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Musik & Tanz

Über den Plattenrand hinaus

Zu Gast bei Adem alias Jeff Özdemir von 33rpm

Komponieren, verkaufen, produzieren“ – Adem Mahmutoğlu alias Jeff Özdemir lebt für die Musik. Vor vier Jahren ist er mit seinem Plattenladen 33rpm Records und dem gleichnamigen Label von Bremerhaven nach Berlin gezogen. Wir haben ihn in seiner neuen Kreuzberger Location in der Wrangelstraße besucht.

Wie lautet dein Fazit nach vier Jahren Hauptstadt?

Insgesamt bin ich froh über meine Entscheidung. Was nicht heißen soll, dass ich Hals über Kopf aus Bremerhaven geflohen bin. An meiner Arbeit im Plattenladen hat sich nicht viel geändert. Als Musiker und Produzent bietet mir Berlin mit seiner großen Künstlerszene natürlich mehr Möglichkeiten. Dafür läuft hier aber auch vieles unverbindlicher ab. Das kann manchmal nervig sein.

 

Gibt es etwas, das du an dieser Stadt verändern möchtest?

Vor allem in Kreuzberg wünsche ich mir manchmal etwas mehr Klischeebewusstsein. Viele hier versuchen einen bestimmten Lifestyle zu imitieren. Das geht vom Erscheinungsbild über das Verhalten bis hin zur Geisteshaltung. Die soll alternativ sein, entspricht aber letztlich dem Prinzip Schafherde. Es ist erstaunlich, dass Menschen trotz ihres Wissens und ihrer Intelligenz immer wieder in diese Falle tappen – auch ich. Mir fehlt da eine gewisse Natürlichkeit, eine echte Entspanntheit.

Wie viele Platten gibt es hier?

Im Vergleich zu den großen Läden habe ich relativ wenige – so soll es aber auch sein. Quantität ist für mich nicht das Entscheidende. Es ist nicht schwer, in kurzer Zeit einen großen Stock aufzubauen, das geht über Second-Hand auch mit einem relativ kleinen Budget. Leider sind die meisten Läden heute einfach nur vollgepackt. Da ist es für den Kunden schwer, etwas zu finden, was wirklich zu ihm passt. Bei mir ist das Sortiment vorgefiltert. Wer hier herkommt, wühlt sich durch vielleicht hundert Platten, hört in zwanzig rein und zieht vier echt super Dinger raus. Das entspricht eher meiner Vorstellung, als die Leute in einem Meer von Zeugs zu ersäufen.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

Was muss Musik haben, um in dein Sortiment aufgenommen zu werden?

Das ist schwer in Worte zu fassen. Es geht mir nicht darum, Woche für Woche das Allerneuste anzubieten. Ich versuche eher ein paar Highlights herauszufiltern und preise diese gerne auch über einen längeren Zeitraum an. Bei elektronischer Musik ist mir wichtig, dass sie eine gewisse Tiefe hat. Ich weiß aber, dass das ein sehr subjektives Kriterium ist. Ansonsten reicht mein Sortiment von Jazz über Soul und Indie bis zu Rock und Punkrock.

Was für Kunden kommen zu dir? Gibt es einen Unterschied zu Bremerhaven?

Das ist eine ganz bunte Mischung. Viele kommen, weil sie das Gefühl haben, dass man hier gut beraten werden kann. Neben den Platten-Nerds sind das auch Leute, die einfach die Atmosphäre aufsaugen wollen, oder Touristen, die in ihrem Leben vielleicht noch nie in einem echten Plattenladen gestanden haben. Im Vergleich zu früher kommen vermutlich ein bis zwei Hipster mehr im Jahr.

 

Was war die erste Platte, die du dir damals besorgt hast?

Abgesehen von einem Chart Sampler, den ich mir Anfang der Achtziger gekauft habe, war das die Single Fade to Grey von Visage. Die hat mich als Kind sehr bewegt.

Du verkaufst nicht nur, du machst auch selbst Musik.

Genau. Musik machen, verkaufen und produzieren – so kann man es zusammenfassen. Angefangen habe ich mit Schlagzeug und Bontempi Orgel, da war ich ungefähr zehn Jahre alt. Später kamen noch eine Reihe anderer Instrumente hinzu. Als ich den Plattenladen übernommen habe, war ich schon ein erfahrener Musiker und habe in Bands und verschiedenen kleinen Projekten gespielt.

