Super Marmita ist ein alle paar Wochen stattfindendes Pop-Up Dinner in Berlin-Neukölln. Einflüsse aus der türkischen und japanischen Küche ergänzen sich dabei und werden in indischen Tiffins und mit Stäbchen serviert. Hinter dieser Kombination steckt Gourmet Tolga von Klein, der uns mehr erzählt hat über Marmitas, seine Verbindung zu Japan und makrobiotische Ernährung.
Zur Begrüßung serviert uns Tolga einen Çay und erzählt im nächsten Moment, wo in Berlin der türkische Tee am besten schmecke. Sonnenstrahlen dringen durch die Jalousien seiner Neuköllner Wohnung und am langen Esstisch kommen wir ins Gespräch. Schnell wird klar, dass sich bei ihm viel ums Kochen, Essen und überhaupt alles Kulinarische dreht. Als Leiter von Kochkursen, Rezeptentwickler oder durch Projekte wie Super Marmita lebt er seine Berufung aus. In Karlsruhe aufgewachsen, zog es ihn im Alter von 21 Jahren nach New York, um dort an einer veganen Kochschule seine Ausbildung zu absolvieren. Dabei ließ ihn seine Mutter als Heranwachsenden nicht mal die Küche betreten, was er mit einem Augenzwinkern als das Trauma bezeichnet, das ihn zum Kochen führte. Dennoch ist die türkische Küche seiner Mutter ein prägender Einfluss. Ohne jemals Indien bereist zu haben, lässt er sich auch von der indischen Küche stark inspirieren.
Aus der Bücherwand holt er ein Buch zur Einführung in die makrobiotische Ernährungsweise: »Das wurde in New York zu meiner Bibel«, erklärt er. Zeitweise ernährte sich Tolga makrobiotisch und vegan, was ihm auf Dauer aber zu einschränkend war – heute isst er wieder alles. Während der Ausbildung wurde sein Interesse für die Kultur und Küche Japans geweckt, deren Elemente sich auch in seiner Küche wiederfinden lassen: »Mir gefällt die Art und Ästhetik in Japan und das ganz simple Sachen oft zelebriert werden.«
Marmita, Sefer Tası oder Tiffin
Eben dieses Zelebrieren von Dingen, insbesondere dem Essen, ist eine der Ideen hinter seinem aktuellen Projekt. Super Marmita ist ein alle paar Wochen stattfindendes Pop-up Dinner im japanisch-geprägten Café Two and Two in Berlin-Neukölln. Marmita? Was auch japanisch klingen könnte, kommt eigentlich aus Portugal und bezeichnet dort allgegenwärtige, tragbare Essensbehälter. In der Türkei sind sie zuweilen noch als Sefer Tası bekannt, in Indien als Tiffin. Für ihn war es spannend, dass Essen an vielen Orten auf die gleiche Weise transportiert und serviert wird. »Da auch das Japanische ein Teil meines Kochens ist, aber mein kultureller Hintergrund türkisch, wollte ich ein Menü machen, das beide Sachen miteinander vereint.«
Der Gedanke war, die beiden Küchen zu verbinden, »ohne sie total zu verdrehen und eine sinnlose Fusion daraus zu machen.« Auf mehreren Essenstouren mit Japanern in Istanbul stellte er einige Gemeinsamkeiten zur türkischen Küche fest. Das bekannte Balık Ekmek vom Bosporus, eine Art Fischbrötchen, ist demzufolge in ähnlicher Form auch etwas typisch Japanisches. Während Tolga von Klein mit seinem portugiesischen Partner in einem japanischen Restaurant in Lissabon saß, feilten die beiden am Konzept der Dinnerreihe.
Das Resultat für die Gäste beinhaltet teilweise zeitaufwändige Kreationen wie »gefüllte teriyakiesque Aubergine mit schwarzem orientalisierten Reis«. Aber auch simpleres findet sich im Menü, wie japanische Maki, die statt mit Algen mit türkischen Weinblättern zubereitet werden. Serviert wird alles in indischen Tiffins; gegessen wird mit Stäbchen. Zum Abschluss des Menüs wird in Trinkschalen Sake gereicht.
Da er lieber gemeinsam mit Menschen kocht und dabei gerne erzählt, wusste Tolga früh, dass er kein Restaurantkoch werden wollte. Auch Super Marmita findet daher nur in unregelmäßigen Abständen mit wechselndem und zeitweise auch veganem Menü statt.
Kochen als kreativer Prozess
Beim Pop-Up-Dinner sind einige der Gerichte nach makrobiotischen Prinzipien zubereitet, weswegen auch die Ästhetik des Essens immer eine große Rolle spielt. Der Makrobiotik zufolge kann selbst die Schnittweise der Zutaten den Geschmack unterschiedlich beeinflussen, erwähnt Tolga, während er durch das Buch blättert. Augenscheinlich genießt er den kreativen Aspekt beim Umgang mit Lebensmitteln. In der Art des Anrichtens in der Türkei entdeckte er mit der Zeit ornamentale Elemente, die das Essen zu etwas Besonderem machen. Interessanterweise stellte er während seiner veganen Kochausbildung fest, dass er nicht auf Fleisch verzichten möchte. Dennoch sei für ihn veganes Kochen viel architektonischer und die Herausforderung etwas Spannendes zu kreieren umso größer. Gerne spielt er zudem mit den in Deutschland herrschenden Klischees der türkischen Küche und erhofft sich durch die Kochkurse und Dinner damit aufzuräumen.
„Wenn ich nicht koche, fühle ich mich nicht normal“
Bei einem letzten Glas Çay zeigt uns der Koch seine Testküche. Von der Wand hängt eine Kette getrockneter Paprikas, wie man sie aus der Türkei kennt. An diesem Ort experimentiert er mit neuen Rezepten und auch seine Kochkurse finden hier statt. Er zeigt uns das Ingwerbier, das er für das anstehende Dinner selbst braut. Wir schweifen ab, merken, dass wir uns noch stundenlang über verschiedene Arten von Essenskulturen und Ernährungsweisen unterhalten könnten. Essen ist ein unerschöpfliches Thema. »Ich habe gemerkt, dass ich mich nicht normal fühle, wenn ich nicht koche«, bemerkt er und enthüllt damit vielleicht die wichtigste Zutat seiner Küche: die Liebe zum Essen.
Credits:
Text: Tarık Kemper
Fotos: Michael Kuchinke-Hofer