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Essen & Trinken

Wie gesund ist die türkische Küche?

Ernährungsexperte Chang-Hun Chung prüft die türkische Küche

Döner im Sandwich, gegrillte Fleischgerichte und fettige, bootsförmige Pizzen –das sind die gängigen Assoziationen in Deutschland, wenn es um die türkische Küche geht. Hierbei handelt es sich oftmals um türkische Street-Food-Gerichte. Sie sind für eine gesunde Ernährung nicht immer geeignet. Dabei ist die türkische Küche weitaus breitgefächerter. Sie kann sich, wie es auch bspw. für die chinesische Küche üblich ist, regional stark unterscheiden. Frühstück in Diyarbakır, einer Stadt in der südostanatolischen Region der Türkei, bedeutet gekochtes Lammfleisch oder Rindfleisch, das kleingehackt mit Eiern gebraten wird und zum Überwintern in Butter verpackt wird. In Bigadiç, einem kleinen Ort nördlichder Stadt Balıkesir in der Region Marmara, werden zum Frühstück flüssiges Tomaten-und Peperonimark gebraten und das Brot häppchenweise eingetaucht. Insofern hat die türkeistämmige Community in Deutschland eine Mélange aus diversen Essgewohnheiten der verschiedenen Regionen der Türkei mitgebracht.

Wir haben die typischen Eigenarten aus den verschiedenen Regionen der Türkei durch den Ernährungsexperten und Fitnesscoach Chang-Hun Chung auf ihre Ernährungsplan-Eignung prüfen lassen. Durch seinen türkeistämmigen Freundeskreis ist ihm die türkische Küche nicht fremd. Sein Lieblingsdessert ist übrigens Halka Tatlısı, ein beliebtes Dessert, das in jeder Region der Türkei zu finden ist, auch wenn sich hier wiederum die Bezeichnungen regional unterscheiden können. Halka Tatlısı ist aufgrund seines massiven Sorbet-Gehaltes nicht das optimale Dessert für eine gesunde Ernährung. Eine bessere Alternative ist Kabak Tatlısı, ein traditionelles Kürbis-Dessert, welches bei der Herstellung nicht großartig verarbeitet wird.

 

Wer ist Chang-Hun Chung?

Geboren in Köln, aufgewachsen in Seoul und zum Ernährungsexperten hochgearbeitet in Essen, vereint Chang-Hun moralische Werte aus dem Rheinland, Südkorea und dem Ruhrgebiet: Offenheit, Ehrgeiz, Fleiß und Bodenständigkeit beschreiben den Essener Ernährungsexperten zutreffend. Hauptberuflich ist er Produktmanager im Gesundheitswesen, nebenbei arbeitet er als Personal Trainer in verschiedenen Studios, ist Trainer an vielen Unternehmen für betriebliches Gesundheitsmanagement und studiert derzeit Sportwissenschaft. Unter seinen zahlreichen Auszeichnungen für die Man’s Physique Class, hat er 5 für den ersten Platz ergattert, z.B. beim Venice Muscle Beach Contest in Los Angeles. Über seinen Podcast „Physiques Unlimited Podcast“ auf Spotify erhält man Einsichten in die Karrieren verschiedener Menschen aus einem ähnlichen Berufszweig.

Was sind deine Top 5 Ernährungsangewohnheiten?

 Angewohnheit 1

»Ich habe immer im Kopf, was ich an einem Tag esse. Ich bemerke bei vielen Menschen, dass sie nicht darauf achten. Sie essen, was da ist. Wenn man z.B. in der Vorlesung sitzt und zufällig Halley Kekse dabei hat, dann isst man vielleicht einfach mal diese Schokokekse. Oder wenn Kommiliton*innen sagen ‚Hey, heute gehen wir mal Döner essen‘, dann geht man automatisch einfach mal mit. Oder wenn man im Büro arbeitet und Kolleg*innen selbstgebackenen Kuchen mitgebracht haben, dann isst man auch einfach mit. Solche Angewohnheiten werden automatisiert im Alltag. Ich halte diese Dinge sehr, sehr bewusst im Hinterkopf: Wenn ich heute Pide essen gehen würde, dann würde ich auf jeden Fall einkalkulieren, dass ich die Kalorien hierfür schon drinnen habe, d.h. die restlichen Kalorien muss ich definitiv herunterschrauben.«

