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Gesellschaft & Geschichten

Pray the gay away

Ein Plädoyer gegen Schwulenhass

Hier in Berlin, so möchte man meinen, inzwischen eigentlich ein Bestandteil des Alltags: Homosexualität. Hin und wieder kommt es aber, besonders in der türkischen Community, vor, dass Menschen ein Doppelleben fristen, weil sie ihre Sexualität nicht frei ausleben können. Genügend Angebote bietet diese Stadt allemal. „Ein Gay Paradise“, wie manch eine*r sagt, – Oder ist es doch die „Schwule Hölle“, die einen zur Sünde verführt?

Aus Angst vor den Reaktionen der eigenen Familie und manchmal auch der gesamten Gesellschaft, suchte ich mir Schlupflöcher und fristete lange ein Dasein dunkler Geheimnisse.

Gebrandmarkt

„Bis‘ du schwul, alta? Guck’ma wie du aussis ya! Schwuchtel!“

„Was soll mit mir sein? Projizierst du etwa deine latente Homosexualität auf mich, um deiner Angst vor dem Eingestehen Raum zu verschaffen, Bruder?“

„Was labas du, Jungeee!! Denk’su du bis inteligment, weil du Genasium wars?!“, waren die letzten Worte, die ich hörte, bevor ich den Halt verlor und gen Asphalt flog, getroffen von der geballten Intoleranz einer Generation von ultrakonservativen, chauvinistischen, wohmöglich latent schwulen Türken im wunderschönen Gelsenkirchen – der Perle des Ruhrgebiets.

Gebrandmarkt durch ein blaues Auge, das ich als Zierde mit Scham trug. Als Synonym für Scheiße, dumm und alles, was eigentlich schlecht ist; So wird es schließlich verwendet, das Wörtchen „schwul“. Für immer in der Hölle sollten die Hinterlader brennen, die sich doch fürs Stinky anstatt des Pinky entschieden, die die Banane und nicht die Feige favorisierten.

So sind also wir Gays, aus dem Englischen absurderweise übersetzt „die Glücklichen“, für immer dazu verdammt, gehasst zu werden und uns zu verstecken?

Die Enthüllung

So dachte ich und fürchtete mein Coming-out bis aufs Blut. Mit viel Mut (angetrunken oder manchmal selbst geschöpft) wagte ich es dennoch, meinem Bruder eine SMS der Enthüllung zu schreiben. Am nächsten Morgen mit einem Kater und dem Schock meines Lebens, merkte ich, dass es doch kein Traum war. Nun war ich offiziell schwul, zumindest in den Augen meines Bruders.

Als ich seine Antwort mit rasendem Puls las, bekam ich aber erstaunlicherweise keine Hasstiraden, sondern das Versprechen, dass er mich trotzdem lieben würde, egal was sei. So erleichtert wie noch nie, schwebte ich aus dem Bett und tanzte vor Glück wie eine Fee. Leider war mein Glück von kurzer Dauer. Mein geliebter Bruder redete kurz darauf auf mich ein und meinte:

„Abi, pray the gay away! Wenn du willst, kannst du dich ändern. Es liegt in deiner Hand.“

Den Facepalm konnte ich mir nicht verkneifen und besann mich auf die türkische Hamam-Kultur. Wohlgemerkt waren nur die Passiven schwul, nicht die Aktiven. Ist doch logisch! Außerdem war es erst recht nicht schwul, wenn sich die Hoden nicht berührten. Also um Gottes Willen, alles noch heteromäßig voll OKAY!

Angeblich widerspricht Homosexualität der Natur. Dabei wurden in über 1500 Spezien der Tierwelt homosexuelle Paare beobachtet, die das Gesamtwohl der Gemeinschaft verbessern.

Also ist es sehr wohl natürlich, dass manche Tiere schwul sind. Ergo der Homo Sapiens auch?

Genmanipulierte Homo-Kartoffeln

Woher kommt also dieser Schwulenhass? Denn das Gegenteil von Liebe war es nicht, das mir entgegenschlug. Gleichgültigkeit ist das Gegenteil von Hass und es war den Teyzes und Amcas schließlich alles andere als gleichgültig, dass Ali und Veli Sucuk mit Ei anders interpretierten als auf dem Frühstückstisch.

Ist es vielleicht doch verankert in der türkischen Kultur? Oder ist die liberale deutsche Gesellschaft schuld, dass es schwule Türken gibt? Genmanipulierte Homo-Kartoffeln? Oh mein Gott, ich wusste es… Noch eine sündhafte Facette von Pommes Rot-Weiß – neben dem geilen Geschmack und den gefühlten drei Millionen Kalorien machten sie mich nicht nur fett, sondern auch noch stockschwul.

Meine Mutter glaubt ja fest daran, dass man Kinder mit den richtigen Hormonen behandeln könnte, wenn man schon im frühen Alter merkt, dass sie schwul werden. Aber der Mode-Designer im türkischen TV, der offensichtlich homosexuell ist, der müsste so sein, denn er ist ja aus der Fashion-Welt. Wie ich schnell merkte, durfte man weder Logik noch Verstand in dieser Argumentation suchen. Den es gab sie nicht.

Verstaubt wie Spitzendeckchen

Wenn ich so darüber nachdenke, dass eine andere Form der Liebe zwischen zwei Menschen gleichen Geschlechts, zumindest in Teilen von Berlin, so ziemlich normal geworden ist, fällt auf, dass diejenigen, die damit immer noch ein Problem haben, doch inzwischen, genau wie ihre Ansichten, alt geworden sind. Vielleicht bald so verstaubt wie die Spitzendeckchen auf einem alten Röhrenfernseher oder einem Scheibentelefon.

Selbst in Istanbul wird jedes Jahr von den LGBTQ’lern die wunderschönste Flagge gehisst am Horizont der unendlichen Regenbögen mit den schönsten renkler (Farben). Sie rufen lauthals nach Toleranz, Akzeptanz und Liebe! Erklär mir jemand, warum sollte man es Ihnen verwehren?

 

Text und Illustration: Kadoncé

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