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Gesellschaft & Geschichten

Zu Gast bei Ertekin Hasanbeyoğlu – Der Türke mit dem Lodenmantel

Ertekin Hasanbeyoğlu ist der Inhaber des Café Katelbach in Hamburg-Altona. Wir haben ihn getroffen und mit ihm über seine wilden Jahre in Hamburg-Blankenese und die aktuelle Kunst- und Kulturszene an der Waterkant gesprochen.

Ertekin, wie würdest du deinen Weg vom Szenegänger in Hamburg-Blankenese zum Szene-Macher in Altona-Ottensen beschreiben?

Mein Weg war nicht geradlinig. Ich wurde als bosnischer Türke im ehemaligen Jugoslawien geboren. Ich hätte irgendwo anders landen können, als mich das Fernweh in meinem Istanbuler Gymnasium überwältigte. Die Möglichkeit, nach Hamburg zu ziehen, kam infrage, weil zwei meiner Brüder hier arbeiteten. Und die Entscheidung, in Hamburg zu bleiben, fiel, weil meine neuen Freunde und die Stadt mich stark prägten.

Als ich ankam, war ich fünfzehn und mit sechzehn hatte ich mein erstes Zimmer in Blankenese. Die Tatsache, dass ich strohblond war und die deutsche Sprache schnell erlernte, hat meine Umgebung umgehauen, da es dem widersprach, was viele von einem Türken erwarteten. Ich bin mit den Kindern dieser großbürgerlichen Gegend aufgewachsen, ohne wegen meines Aussehens aufzufallen. Nichtsdestotrotz nannten mich viele „den blonden Türken“. Später, als ich in der Szene unterwegs war, nannte man mich „den Türken mit dem Lodenmantel“. Ich trug damals einen langen bayerischen Jägermantel.

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Hast du damals viele Gleichgesinnte kennengelernt? Inwieweit konntest du dich als Zwanzigjähriger entfalten?

Ich hatte eine herrliche Zeit. Ich erlebte starke erotische Begegnungen und auch Liebeskummer, machte Freundschaften und auch Feindschaften, hatte wenig Schlaf und viele bereichernde Gespräche in verschiedenen Treffpunkten: vor dem einzigen Tchibo Café, das es damals in Blankenese gab, in der Kiffer-Szene vom Hessepark, wo ich hin und wieder einen Joint geraucht habe, in der berühmten Kneipe Zur Linde an der Dockenhudener Straße, wo ich das Trinken „gelernt“ und gerne mal eine Thüringer vom Grill gegessen habe.

In die Kneipe Zur Linde gingen alle Blankeneser: die reichen und die armen, die Chefs und die Angestellten, die Spießer und die Hippies. Dort habe ich mit all diesen Menschen wertvolle Erlebnisse geteilt. Dank ihnen habe ich angefangen für die Blankeneser Zeitung „Die Hauptstraße“ Fotos und Karikaturen zu machen, als Ersatzbariton in einem Kirchenchor zu singen und Jazz-Lieder zu interpretieren, nur so zum Spaß. Um so eine heterogene und kulturgeneigte Szene in Hamburg zu finden, muss man heute in die Schanze gehen.

Hast du als junger Erwachsener schon daran gedacht, ein Café oder eine Kneipe zu eröffnen?

Nein. Ich wollte Medizin oder Kunst studieren, konnte mir aber keinen dieser Wünsche erfüllen. Ich habe eine Weile lang Elektromaschinenbau gelernt und dann wechselte ich zu Politik und Wirtschaft, brach das Studium aber kurz darauf ab, weil ich nebenbei arbeiten musste, um mich durchzuschlagen. Als selbständiger Übersetzer spezialisierte ich mich auf die Sprachkombinationen Deutsch-Türkisch und Deutsch-Serbokroatisch. Nachdem ich genug Geld gespart hatte, beendete ich meine Lehre zum Bootsbauer. Danach führte ich eine Kebab-Produktion in Blankenese und stellte Kebab-Spieße für dreißig Kneipen her. Später habe ich die Bar vom Abaton-Kino, einem der ersten Programmkinos Deutschlands, mit aufgebaut und in Gang gebracht. Dann endlich eröffnete ich das Café Katelbach, wo man zwischen 1987 und 1999 nicht nur köstlich essen und trinken, sondern auch Lesungen, Konzerte und Ausstellungen genießen konnte.

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Deine Liebe zur Kunst war noch da …

Im Katelbach zeigte ich Arbeiten von Künstlern aus Brasilien, Bulgarien, China, Italien, dem ehemaligen Jugoslawien, Nigeria, Russland, Spanien, der Türkei und den USA. Jetzt versuche ich Musikern eine Bühne im Pavillon, meinem anderen Café, zu bieten.
Schräg gegenüber vom Café Katelbach gab es eine Verkehrsinsel, die die Behörden umgestaltet sehen wollten. 2004 habe ich mich bemüht, die öffentliche Ausschreibung zu gewinnen, weil es für das Katelbach verheerend gewesen wäre, einen Konkurrenten auf diesem kleinen Platz zu haben. Dort habe ich den Pavillon aufgebaut und eine Reihe von Konzerten veranstaltet. Ich spiele noch mit dem Gedanken, ein Klavier zu besorgen, so dass uns junge Pianisten und Pianistinnen die Nächte versüßen können.

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Was deine Mitarbeiter und deine Stammkundschaft angeht, musst du sehr zufrieden sein. Die Vielfalt und Offenheit der alten Blankeneser Szene spiegelt sich in den Menschen um dich herum wider. Unter deinen Gästen finden sich die unterschiedlichsten Gestalten und ein paar Berühmtheiten – von „Bella-Block“-Star Hannelore Hoger bis zum Scooter-Sänger H.P. Baxxter.

In Blankenese gab es kaum Migranten. Dort war ich damals ein Unikat. Trotzdem war die Blankeneser Gesellschaft sozial ziemlich durchmischt. Und aus solchen bunten Gemeinden entstehen die fruchtbarsten Atmosphären – aus ihnen kommen die aufregendsten Sachen. Ich vermisse ein bisschen das Gefühl von Zugehörigkeit, das ich dort fand, freue mich aber gleichzeitig darüber, dass wir im Café Katelbach und im Pavillon ein ähnliches Gemengsel ansprechen konnten.

Ertekin, vielen Dank für das Gespräch … und den leckeren Espresso!
Mehr Information zu Café Katelbach und Pavillon gibt es unter www.katelbach.de

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Credits
Text: Evan Romero-Castillo
Fotos: Privat, Melisa Karakuş

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