Angewohnheit 2

»Ich achte immer darauf, was ich esse. Das ist mit dem Ersten verknüpft, aber unterscheidet sich darin, dass ich bspw. genau weiß, wieviel Eiweiß, Kohlenhydrate oder Fette ich zu mir genommen habe. Wenn ich Kaşarlı Pide (tk. bootsförmige Käsepizza) ohne alles gegessen habe, dann weiß ich ganz genau, dass ich sehr viele Fette und Kohlenhydrate zu mir genommen habe und nur einen geringen Anteil an Proteinen durch den Käse. Aber das sind lange nicht die Proteine, die ich zu mir nehmen muss, wenn ich mich sehr gesund ernähren möchte. Das nennt man die Makronährstoffverteilung

Angewohnheit 3

»Es gibt Menschen, die nicht regelmäßig essen können, z.B. wenn sie einen harten Arbeitstag hatten, bei denen sie 12-13 Stunden durchgearbeitet haben. Da kann man schon mal vergessen zu essen oder zu trinken. Wenn sie dann essen, ist es meistens etwas, was schnell gehen muss, etwa in Form von Fast Food. Meine Angewohnheit ist daher, meine Essenszeiten zu kontrollieren; Wann habe ich das letzte Mal gegessen? Wann verzichte ich am besten darauf? Der Zeitfaktor ist sehr wichtig für mich. Wenn du am Mittag Pomm-Döner isst, dann wirst du am Nachmittag eine sehr, sehr schlechte Arbeitsleistung liefern. Das ist bei den meisten Menschen so, wegen des Insulinpegels, der hoch und runter geht.«

Angewohnheit 4

»Ab hier gehen wir in den sporttechnischeren Bereich über und werden detaillierter. Wie viele Vitamine habe ich zu mir genommen? Das ist sehr sehr wichtig. Dabei geht es um die Mikronährstoffverteilung, d.h. ich frage mich, ob ich heute genug Obst und Gemüse gegessen habe. Wenn ich über den Tag hinweg nur Pide und Bebeto Gummibärchen gegessen habe, habe ich viele ‚leere‘ Kalorien, wie sie in den USA bezeichnet werden, zu mir genommen. Das sind Kalorien, die keine richtigen Vitamine liefern. Der Körper braucht Vitamine, um gut zu funktionieren.«

Angewohnheit 5

»Viele Menschen vergessen einfach, viel oder überhaupt genug zu trinken. Es gibt Leute, die mit einem Timer arbeiten, der sie alle zwei Stunden daran erinnert, zu trinken, um einfach eine Flüssigkeitsmenge aufzunehmen in Form von Tee oder Wasser. Natürlich sollte man nicht so oft auf zuckerhaltige Getränke wie etwa Gazoz zurückgreifen, weil diese wiederum zu viele Kalorien enthalten.«

Ayran Aşı Suppe: Kalte, vegetarische Sommersuppe aus der Stadt Erzurum. Foto: Alp Aksoy

Der Joghurt-Fetisch

»Joghurt finde ich super. Joghurt besitzt gewisse Proteine, die eine hohe biologische Wertigkeit haben. Das sind Proteine, die sehr gut vom Körper verwendet werden können. Die biologische Wertigkeit ist ein Index. Je höher dieser ist, umso besser kann der Körper diese Proteine in Eigenproteine umsetzen und somit besser verwerten. Bei Milchprodukten ist die biologische Wertigkeit viel höher als es bei Proteinen von pflanzlichen Quellen der Fall ist. Dabei geht es hierbei um natürlichen Joghurt. Joghurt mit Zucker sollte man natürlich vermeiden. Bei Lactoseintoleranz sollte man sich allerdings auch von Joghurt fernhalten. Magenprobleme deuten darauf hin, dass man etwas nicht verdauen kann und dass es nicht gut für den Körper und somit auch nicht für eine gesunde Ernährungsweise ist. Lactosefreier Joghurt besitzt aber ein vorteilhaftes Ernährungsprofil, denn hier sind sehr viele Probiotika vorhanden. Probiotika sind gut für den Magen, die Verdauung bzw. die Darmgesundheit. Alles, was fermentiert ist, kann gut auf den Magen wirken.«

  • Tarhana Suppe ist fermentiert und enthält Joghurt. Allerdings ist ihr Mehlanteil bedenklich. Joghurt wird auch für zahlreiche warme Gerichte verwendet, wie z.B. für Ayran Aşı Suppe und Ali Nazik Kebap.

