Ich mag es nicht, in eine Schublade gesteckt zu werden

Ein Interview mit Aslı Melisa Uzun

Asli Melisa Uzun
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Die in Ankara geborene Schauspielerin und Tänzerin Aslı Melisa Uzun, die 2015 zur Miss Turkey Universe gewählt wurde, begann bereits im Alter von drei Jahren mit Tanz und studierte später Ballett und Gymnastik. Sie ist längst kein unbekanntes Gesicht mehr – weder in der Türkei noch in Deutschland. Bisher war sie in Serien wie Arkadaşlar İyidir oder Verbotene Liebe-Next Generation zu sehen. Aktuell wirkt Aslı Melisa in der türkischen Serie Akrep mit. Ihrer Meinung nach muss man sich nicht für eine Kultur oder ein Talent entscheiden. Deutsch und Türkisch könnten genauso gut miteinander verbunden werden wie Schauspiel und Tanz.

Was verbindet dich mit Deutschland und der Türkei?

Meine Verbindung zur Türkei ist, dass ich hier geboren und in Ankara aufgewachsen bin. Ich habe bis zu meinem 18. Lebensjahr hier gelebt. Meine Oma ist Deutsche, daher die Verbindung zu Deutschland. Sie und mein Opa kamen in Deutschland zusammen, entschieden sich jedoch in der Türkei zu leben. Für meine Oma war das ein Neuanfang, aber sie hat sich schnell in der Türkei eingelebt und war dann sehr „vertürkt“. Wenn sie in Deutschland war, hat sie die Türkei sehr vermisst. Mein Opa verstarb vor meiner Geburt, weshalb ich ihn leider nicht mehr kennengelernt habe. Oma wollte nicht zurück und hat sich in Ankara ihre eigene deutschsprachige Community aufgebaut. Die meisten waren deutsche Ehefrauen, verheiratet mit türkischen Männern, die sich zusammengeschlossen haben. Sie kannten sich zum Beispiel von der deutschen Botschaft oder der deutschen Schule in Ankara.

Wie ging es nach deinen Schuljahren in der Türkei weiter?

 Asli Melisa Uzun
Foto: Arda Aytan

Mit 18 Jahren habe ich meinen IB (International Baccalaureate) absolviert. Das ist ein international anerkanntes Abitur-Zeugnis. Das ist an der Deutschen-Botschaftsschule möglich. Danach habe ich ein DAAD Stipendium bekommen. Ich bin dann nach Köln gezogen, wo ich angefangen habe Jura zu studieren. Davor war ich nur ein paar Mal meine Patentante in Oberhausen besuchen.

Wie war das für dich, als du nach Köln gekommen bist?

Ich hatte bis dahin noch nie alleine gelebt. Glücklicherweise kam ich im ersten Monat übergangsweise bei einer Freundin meiner Mutter unter. Später besuchte mich meine Mutter in Köln und half mir eine Woche, um mich einzuleben. Ich war davon ausgegangen, dass Köln mir nicht fremd sein würde, aber es war ein kleiner Kulturschock. Die Lebensweise ist schon anders in Deutschland. Es ist zwischenmenschlich viel geplanter und nicht so spontan wie in der Türkei.

Jurastudium und Schönheitswettbewerb – wie hast du diese unterschiedlichen Dinge zusammengebracht?

Noch vor meinem Jurastudium tanzte ich für die Fire of Anatolia Dance Company. Früher hatten sie viele Aufführungen in Deutschland. Ich bin ihnen während der Schulzeit beigetreten. Im Sommer waren wir auf Tournee und ich sammelte meine ersten Tanzerfahrungen. Während meines Studiums in Köln 2015, haben mich zwei Freundinnen von Fire of Anatolia kontaktiert und sagten: „Wir bewerben uns bei Miss Turkey und wollen, dass du dich auch bewirbst. Schick uns deine Infos und wir übernehmen die Anmeldung für dich.“ Ich war, um ehrlich zu sein, skeptisch, aber sie haben darauf bestanden. Miss Turkey war damals eine wichtige Sache, weil es für die Türkei als Repräsentation nach außen diente. Für mich war es eine einmalige Chance. Durch Miss Turkey haben sich für mich neue Türen geöffnet. Ich sammelte viele neue Erfahrungen und lernte auch meinen jetzigen Manager kennen. Miss Turkey war damals eine wichtige Sache, weil es für die Türkei als Repräsentation nach außen diente. Für mich war es eine einmalige Chance. Durch Miss Turkey haben sich für mich neue Türen geöffnet.

Wie kamst du dann zur Schauspielerei?

In der Schule habe ich oft an Theaterproduktionen teilgenommen. Das Tanzen war mein leidenschaftlicher Fokus. Mit drei Jahren fing ich an Ballett zu tanzen. Mit vier stand ich zum ersten Mal auf der Theaterbühne. Danach folgten Gymnastik und Jazz Dance. Als Kind wollte ich immer Bauchtänzerin werden, was meiner Familie etwas Sorge bereitete. Da ich schon immer auf die Bühne wollte, verband sich das Tanzen automatisch mit dem Schauspiel. Während meines Studiums habe ich dann an Workshops der Studiobühne Köln teilgenommen.  Während meines Tanzstudiums in Istanbul ging auch meine Schauspielausbildung immer parallel weiter an verschiedenen Institutionen, u.a. am Staatstheater in Istanbul. Der Weg führte zu dem, was mein Herz bewegte.

