Das lexikalische NS-Erbe

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Das ideologische lexikalische Erbe des NS-Regimes ist ein komplexes Thema, das sich bis heute in der deutschen Sprache niederschlägt.

Im Nationalsozialismus wurden verschiedene Strategien verwendet, um Sprache zur Verschleierung, Propaganda oder Abwertung von Personen zu verwenden. So wurden bestehende Worte umgedeutet, mit einer zusätzlichen Bedeutung versehen oder neue Worte gebildet.

Einige Begriffe und Konzepte, die während der Zeit des Nationalsozialismus propagiert, geprägt und verwendet wurden, haben ihren Weg in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden und sind teilweise noch mit ihren ideologischen NS-Konnotationen belastet. Hier führen wir euch einige Beispiele auf.

,,asozial“

Im Dritten Reich wurden Menschen, die nicht der nationalsozialistischen Ideologie, den gewünschten Normen entsprachen oder als ,,unproduktiv“ galten, als ,,asozial“ bezeichnet. Damit diente das Wort der Stigmatisierung und Ausgrenzung. In diese vage und menschenverachtende Kategorie wurden unter anderem Obdachlose, Arbeitslose, Alkoholiker*innen und Sexarbeiter*innen eingeschlossen. Menschen, die als ,,asozial’’ deklariert wurden, wurden oft verfolgt, in Konzentrationslager deportiert und systematisch entrechtet. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleibt der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch erhalten und dient der Stigmatisierung besagter Gruppen.

,,​Sonderbehandlung’’

Das Wort ​,,Sonderbehandlung’’ war ein Tarnbegriff der Nationalsozialisten für Mord. Anfänglich von der SS verwendetet, verbreitete sich dieser Begriff auch in der zivilen Bevölkerung. Die Verwendung des Begriffs als Synonym ist durch Dokumente und Zeugenaussagen belegt. Auch wenn der Begriff heute von den Verbrechen der Nationalsozialisten losgelöst werden kann, wird ,,Sonderbehandlung“​ im alltäglichen Sprachgebrauch schnippisch verwendet, z.B. wenn jemand eine bevorzugte oder spezielle Behandlung erwartet und erhält (im Sinne von ,,eine Extrawurst haben wollen”).

,,Kulturschaffende’’

Der Begriff ,,Kulturschaffende’’ wird aktuell oft verwendet, denn er verspricht auf den ersten Blick Intellektualität und Inklusion. Doch geht auch dieser Begriff auf die Nationalsozialisten zurück, genauer auf die Reichskulturkammer: Sie bezeichneten alle in der Kultur Tätigen als Kulturschaffende. Um in der Kultur tätig sein zu können, musste man jedoch Anhänger*in der ideologischen und rassistischen NS-Werte sein. So wurde eine Gleichschaltung und Entindividualisierung der Kultur angestrebt. 

,,Überfremdung”

Natürlich wurden auch aktuelle politische Schlagwörter im Nationalsozialismus geprägt. So auch der in den letzten Jahren viel diskutierte Begriff ,,Überfremdung“. Schon 1929 stand dieser im Duden. Nationalsozialisten wie Goebbels bezeichneten mit diesem das Eindringen von ,,Nichtdeutschen’’ – speziell Juden und Jüdinnen- in das deutsche Volk. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff und dessen völkischer Bedeutung findet erst seit den 1960er Jahren durch die Studierendenbewegung statt.   

Seit der Gründung der NPD im Jahr 1964 ​und dem allgemeinen Rechtsrutsch, findet der Begriff ,,Überfremdung” wieder Gebrauch. Heute vermehrt auf andere Minderheiten bezogen, doch die rassistische Deutung bleibt erhalten. 

,,Fanatisch, Fanatismus’’

Auch der Begriff ,,Fanatismus” wurde von den Nationalsozialisten ideologisch umgedeutet. Ursprünglich beschrieb der Begriff einen negativ gewerteten Umstand. Unter dem NS-Regime wurde der Begriff in eine positive und strebsame Tugend umgedeutet. Dabei umschrieb dieser eine Treue zum System, Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus.

Aufarbeitung

In der Nachkriegszeit wurde der Gebrauch dieser Begriffe kritisch hinterfragt und teilweise vermieden, um die Kontinuität nationalsozialistischen Gedankenguts in der Sprache zu durchbrechen. Heutzutage werden diese Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch meist nicht mit der Intention verwendet, die nationalsozialistische Deutung zu reproduzieren. Dennoch zeigen sich bis dato Spuren der deutschen Vergangenheit in unserer Sprache. Es bedarf eines bewussten und sensiblen Umgangs, um die ideologischen Implikationen solcher Begriffe zu erkennen und zu reflektieren.

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