 

Der Hype um Olivenöl

»Olivenöl ist grundsätzlich sehr gesund. Die Aufteilung zwischen gesättigten Fettsäuren und mehrfach gesättigten Fettsäuren ist ausgeglichen. Das bedeutet, dass das Fettsäureprofil des Olivenöls vorteilhaft ist. Hier muss man auf die verschiedenen Qualitätsstufen achten. Olivenöl sollte kaltgepresst sein, am besten nativ und extra. So natürlich wie möglich. Dann hat man die Mineralien und Vitamine, die man von Oliven erwartet. Alles, was zu stark verarbeitet wird, wie z.B. raffiniertes Olivenöl, sind leere Kalorien. Allerdings sollte die gesamte Fettmenge, die man zu sich nimmt, nicht ausschließlich nur aus Olivenöl bestehen, sondern aus verschiedenen, gesunden Fetten. Dazu gehört Omega-3, welches in fettigem Fisch, wie beim Lachs oder der Sprotte, enthalten ist. Auch Nüsse, wie Mandeln, Paranüsse oder Pistazien, stellen eine alternative Ölquelle dar. In Kombination mit Olivenöl bieten diese eine sehr gute Fettsäure-Verteilung für den Körper.«

  • Olivenöl hat einen Eigengeschmack, der mit den Gerichten İç Bakla (vegan), Taze Bamya (vegan) sowie Kapuska harmoniert

 

Unter dem Meer

»Wenn Fischgerichte und Meeresfrüchte frittiert werden im Teigmantel, um sie schmackhafter zu machen, dann wird es wieder problematisch. Das ist viel zu viel Fett. Allein wenn man zwei Portionen isst, dann ist man bei einem normal funktionierenden Mann schon deutlich über dem Durchschnitt. Der Kalorienbedarf ist natürlich individuell und kann nicht verallgemeinert werden, aber grundsätzlich werden frittierte Gerichte im Mehlmantel unterschätzt. Durch das Frittieren gehen manche Vitamine einfach verloren. Aber Fisch und Meeresfrüchte an sich sind eine gute Geschichte. Hier hat man viele Omega-3-Fettsäuren und sehr viele Proteine, die eine gute biologische Wertigkeit haben.«

  • Die Redaktion empfiehlt Ahtapotlu Akkız, Kalamar Dolma und Palamut Turşu. Diese werden gerne an Rakı-Abenden der Ägäisküste verzehrt.

Muskelfleisch & Innereien

»Es kommt darauf an, welches Fleisch. Das herkömmliche Dönerfleisch enthält viele Geschmacksverstärker. Schaut man sich die Zutatenliste an, wird man erkennen, dass viele andere Dinge neben dem Fleisch enthalten sind. Der Fleischanteil liegt dabei gerade mal bei 40-70%. Alles andere ist ein Gemisch aus Sojamehl, Weizenmehl, Zucker, sehr viel Salz, usw., die den Geschmack von Fleisch vortäuschen. Gegrilltes ist ziemlich gut. Es kommt natürlich darauf an, wie das Grillfleisch gewürzt ist. Aber ich denke, dass traditionell nicht mit chemischen Gewürzen oder Geschmacksverstärkern gearbeitet wird. In Kombination mit Gemüse sollte dies daher eine gesunde Ernährung darstellen. Bei Hackfleisch wird sehr viel mit Fett gearbeitet. Es ist nicht immer hochwertiges Fleisch. Hackfleisch ist unglaublich fettig und das bedeutet wiederum, dass es extrem kalorienreich ist. Innereien zu essen, ist moralisch eine gute Sache, denn wenn man schon ein Tier tötet, sollte man wenigstens alles verarbeiten, was man verarbeiten kann. Innereien liefern ernährungstechnisch betrachtet viele gute Vitamine, die Muskelfleisch nicht liefert.«

  • Boyun Haşlama, Etli Lahana Sarma und İşkembe Suppe sind Beispiele für gesunde Fleischgerichte.