Und was sind deine aktuellen Projekte?

Momentan arbeite ich an meinem Solo-Projekt Jeff Özdemir. Die geplante Doppel-LP, Jeff Özdemir & Friends, soll aus Stücken bestehen, in denen ich mit anderen Musikern, mit denen ich irgendwann zu tun hatte, zusammenspiele. Das kann eine ganze Band sein oder auch nur ein begleitendes Klavier. Natürlich wird es von dem einen oder anderen Titel auch eine elektronische Version geben.
Das Ganze soll aber nur der Anfang einer Jeff Özdemir & Friends-Reihe sein. Ich habe da noch einiges vor.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

Nach dem Interview stellt uns Adem noch fünf seiner Lieblingsplatten vor.

 renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

Das hier ist der Soundtrack zu Cornbread, Earl & Me, ein Blaxploitation-Film aus den 70er Jahren. Vor einiger Zeit habe ich ein Quentin Tarantino Interview gehört, in dem er sagt, dies sei sein absoluter Lieblingsfilm. Wenn man auf Fender Rhodes und E-Piano, „deepe“ Hip-Hop-Samples und tragische Filmmusik mit Streichern steht, dann ist das der absolute Hammer. Eigentlich könnte man das als eine Art Fusion Funk bezeichnen, aber halt total melodramatisch und groovy.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

Wise Words for Elmore Bubbles von Felix Gebhardt ist eine LP, die auf unserem Label 33rpm Records erschienen ist. Die Platte hat eine Auflage von nur 200 handnummerierten Exemplaren. Darauf ist ein knapp 28-minütiges Stück auf zwei Seiten verteilt. Felix war ja eigentlich der Frontmann von Home of the Lame, hier singt er aber nur an einigen wenigen Stellen. Der Track ist recht bunt, mal hat er etwas „Folkiges“, Weites, fast Melancholisches, an anderen Stellen erinnert er an Wish you were here von Pink Floyd. Dann gibt es auch »noisige« Parts, die für mich ein bisschen so klingen wie Sonic Youth. Insgesamt eine super Platte. Wird besser, je öfter man sie hört.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

Archie Shepp, einer der Jünger von John Coltrane. Faszinierender Saxophonist, der auch viele Jahre als Musikdozent an der Uni gelehrt hat. Auf der Platte ist dieses eine Stück, ohne das ich nicht weiterleben möchte: Blues for Brother George Jackson. Shepps Werk lässt sich der afro-amerikanischen Emanzipationsbewegung zuordnen. So passt die Platte auch wieder zu dem Soundtrack von Cornbread, Earl & Me – ein Film, in dem es ja auch um Rassismus geht. Die Musikrichtung könnte man am ehesten als Spiritual Jazz bezeichnen. Groovige, repetitive Bassläufe, dazu auch immer wieder Rezitationen von Gedichten. Aber bevor ich jetzt zu theoretisch werde, nur so viel: Es klingt extrem geil.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

Circle Jerks, 1980, Kalifornien. Ein Punk-Rock-Klassiker. Mit dabei: Keith Morris, ehemaliger Sänger von Black Flag. Falls ihr reinhören wollt, hört euch Operation an. Darin geht er zu einem Rabbi und will sich von ihm die Eier abklemmen lassen, um keine Kinder mehr in diese beschissene Welt setzen zu können. Ich denke, damit ist alles gesagt. Geile Platte, extrem direkt und gnadenlos schnell.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

HD von Atom-TM ist eine ziemlich aktuelle Platte, rausgekommen bei Ostgut Ton, dem Berghain-Label. Monotoner, warm klingender, analoger, stumpfer Techno.

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

An der Platte habe ich selber mitgearbeitet. Der Sampler heißt Ferien im Innenhof. Vier Leute aus vier verschiedenen Städten. Musikalisch ist es vielleicht so ein bisschen Elektronica, Dub Step. Das Jeff-Özdemir-Stück fällt musikalisch etwas aus dem Rahmen. Im Großen und Ganzen sind es aber alles tiefgründige und reflektierte Stücke.

Credits
Text: Francis Laugstien

Homepage: www.33rpm.de , SoundCloud

renk. Magazin Interview / zu Gast bei Adem Mahmutoğlu

 

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