Du spielst in der Serie Verbotene Liebe die Rolle der Bobbi Atakan. Wie war das für dich diese Rolle zu übernehmen und welche Erfahrungen hast du in Deutschland mit Rassismus gemacht?

Da ich die meiste Zeit in der Türkei gelebt und gearbeitet habe, befand ich mich in den zwei Jahren, die ich in Deutschland verbrachte, in einer Bubble. Alltagsrassismus gab es auch damals, aber ich konnte ihn nicht als solchen kategorisieren, da ich für das Thema Rassismus noch nicht sensibilisiert war. Wenn ich jetzt nach Köln komme, erkenne ich Alltagsrassismus sofort.
Verbotene Liebe war mein erstes Projekt, das in Deutschland ausgestrahlt wurde. Als ich damals für die Serie vorsprach, ging es um eine Rolle als Latina. Später wurde sie in eine Deutsch-Türkin umgeändert. Die Rollenänderung freute mich sehr, da es ein Schritt für mehr Diversität on Screen darstellte.  Zuvor hatte ich Verbotene Liebe immer als klassisch deutsche Serie in Erinnerung mit einer nahezu vollständig deutschen Besetzung. Ich bin mit beiden Kulturen aufgewachsen, die für mich gleichzeitig da sind und fühle mich nicht dazu gezwungen, mich für eine davon zu entscheiden. Die Rollenänderung freute mich daher sehr. Meine Rolle in der Serie und die drei Monate in Köln war für mich eine tolle lehrreiche Erfahrung und hat mir viel Freude bereitet.

 Asli Melisa Uzun
Foto: Arda Aytan

Was liegt dir in der Film- und Tanzbranche besonders an Herzen?

Mir lag es am Herzen, Schauspiel mit Tanz zu verbinden. Daher habe ich auch viele Workshops besucht und mich immer weitergebildet. Diese beiden Felder waren gut kombinierbar. Vor allem waren sie nicht von der zeitgenössischen Kunst und dem Theater zu trennen. Das will ich als Künstlerin in mir vereinen. Genau das liebe ich und genau das erfüllt mich. Ich mag es nicht, in eine Schublade gesteckt zu werden. Ich mache gerne mehrere Sachen und auch in meiner Kultur bin ich nicht dieses oder jenes. Ich kann doch alles sein. Warum muss ich mich entscheiden? In der Zukunft will ich unbedingt Film und Tanz vereinen. Einer meiner größten Träume ist es, mit Fatih Akın zusammenzuarbeiten.

Neben Tanz und Schauspiel engagierst du dich auch im Bildungswesen?

Daran arbeite ich. Es gibt gewisse Probleme in der Türkei, die mir sehr nah gehen. Seitdem ich ein Kind bin, stört es mich sehr, dass vielen Mädchen die Schulbildung verwehrt wird. Laut der türkischen Verfassung gibt es die Schulpflicht, aber ihr Recht auf Bildung wird unzureichend umgesetzt. Viele konservative Familien entscheiden einfach darüber, ob ihr Kind in die Schule geht oder nicht. Daraus ergeben sich keine konkreten Konsequenzen für sie. Das ist einer meiner größten Anliegen, worin ich etwas bewegen möchte. Jetzt, wo mein Weg ein anderer ist, will ich meine Stimme und meine Wirkungskraft als Künstlerin dafür nutzen, um Kinder zu unterstützen. Kinder haben oft keinen Zugang zur Kunst. Entweder wird es ihnen nicht erlaubt oder sie haben die Mittel nicht dazu. Der Blick auf Tanz als Kunstform ist hier noch sehr problematisch. Bei Menschen aus konservativen Vierteln fehlt das Verhältnis zum Körper und ich finde, das ist einer der Gründe für gesellschaftliche Traumata. Viele Individuen haben keine Beziehung zu ihren Körpern und wissen auch nicht, wie man mit anderen Körpern in Kontakt tritt, außer durch Gewalt. Alles ist ein Tanz für sich selbst, zum Beispiel auch wie man einen Menschen berührt. Das führt zu einem viel liebevolleren Umgang miteinander. Dies würde meiner Meinung nach häuslicher Gewalt verhindern. Zumindest vermindern. Das alles kann man durch Bildung gut vermitteln. Tanz ist auch ein Teil der Grundbildung eines Menschen – eine intuitive Bildung.

Was hättest du deinem Jüngeren „Ich“ gerne mitgegeben?

Das ist vielleicht klischeehaft, aber ich hätte gesagt: „Mach dir nicht so einen großen Kopf über das, was dir andere Leute über dich sagen. Geh einfach deinen Weg. Alles was passieren soll, wird sowieso passieren, also quäl dich nicht, stress dich nicht, mach einfach und go with the flow.

Text: Fatima Remli

Lektorat: Vildan Çetin & Duygu Özturan

Fotos: Arda Aytan

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