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Gesellschaft & Geschichten

 Ein Blick durchs Glory Hole

 2015. Eine Fotografin sucht nach Performer*innen für ein p0rnografisches Kurzfilmprojekt und ich spüre: Ich muss mich bewerben. Ein Impuls, der irgendwo aus dem Nirgendwo kommt und mich selbst überrascht. Schließlich bin ich doch eher scheu und alles andere als exhibitionistisch. Oder nicht? Rückblickend weiß ich, dass sich damals ein Schalter in mir umgelegt hat. Ich hatte Lust auf Aufstand, Ausbruch und Wandel. Ich war es leid, mich für meinen Körper, meine körperliche Versehrtheit und mein Interesse an S*xualität zu schämen. Ich wollte mit Konventionen brechen – und bekam meine Chance.  

Während ich on-camera Kraft und Selbstbestimmung tankte, kämpfte ich off-camera mit internalisierten Stigmata, Minderwertigkeitskomplexen und Angst: Ich fürchtete mich, vor meiner Familie fremdgeoutet zu werden. Jahrelang saß ich in einer Zwickmühle. Zum einen wusste ich, dass meine Arbeit Wert hat und ich die richtige Branche für mich gefunden hatte. Zum anderen war ich von den Sorgen und Ängsten, die meine Arbeit im Schlepptau hatte, überwältigt. 

Mich von den Meinungen anderer abzugrenzen, ist und bleibt ein herausfordernder, intensiver Prozess. Deswegen bin ich umso dankbarer für meine Freund*innen, unterstützende Kolleg*innen und den Zugang zu therapeutischer Hilfe. 

 „S*x ist privat. Wer P0rnos macht, hat sein Leben verkackt.“ 

Auf P0rnografie wiegt ein schweres Stigma. Wer im P0rno landet, wird gerne als „gescheiterte Existenz“ gesehen. Aufklärung, wie sie zum Beispiel in der Schule vermittelt wird, muss dringend neu gedacht werden. Das bedeutet nicht, dass Jugendliche in der Schule P0rnos gucken müssen. Verschwiegen werden sollten sie aber auch nicht. Junge Menschen stolpern früher oder später sowieso über ihren ersten P0rno. Was ihnen fehlt, ist die Fähigkeit, diesen einzuordnen. Inzwischen gibt es aber auch – vermeintliche – Ausnahmen. Mit P0rnofilmen, die als „ethisch“ oder „feministisch“ gelten, tun sich viele Menschen nicht ganz so schwer. Ganz im Gegenteil zum Mainstreamp0rno, der oft kategorisch kritisiert wird. Das ist problematisch, denn die Arbeit für Mainstreamfilme ist nicht automatisch schlechter. Genauso sind die Bedingungen im Queer-P0rno nicht immer besser oder sicherer. Es geht für mich nicht darum, den Mainstream abzuschaffen, sondern darum, ihn zu ergänzen und so für Diversität zu sorgen. Das Ziel ist P0rnografie, die nicht nur weiß, hetero und jung ist, sondern Menschen und ihre S*xualität in aller Vielfältigkeit abbildet. 

 Fakt ist: Ich und wir haben S*x vor der Kamera. Sei es für eigene Projekte oder für Nischen- oder Mainstream-Produktionen. Egal, ob mit oder ohne feministische Story, toller Postproduktion oder s*xy Sound. Wir sind S*x-Arbeiter*innen. Und unsere Arbeit mit Selbstbewusstsein zu machen, ist bereits absolute Provokation. 

„Dein Konto wurde gelöscht“ 

Wer nicht gerade einen nostalgischen Hang zu S*x-Kinos und DVDs hat, konsumiert P0rno heutzutage vor allem online. Es gibt verschiedenste Möglichkeiten für uns als Perfomer*innen, Content zu teilen. Aber um es ganz deutlich zu sagen: Das ist alles andere als leicht. Die Diskriminierung ist nicht zu übersehen. Populäre Social-Media-Plattformen (von tumblr über Instagram bis zuletzt OnlyFans) beschließen regelmäßig neue Regeln, die S*x-Arbeitende und Perfomer*innen ins Abseits drängen. Dass wir im Netz zensiert und unsichtbar gemacht werden, gehört zur Realität aller S*x-Arbeiter*innen. Sie sind somit permanent davon bedroht, ihren Lebensunterhalt zu verlieren.  

 „Du bist toll, aber richtige Liebe ist nicht so deins, oder?“ 

 Klischees und Schubladen, die gesellschaftlich verankert sind, offenbaren sich auch in meinen privaten Begegnungen. Manche ordnen mich als Playgirl ein und vermuten, dass ich in meinem privaten S*xleben regelrecht abgestumpft sein müsse. Und natürlich erklären mir Teile dieses Klugscheißerkollektivs auch: Mit meinem Job könne ich keine wahre Liebe finden. Hello, Übergriffigkeit, my old friend. Diesen Menschen möchte ich sagen: Ihr liegt sowas von daneben. 

Was P0rno mir beigebracht hat, ist vor allem eine offenere Kommunikation. Und das tut meinen Beziehungen gut. Dennoch, Hardcore und 0rgien haben nichts daran geändert, dass ich in der Gegenwart eines Crushs in lähmende Schüchternheit verfalle. Also, lasst uns diese stigmatisierte Idee, was Liebe ist und wie man sie leben muss, doch einfach mal hinter uns lassen. Meine Liebe braucht euer Richtig und Falsch nicht. Meine Liebe braucht eure Projektionen nicht. Ihr wisst nicht, wie privates Glück für mich aussieht.  

 

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