Karikatur-Fans kennen die wöchentlich erscheinende Satirezeitschrift Penguen seit ihrer Gründung 2002. Die anderen haben sie während der Gezi-Park Proteste in der Türkei kennengelernt: Ein demonstrierender Pinguin mit einem Blumenstrauß in der Hand wurde zum Symbolbild des Aufstands. Denn am Tag der Proteste wurde statt realer Berichterstattung absurderweise ein Penguin-Dokumentarfilm zensierten Fernsehen ausgestrahlt.
Doch nun ist auch für Penguen so wie für viele andere kritische Blätter, das Ende gekommen. Letzte Woche erklärte Penguen auf seiner Internetseite, dass sie aufgrund des wirtschaftlichen Drucks nur noch vier letzte Hefte herausgeben wird. Hier folgt ein kleiner Einblick in die Geschichte der Karikatur in der Türkei von damals bis heute.
„Hey ihr jungen Leute, Alkohol ist verboten. Kuss, R. Tayyip. Nee, nee das war nur ein Scherz. Küssen ist ab jetzt auch verboten…”
Penguen wurde von einer Gruppe berühmter Karikaturisten der bekannten Satirezeitschrift Leman –Erdil Yasaroglu, Selcuk Erdem, Bahadir Baruter und Metin Üstündag- gegründet. Das Logo der Zeitschrift ist ein Pinguin, das versucht zu fliegen. Das Cover bezieht sich meistens auf ein aktuelles Geschehnis aus Politik und Gesellschaft in der Türkei. Im Heft selbst werden verschiedene soziale- und politische Ereignisse thematisiert; von witzigen Anekdoten bishin zu korrupter Politik ist alles dabei. Penguen übt vor allem Kritik an der Populärkultur, greift absurde Situationen in Paarbeziehungen auf und behandelt internationale Beziehungen der Türkei.
-Komm, mach ein Foto von uns. Damit kannst du einen Preis gewinnen!
-Ich mache nur Naturfotografie.
-Wir sind auch voll naturgeil.
Karikaturen haben eine lange Tradition in der Türkei und man kann ihre Geschichte bis zu den osmanischen Volksbildern 1831 zurückverfolgen.
Die Volksbilder wurden zum ersten Mal in Steindruckereien Istanbuls publiziert. In diesen Bildern sind viele Ähnlichkeiten mit den Karikaturen zu beobachten, wie z.B. skurile Handlungen, surreale Wesen und Tiere. Die erste Karikatur wurde 1867 von der Zeitschrift Ayine-i Vatan veröffentlicht und zwei Jahre später die erste Satirezeitschrift Diyojen 1869 von Teodor Kasap gegründet. Schon in dieser Zeitschrift wurden politische Figuren wie Sultan Abdulhamid und andere brühmte Persönlichkeiten auf die Schippe genommen. Damals wurden diese Karikaturen ganz selbstverständlich täglich in Tageszeitungen abgedruckt.
-Du musst eine Entscheidung treffen, Neo! Rote Paprika oder grüne Paprika?!
– Alter, relax mal. Du bringst aber auch überall Nervenkitzel rein.
Nach der Gründung der türkischen Republik 1923 wurde in der Türkei das erste Comicheft namens Amcabey 1929 herausgegeben. Eine weitere Satirezeitschrift Markopasa wurde zeitgleich von Sabahattin Ali und Aziz Nesin gegründet. Markopasa wurde in kurzer Zeit sehr populär in der Türkei und erfreute sich vorallem aufgrund ihrer oppositionellen Ausrichtung gegen die Einparteeindiktatur großer Beliebtheit in der Bevölkerung. Nach kurzer Zeit erreichte sie eine Auflagenhöhe von 60 000 und erzielte einen Rekordwert in derzeitigen türkischen Presselandschaft. Nach dem Militärputsch in den 1980ern wurde die türkische Presselandschaft stark zensiert, was jedoch Oguz Aral und seine Freunde nicht davon abhielt, die türkische Karikaturzeitschrift Gırgır herauszubringen. Schon Ende der 1980er erreichte Gırgır eine hohe Auflage und war damit die weltweit dritthöchste. Auch die Redaktion von Gırgır musste nun Anfang dieses Jahres aus wirtschaftlichen sowie politischen Gründen schließen.
„Der Karikaturist Musa Kart wurde bestraft, weil er eine Katze mit einem Erdogan ähnlichen Kopf gezeichnet hat.“ 24.02.2005
Die Blume, die der Pinguin in der Hand in der berühmten Gezi-Karikatur hält, ist eine Art Sinnbild des türkischen Humors. Scharfer Verstand und viel Humor ist die Antwort der türkischen demokratischen Jugend gegen die Staatsgewalt in der Türkei. Nach den Gezi-Protesten weitete sich der politische Druck immer mehr auf die Presselandschaft aus. Bis vor kurzem konnte Penguen seine Publikation nur mit Hilfe der treuen Leser weiterführen – und das ohne Werbung, externe Sponsoren oder staatlicher Hilfe. Seit dem versuchten Putsch meiden immer mehr Medienkonzerne regierungskritische Äußerungen: Der Druck für viele Journalisten regimekonform zu schreiben und zu berichten ist extrem gestiegen. Nun kann auch Penguen nicht mehr weitermachen. Insbesondere fehlen der Zeitschrift die finanziellen Mittel, um die Redaktion aufrechtzuerhalten. Viele Karikaturisten arbeiten seit Monaten ehrenamtlich. Und obwohl seit einigen Wochen Kampagnen aus der ganzen Türkei Penguen zu unterstützen versuchen, scheint jegliche Hilfe zu spät zu sein. Die Leser von Penguen können also nur noch hoffen, dass die Karikaturisten von Penguen und Gırgır entweder unter einem anderen Namen oder vielleicht online ihre Arbeit fortführen und den Oppositionellen in der Türkei weiterhin ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
„Türkei, du bist so schön, wenn du dich widersetzt!“ Ausgabe vom 6. Juni 2013
Bilder: Penguen