Nachdem der Jahreswechsel ohne großes Feuerwerk stattgefunden hatte, krachte es schon Ende Januar gewaltig. Am 29.01.2021 wurde die Wiederholung der WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ ausgestrahlt und erschütterte die Gemüter. Und während es auf den Straßen durch die Pandemie ruhig war, wuchs der aktivistische Widerstand auf den sozialen Medien. Worum es genau ging? Hier zusehen oder auf Twitter unter dem Hashtag #dieletzteinstanz zu verfolgen.
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Wie konnte es passieren, dass nach all der kollektiven Bewusstmachung über gesellschaftliche Ungleichbehandlung im letzten Jahr vier weiße Deutsche eingeladen werden, um zu beurteilen inwiefern ein Wort gegenüber Sinti*zze und Rom*nja rassistisch ist?
Comedian Enissa Amani hat die Debatte aus dem digitalen Raum geholt. Sie kreierte kurzerhand ihre eigene Talkrunde: Ein gemieteter Raum, ein Kamerateam, Gesundheitschecks für alle. Eingeladen waren die Gäst*innen: Natasha A. Kelly, Nava Zarabian, Max Czollek, Gianni Jovanovic, Mohamed Amjahid.
Die Runde spricht bestimmt und klar, erklärend und weich, versöhnlich und doch deutlich fordernd.
Sie sprechen über strukturellen Rassismus, sensiblen Sprachgebrauch, rassistische Vorfälle und Ablehnung bei der Wohnungssuche und Racial Profiling. „Warum gibt es in Deutschland 80 Varianten für Blau, aber wir sind alle Ausländer?“, fragt Enissa Amani.
„Und das Ganze hat nicht mal was mit „Fremdsein“ zu tun!“ wie der Roma-Aktivist Gianni Jovanovic feststellt. „Roma sind autochthone Deutsche“, also Deutsche, die schon über Generationen hier leben, mindestens 600 Jahre in diesem Fall.
Sprache ist Macht.
Lyriker Max Czollek ersetzt deshalb „Mehrheitsgesellschaft“ durch den für ihn besser passenden Begriff „Dominanzkultur“. Und die akademische Aktivistin Natasha A. Kelly macht klar, dass der Kampf für gesellschaftliche Gleichbehandlung nicht erst seit 2020 geführt wird, sondern bereits seit Jahrzehnten. Es käme nur darauf an, auch hinzuhören. Und jetzt wird hingehört.
Als die Sendung auf YouTube live ging, waren gerade mal etwa 1400 Zuschauer*innen dabei, im Verlaufe der Sendung wurden es dann knapp 5000. Nach einem Tag sind die Zahlen bei 100.000.
Max Czollek: „Wenn die Öffentlich-Rechtlichen nicht anfangen, sich darauf (Anm.: gesellschaftliche Entwicklungen) einzustellen, dann spielen die keine Rolle mehr.“ Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen, und die werden wir gemeinsam finden. Und sicherlich spielen die sozialen Medien eine Rolle dabei. So schließt Bildungsreferentin Nava Zarabian diese Runde auch passend, indem sie sich ans überwiegend junge Publikum wendet: „Auch wenn es wehtut, haltet den Finger auf die Wunde. Ihr seid nicht alleine. Wir sind zusammen hier.“
Text: Isabel Eisfeld