Gebiets wieder ins Leben rufen wollen als auch die dunkle Seite des Namens (Darağacı wird als Galgen übersetzt, und wurde bis zum Bevölkerungsaustausch 1923 stark von griechischen MitbürgerInnen angesiedelt – A.d.R) durch ein normales Verhältnis zum Wort ersetzen. Als KünstlerInnen, die in dem Viertel leben und arbeiten, haben wir starke Beziehungen mit anderen ArbeiterInnen und Menschen aus dem Viertel aufgebaut. Zum Beispiel hat der Autolackierer Hasan Usta mit seinen lackierten Motorradteilen unserer ersten Ausstellung beigetragen, was zum Teil eines grossen Fotografie-Werkes.

Wieso verbindet ihr eure Kunst wortwörtlich mit dem Bezirk?

Bisher wurden mehrere disziplinübergreifende standortspezifische (site specific) Werke ausgestellt. Diese Ausstellungen, die aus Performances, Videovorführungen, Gemälden, Fotos, Statuen, und Instillationen bestanden, fanden sowohl im Laden als auch auf den Straßen des Viertels statt. Der Grund, warum wir das Viertel mit der Kunst zusammenbringen ist, dass die Kunst an sich ein lebensnotwendiger Fakt ist, dass heisst, dass die Kunst und das Leben voneinander untrennbar sind. Wir, als KünstlerInnen, die in dem Viertel wohnen, zielen darauf, Kunst in verlassenen Gebäuden, Straßen, leeren Grundstücken zu sehen, und eine organische Kommunikationsverbindung mit Kunst zu erschaffen.

Die Kunst ist an sich ein lebensnotwendiger Fakt.

Marc Lochner, Yabancı, bkzdarağaç, 2017

Wie betrachtet ihr das Thema Gentrifizierung im Zusammenhang mit dem Umurbey-Bezirk und Darağaç-Kollektiv?

Wie überall in der Türkei ist Gentrifizierung in Izmir, und besonders in dem Umurbey (Darağaç)-Viertel ein wichtiges Thema. Dieses Viertel, das ein altes Wohngebiet mit Spuren der Vergangenheit ist, steht zwischen den Wolkenkratzern in Gefahr. Einem fällt es nicht schwer sich vorzustellen, dass dieses Gebiet in kurzer Zeit gentrifiziert wird. Vielleicht wird Darağaç, zusammen mit seiner Geschichte, abgerissen. Aus diesem Grund glauben wir, dass die Kunstbewegung hier das Viertel zu einem wichtigen Ort machen könnte, und hoffen, dass es eventuell dazu führt, dass sich Umurbey-Viertel der Gentrifizierung nicht beugen muss.

Cenkhan Aksoy & Fatih Altan, İffetsiz erkler, bkzdarağaç, 2017
Berna Dolmacı, Sığınak, darağaç iii, 2018

Wie betrachtet ihr Izmirs Verwandlung in den letzten Jahren aus der Perspektive der Kunstszene?

Die Entwicklung in der Kunstszene in Izmir hat viele Gründe. Vor allem ist die Gründung der Mittelmeer-Akademie (Akdeniz Akademisi), daran beteiligt, denn sie hat viele KünstlerInnen zusammengebracht hat und ihnen die Möglichkeiten gegeben, zusammen an neuen Projekten zu arbeiten. Auch die Strömung von Istanbul Richtung Izmir spielt eine Rolle, denn diejenigen, die nach Izmir migriert sind, tragen natürlich etwas zu der Kunstszene bei. Ob eine Kunstszene ganz unabhängig von Istanbul in Izmir entsteht, können wir nur in den nächsten Jahren feststellen.

Die oben erwähnte Metropolis Folge von ARTE findet ihr hier. Mehr Informationen kann man auf Darağaçs Facebook und Webseite erfahren.

Cengiz Tekin, Çevreye verdiğimiz rahatsızlıktan dolayı özür dileriz, darağaç iii, 2018

Titelbild: Ali Kanal, İkram, bkzdarağaç, 2017
Bilder: Darağaç

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