Die prekäre mediale Darstellung von Kurd*innen

in Deutschland

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Die mediale Darstellung von Kurd*innen bzw. Kurdistan ist im hohen Maße von Flucht, Vertreibung, Massaker, Anschlägen, Terrorismusvorwürfen, Bedrohungen und Bildern vom Kampf gegen die IS-Terrormiliz geprägt. Diese Eindrücke werden sehr stark vom westlichen Medienmainstream koordiniert, die Kurd*innen mit kriegsähnlichen Zuständen assoziieren. Viel zu selten werden kurdische Journalist*innen dazu befähigt, selbstständig als Mitglieder*innen der betroffenen Community Beiträge und Artikel über kurdischbezogene Themen zu publizieren.

Die Folge: Kurd*innen werden in westlichen Staaten fremdbestimmt, haben kein Mitspracherecht hinsichtlich der medialen Darstellung des kurdischen Volkes und werden oft anhand des Terrorismusvorwurfs stigmatisiert und kriminalisiert.

Die erste nennenswerte mediale Repräsentation der Kurd*innen im deutschsprachigen Raum lässt sich auf den von Karl May im Jahre 1892 veröffentlichen Roman „Durchs wilde Kurdistan“ zurückführen. Fast ein Jahrhundert lang war das Bild der Kurd*innen in Deutschland von dem Roman geprägt. Der Autor betitelte die Kurd*innen als „edle Wilde“ und hat über den gesamten Roman hinweg eine rassistische, stereotypisierende und romantisierende Darstellung von Kurd*innen schriftlich reproduziert.

1980er-Jahre

Bis in die 1980er Jahre wurden kurdische Menschen im Zuge der Migrations- und Flüchtlingsbewegungen in deutschen Medien entweder vollständig negiert oder im Kontext des Deutsch-Türkischen Anwerbeankommens als „türkische Gastarbeiter*innen“ subsumiert. Diese Praxis findet seinen Ursprung in der kemalistischen Ideologie, nach der es keine kurdische Nation und Kurd*innen geben sollte und darauf aufbauend, systematisch durchgeführten Assimilationskampagnen, die darauf abzielen, die kurdische Identität auszulöschen.

Ende der 1980

Ende der 1980er-Jahre gelang das Schicksal des kurdischen Volkes an die deutsche und weltweite Öffentlichkeit, als Saddam Hussein den Genozid an die im Irak lebenden Kur*innen ausübte. Kurd*innen wurden nun medial als Opfer eines Genozids dargestellt. Diese mediale Darstellung wurde durch veröffentlichte Bücher mit den Titeln „Volk ohne Staat“, „Ein Volk kämpft ums Überlegen“, „Das betrogene Volk“ und „Die Waisenkinder des Universums“ verstärkt hervorgerufen.

Die deutsche Berichterstattung über die „Kurdengewalt“ in den 1990er

Die Wissenschaftler Bertram Scheufle und Hans-Bernd Brosius haben in ihrem wissenschaftlichen Beitrag aus dem Jahr 2001 folgendes festgestellt:

Die an Gewalt orientierte Berichterstattung über die Kurd*innen zwischen 1993 bis 1996 steht im engen Zusammenhang mit ausländerfeindlichen Straftaten. Ausschlaggebend für die Konstruktion eines Feindbildes durch deutsche Medien waren vor allem die Autobahnblockaden und die darauffolgenden Ausschreitungen mit der Polizei. So bestimmten die Medien, wer als Aggressor und als Opfer dargestellt wird. Die von den Medien zugeschriebenen Rollen führten zu einer Problematik, wie die beiden Wissenschaftler feststellen:

„Dies musste Gewalt gegen die in den Medien als Aggressoren präsentierten Kurden nicht nur legitimieren, sondern geradezu begünstigen“ (Zitat auf S. 452)

Zusammenhänge zwischen deutschen Massenmedien und Kurdenfeindlichkeit

Die wahrgenommene Bedrohung durch Kurd*innen im öffentlichen politischen Diskurs hatte eine zweifache Stigmatisierung – als „Fremde“ und „Gewalttäter“ zur Folge.

Die dabei entwickelte Hypothese stellt fest: „Die Kurdenberichterstattung hob vorrangig ab auf Gewaltaktionen von Kurden und die politische Debatte darüber, während sie Hintergründe wie etwa den Kurdenkonflikt in der Türkei ausblendete“ (Zitat auf S. 454). Dieses medienbedingte kurdenfeindliche Klima galt für Rechtsextreme als Motivation, sich in ihrer menschenverachtenden Ideologie bestätigt zu fühlen. Das von den Medien konstruierte Feindbild hat zur Folge, dass Kurd*innen nicht mehr als Individuen, sondern als „Typus“ wahrgenommen werden, also, dass von der PKK auf „alle Kurden“ geschlossen wird (sinngemäßes Zitat).

Aufkommen des IS – Kurd*innen als spontane Held*innen?

Nach der Ausbreitung des Einflussgebiets der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Irak und Syrien, fanden Kurd*innen ihren Weg in die deutsche Berichterstattung zurück – Als Verbündete des Westens im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Die positiv konnotierte Darstellung der Kurd*innen ging so weit, dass die Bundeswehr die Peschmerga im Irak unterstützte und die USA die kurdische Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG/YPJ als Held*innen feierten und sie mit Waffen und Ausrüstung belieferten.

Gegenwärtige diskriminierende Berichterstattung

Die deutsche Berichterstattung porträtiert Kurd*innen also vornehmlich als Opfer von Massaker und Vertreibung, Held*innen im Kampf gegen den IS und Kriminelle bzw. Aggressoren in Deutschland.

Eine positiv eingestellte Medienberichterstattung gegenüber Kurd*innen ist so gut wie nicht vorhanden. Das liegt vor allem daran, dass deutsche Behörden die Forderungen aus der Türkei übernehmen, Kurd*innen in Deutschland als „Türken“ zu registrieren. Das geschieht auf Grundlage der fehlenden Anerkennung der Kurd*innen als eigenständige Ethnie. Die systematische Diskriminierung der kurdischen Identität in den deutschen Medien liegt vor allem aber auch daran, dass die Medienschaffenden die Verwendung von Begriffen wie „Kurdinnen, Kurden oder Kurdistan“ vermeiden, wodurch sie einen erheblichen Beitrag zur Negierung aller kurdischen Menschen leisten. Ein solcher medialer Ausschluss von Kurd*innen führt zu Benachteiligung, Abwertung und ist schlichtweg ein Ausdruck von Rassismus.

Aktueller Stand

Die ca. 1-1.5 Millionen in Deutschland lebenden Kurd*innen sind in der öffentlichen Wahrnehmung unterrepräsentiert, weil sie öfter als Türk*innen, Perser*innen, Syrer*innen und Iraker*innen dargestellt und damit ethnisch als „türkisch, arabisch oder persisch“ begriffen werden. Der fehlende Status als eigenständige Ethnie führt zu einer systematisch-institutionell bedingten Diskriminierung, die die ethnische Identität verleugnet.

So werden Kurd*innen in sämtlichen amtlichen Statistiken nach ihren Herkunftsländern aufgeführt, also als Iraker*innen, Türk*innen, Syrer*innen oder Iraner*innen. Die fehlende Anerkennung der Kurd*innen in der internationalen Politik und in der Bundesrepublik Deutschland als eigenständige ethnische Minderheit ermöglicht die diskriminierende mediale Berichterstattung, die Kurd*innen, je nach zeithistorischem politischem Kontext, als Opfer, Helden, Terroristen oder nichtexistierend darstellt.

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