Vererbte Traumata

Wie von Generation zu Generation die Psyche gefordert wird

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Psychische Erkrankungen belegten 2021 Platz 2 für die Gründe von Arbeitsunfähigkeit und die Tendenz sieht derzeit nicht positiv aus.

Content Warning: psychische Erkrankungen!

Die Behandlung psychischer Erkrankungen ist in Deutschland derzeit eher “westlich” geprägt, die sogenannte “transkulturelle Psychiatrie” – also die Implementation des Einfluss kultureller Unterschiede ist jedoch im Kommen (vgl. Transkulturelle Psychiatrie von Klosinski et al. 2022). Doch was ist, wenn psychische Erkrankungen tiefergehende Ursachen auf molekularer Ebene haben? Mit dieser Thematik beschäftigt sich die Epigenetik in der Psychiatrie, deren Bedeutung im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

Was sind Traumata? 

Der Begriff “Trauma” ist relativ weit gefasst, doch in diesem Kontext sind Traumata als belastende Erfahrungen, die tiefgreifende und anhaltende psychische Auswirkungen haben können, zu verstehen. Sie können durch verschiedene Ereignisse wie Gewalt, Missbrauch oder Unfälle ausgelöst werden und können zu Symptomen wie Angstzuständen, Depressionen und PTSD führen. Insbesondere Kriegsgeflüchtete sind von Traumata betroffen.

Was ist Epigenetik?

Epigenetik bezieht sich auf Veränderungen in der Genaktivität, die nicht durch Veränderungen in der eigentlichen DNA verursacht werden. Stattdessen beeinflussen chemische Markierungen, die auf oder um die DNA herum angebracht werden, welche Gene in welcher Intensität aktiv/inaktiv sind .

Diese epigenetischen Markierungen können durch Umweltfaktoren wie Ernährung, Stress und Toxine beeinflusst werden. Lange dachte man, dass diese nicht weitervererbt werden können, doch neuere Forschungen zeigen, dass diese von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden können.

Beispiel Holocaust

2013 wurde festgestellt, dass Albträume von Holocaust-Überlebenden an ihre Kinder weitergegeben werden. Anfangs stand die Erziehung im Fokus der Wissenschaftler, doch nun rückten epigenetische Veränderungen am Erbgut  in den Vordergrund.  

Studien haben gezeigt, dass Holocaust-Überlebende und ihre Kinder epigenetische Veränderungen aufweisen, die möglicherweise mit psychischen Störungen wie Depressionen, Angstzuständen und PTSD zusammenhängen. 

Die Überlebenden und ihre Kinder zeigen Veränderungen in der Methylierung von Genen, die mit Stressreaktionen und Regulierung von Emotionen in Verbindung stehen. Dies könnte ein Mechanismus sein, durch den traumatische Erfahrungen wie die des Holocausts in der Nachkommen Population weitergegeben werden können. Im Blickpunkt stehen mit Stressreaktionen assoziierte Rezeptoren und Signalkaskaden, die je nach Ansatz aktiviert oder deaktiviert werden.

Vom Dêrsim-Massaker bis nach Singal

Studien von Bermejo et al. (2010) haben gezeigt, dass Migrant:innen signifikant höheren Wahrscheinlichkeiten ausgesetzt sind, an psychischen Erkrankungen zu leiden. Dies ist mit Hinblick z.B. auf die in Deutschland vertretenen Communities der Alevit:innen und Êzid:innenen sehr relevant, denn: 

Mittlerweile zeigten neuere Studien, dass Alevit:innen über drei Generationen – und das sogar ohne direkten regionalen Bezug zu z.B. der Region Dêrsim – hinweg immense Gefühle von Schuld und Distress empfunden haben. 

Eine Studie zeigt Ergebnisse, die verdeutlichen, dass First-Generation-Betroffene Êzid*innen starke Anzeichen von o.g. Symptome aufweisen, aber auch Vergleichsgruppen in der Region ähnliche Resultate liefern.

Die Nennung von Beispielen bzw. Hinweisen auf generationsübergreifende Traumata ist lang: Auch im Blick zu behalten, sind Themenfelder um Sprache, Identität und Kultur – diese sind in o.g. Minderheiten oft verdeckt und mit Angst ausgelebt worden bzw. werden ausgelebt, was zu einer Assoziierung der eigenen Identität mit Angstgefühlen führen kann.

Das Thema “Epigenetik” und der Einfluss dieser auf Traumata sollten also definitiv weiter erforscht werden!. Epigenetik ist wichtig für die Entwicklung und Regulierung von Organismen und spielt eine Rolle nicht nur bei der Entstehung von Krankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern eben auch bei psychischen Störungen. Und gerade da hat der epigenetische Einfluss hat eine stärkere Rolle als man bisher dachte.

Text: Ahmet Bekisoglu

Quellen:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/250820/umfrage/hauptkrankheitsarten-fuer-arbeitsunfaehigkeit-in-deutschland/

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Fitz-James MH, Cavalli G. Molecular mechanisms of transgenerational epigenetic inheritance. Nat Rev Genet. 2022 Jun;23(6):325-341. doi: 10.1038/s41576-021-00438-5. Epub 2022 Jan 4. PMID: 34983971.


Burton NO, Greer EL. Multigenerational epigenetic inheritance: Transmitting information across generations. Semin Cell Dev Biol. 2022 Jul;127:121-132. doi: 10.1016/j.semcdb.2021.08.006. Epub 2021 Aug 21. PMID: 34426067; PMCID: PMC8858334.


Kellermann NP. Epigenetic transmission of Holocaust trauma: can nightmares be inherited? Isr J Psychiatry Relat Sci. 2013;50(1):33-9. PMID: 24029109.


Yehuda, R., Daskalakis, N. P., Bierer, L. M., Bader, H. N., Klengel, T., Holsboer, F., & Binder, E. B. (2016). Holocaust exposure induced intergenerational effects on FKBP5 methylation. Biological psychiatry, 80(5), 372-380

 

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