Die Gemüsevielfalt

»In der türkischen Küche kommt Fleisch oft mit Gemüse. An Gemüse gibt es nichts auszusetzen. Je vielfältiger die Auswahl des Gemüses ist, desto besser deckt man die Vielseitigkeit der Vitaminzufuhr ab. Das ist wichtig. Allerdings ist mir auch bekannt, dass Gemüsegerichte in der Türkei oft auch in Fett gebadet werden. Das wäre dann natürlich nicht zielführend. Gemüse ist grundsätzlich sehr gut, aber wenn man es so verarbeitet, dass es zu viele Kalorien aufweist, dann ist es auch wieder nicht gut. Salça (tk. Tomaten- oder Peperonimark ) ist in Ordnung, solange es ein reiner Mark ist. Ich weiß, dass sehr viele Pasten mittlerweile mit Zucker, Glucosesyrup oder anderen Geschmacksverstärkern verarbeitet werden. Je nach Herstellungsprozess kann es daher gut oder schlecht sein.«

  • Unter den zahlreichen Gemüsegerichten können z.B. Madımak Yemeği (vegan), Enginar Yemeği (vegan), Karalahana Yemeği (vegan) sowie Gaziantep Yuvalama genannt werden.

Etli Lahana Dolmasi: Weißkohl bzw. Blattkohl-Roulade aus Trabzon, wahlweise vegan oder mit Fleisch. Foto: Alp Aksoy

Die Reiskultur

»Reis ist grundsätzlich eine gute Sache. Aber verarbeitet man Reis mit Butter plus Salz plus Şehriye (tk. Filini Nudeln), dann sorgt das dafür, dass der Insulinspiegel extrem erhöht wird. Was passiert, wenn der Insulinspiegel schnell hochgeht? Der fällt entsprechend schnell wieder runter, d.h. hier gibt es starke Insulinschwankungen. Das führt dazu, dass man über den Tag Heißhunger bekommt und dadurch mehr isst als der Körper es benötigen würde. Reis allein hat bereits einen hohen glykämischen Index. Je höher dieser Index ausfällt, umso schneller wird Insulin ausgeschüttet. Wenn man Reis isst, dann empfehle ich Reis ohne Zusätze zu genießen. Etwas Salz ist kein Problem.

Bulgur ist eine sehr gute Alternative zu Reis, weil Bulgur nicht nur Kohlenhydrate enthält, sondern auch eine pflanzliche Proteinquelle und viele andere Mineralstoffe.

Ansonsten ist Bulgur eine sehr gute Alternative zu Reis, weil Bulgur nicht nur Kohlenhydrate enthält, sondern auch eine pflanzliche Proteinquelle und viele andere Mineralstoffe. Viele Veganer*innen und Vegetarier*innen genießen gerne Bulgur oder auch Hülsenfrüchte wie z.B. Kichererbsen oder Linsen.«

  • Für folgende Reisgerichte begeistert sich unsere Redaktion: Bulgurlu Semizotu (vegan), Zucchini-Blüten Dolma und Greçka Pilav (vegan)

Achtung vor brot- und teiglastiger Ernährung

»Grundsätzlich sollte man auf eine vollwertige Ernährungsweise achten, d.h. alles, was verarbeitet wurde durch den Menschen oder durch Maschinen, sollte man möglichst vermeiden. Das ist ein Ansatz der Paleo Ernährung, die zwar nicht unbedingt 100-prozentig eine gute Ernährung darstellt; aber im Ansatz ist sie gut. Nimmt man das Beispiel Pommes, dann wird deutlich, dass fertige Pommes stark verarbeitet und frittiert sind. Das ergibt einen anderen Wert im Ernährungsprofil als es bei einer unverarbeiteten Kartoffel der Fall wäre, denn hier sind nach dem Kochen die Vitamine und alles, was man braucht, immer noch vorhanden. Man kann auch selber Pommes machen, wenn man eine Kartoffel schneidet, etwas Salz drüberstreut und mit einer schonenden Methode im Air Frier zubereitet. Unverarbeitet ist eine gesunde Auswahl.«

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