Neben Wein, Tabak, Kaffee und Hanf war ein weiteres Genuss- und Rauschmittel im Osmanischen Reich sehr beliebt: Opium.
Es wurde in eigens dafür hergestellten Perlmutt-Schachteln aufbewahrt und sowohl mit Schnupftabak als auch mit anderen süßlich-würzigen Aromen vermengt, um eine zusätzliche genüssliche Note zu erzeugen. Allerdings waren zu jener Zeit die körperlichen und seelischen Langzeitfolgen noch unerforscht.
Die Opium-Stadt im Herzen Anatoliens: Afyon
Opium ist eine Substanz, die für rituelle und medizinische Zwecke seit dem Altertum verwendet wird. Es wird aus dem Harz der Mohnkapsel gewonnen und ist Ausgangssubstanz für das Schmerzmittel Morphin und die Droge Heroin. Vor allem seit dem 16. Jahrhundert wurde diese Substanz in diversen Bereichen eingesetzt und weltweit angebaut. Dabei hat es der Mohn geschafft, in jeder Region in der er angebaut wurde, eine eigene Wirtschaftsstruktur zu entwickeln.
Auch im Osmanischen Reich hat die Mohnzucht von Tag zu Tag an Bedeutung gewonnen, sodass auch der Opiumhandel kontinuierlich zugenommen hat und schließlich zu den wichtigsten Exportgütern des Reiches im 19. Jahrhundert zählte. Dieses gestiegene Interesse manifestierte sich in der Benennung einer anatolischen Stadt nach Opium (türkisch: „Afyon“), die als wichtigstes Opium-Anbaugebiet des Reiches galt.
Auch heute erinnert das Wappen der Stadt Afyonkarahisar an die Namensgebung. Um beruhigende, schmerz- und hustenlindernde Arzneimittelmittel herzustellen, dürfen unter Aufsicht der Vereinten Nationen gegenwärtig noch wenige Länder legal Opium produzieren. Die Türkei zählt aber nach wie vor zu den Top-Opium-Produzenten weltweit.
Zwischen Genuss und Sucht
Zwar galt türkisches Opium als Exportware, aber auch die Nachfrage im eigenen Reich, vor allem in Istanbul, war sehr hoch. Die Opiumpaste wurde zu dieser Zeit auch „tiryak“ genannt und die Menschen, die es konsumierten „tiryaki“. Heutzutage wird dieses Wort für verschiedene Genussmittel verwendet, wie zum Beispiel kahve tiryakisi für leidenschaftliche Kaffeetrinker*innen oder sigara tiryakisi für starke Raucher*innen.
Opium wurde vor allem in Istanbul Teil des Palastlebens und des gesellschaftlichen Trubels. Die meisten Kaffeehäuser in Istanbul befanden sich im Stadtteil Eminönü in unmittelbarer Nähe zur Süleymaniye-Moschee. Dort befand sich sogar ein Tiryakiler-Basar. Die weiße Flüssigkeit aus der noch zarten und grünen Mohnkapsel härtet aus, wenn sie auf Luft trifft und verwandelt sich in eine dunkle Paste. Im Tiryakiler-Basar wurde diese Opiumpaste nach verschiedensten Verfahren ausgearbeitet und in Form von aromatischen Pasten, Pillen oder Sirups genüsslich gemacht, um sie schließlich an die Kaffeehäuser weiterzuverkaufen – Verkauf und Verzehr waren zu jener Zeit frei und legal.
Der Ursprung moderner Coffeeshops
Die Kaffeehäuser dienten dazu sich zu unterhalten, Spiele wie Schach oder Backgammon zu spielen, Kaffee zu trinken, süße Speisen zu essen und sich bei einem Nargile, also einer Wasserpfeife, zu entspannen. Sie waren täglich bis in die frühen Morgenstunden gefüllt. Außerdem war es üblich, den Kund*innen in jenen Kaffeehäusern vor dem Kaffee eine Tasse Opiumsirup anzubieten.
Diese Häuser waren aufgrund der entspannenden Wirkung des Opiums vor allem Orte der Ruhe, der Stille und des Rückzugs. Große Feierlichkeiten blieben somit aus. Ein wichtigstes Ritual war es nach dem Opiumkonsum entweder einen türkischen Kaffee zu trinken oder eine Süßspeise als gelungenen Abschluss zu verzehren.
Aus diesem Grund führten viele Afyonkeşler (Opiumsüchtige) Kandiszucker mit sich, um ihn direkt nach dem Opiumkonsum zu Gemüte zu führen.
Der Opiumkonsum nahm schließlich immer weitreichendere Ausmaße an und führte dazu, dass im 17. Jahrhundert Sultan Murad IV., dem selbst eine Vorliebe für Opium nachgesagt wurde, den Konsum einschränkte und letztendlich untersagte. Bis heute führt die Türkei die legale Opiumproduktion an – neben nur fünf weiteren Ländern, die die Subtanz legal produzieren dürfen.
Text: Aykut Kaya
Bilder: Wikimedia Commons