Wir haben einen „Für den Fall, dass – Koffer“. Darin befinden sich unsere Reise-, und Impfpässe. Etwas Bargeld, Medizin, ein Fotoalbum, eine Liste mit Kontakten im Aus- und Inland. Und unser Testament. Für den Fall, dass wir schnell das Land verlassen müssen. Wir haben diesen Koffer schon länger. Im Alltag streife ich manchmal dran vorbei. Manchmal vergesse ich, dass er da ist.
Gestern hat die rechtsextreme Partei AfD die erste Landratswahl in Deutschland gewonnen.
Die taz schreibt: „Die AfD in Thüringen ist … die Speerspitze der völkischen Strömung in der Partei.” Ja, es gibt viele Landräte. Ja, Sonneberg mag nicht repräsentativ für Deutschland stehen. Und dennoch: Der Sieg einer rechtsextremen Partei – egal wo in Deutschland – hat mit einer gesamt gesellschaftlich Hetze gegen vermeintlichen „Linksradikalismus“ zu tun, mit einer medial geschürten Wut gegen „Wokeness“, gepushten Angst vor „Identitätspolitik“ und einer generellen Ermüdung rund um das Thema Rassismus.
Diese Ermüdung finden wir bei den Linken ebenso, wie in der Mitte der Gesellschaft.
Es ist verdammt nochmal nicht alles besser. Es ist verdammt nochmal nicht genug mit „dem Thema“. Es ist verdammt nochmal nicht nur „authentisch/berührend“, wenn wir von „unserem Thema“ erzählen. Es ist brenzlig und prekär. Es ist strategisch und absehbar. Es ist nicht der Anfang, sondern wir sind mittendrin. Und es ist nicht fünf vor sondern mindestens zwanzig nach zwölf. Und: Es ist unfassbar gefährlich und irre Angst einflößend.
Mein erster heute Impuls war, unseren „Koffer“ zu checken. Ich habe den Post von @quattromilf (Jasmina Kuhnke) so gefühlt.
Ich war schon einmal staatenlos, heimatlos und mittellos…
Sollte die AfD an die Macht kommen werde ich meine Familie nehmen und gehen, ohne mich umzusehen.
Ich stehe das auch ein zweites Mal durch, denn eines war ich nie: Würdelos!
— Jasmina Kuhnke (@ebonyplusirony) 25. Juni 2023
Ich habe keine Mut machenden Worte heute. Ich habe Angst. Ich werde meine Kinder umarmen und mit ihnen „Resilienz“ von @celinabostic im Loop hören, in der Hoffnung dass die Angst nicht lähmt, sondern antreibt. Weiter zu gehen, weiter zu kämpfen.
Unterstützt die, die in Thüringen vor Ort wichtige antirassistische Arbeit leisten (siehe @katharinakoenig ) . Lest die Bücher, macht die Arbeit, im Kleinen, im Großen. Checkt in bei den BIPOC um Euch herum. Bewegt Euch, unterbrecht das Schweigen. Seid laut. Fangt an. hört nicht auf.
Diesen Text hat Tupoka Ogette unter einem Instagram Posting veröffentlicht, nachdem die AfD die Landratswahl in Thüringen gewonnen hat.
Titelbild: © Alina Schessler