Süleyman Mazanlı designt und vertreibt mit Tatkraft, nun bekannt als Mazanlı, seit 2016 schlichte Möbel. Er empfängt renk. in seinem Studio in einem Gewerbehof in Reinickendorf, wo er gerade zusammen mit seinem Team ein Fotostudio baut. In der großen Halle stehen grafisch anmutende Regale aus Stahl. Wir entdecken einen Boxsack und Skateboards und im WC ist eine Flugzeug-Wand verbaut. Mit Fenstern auf Kniehöhe, durch die man in die Halle blicken könnte. Zum Glück lässt sich die Klappe zuschieben.
Du sagst, du stehst auf Minimalismus und auf deiner Webseite kann man Folgendes lesen: „Wahre Schönheit findet man in der Einfachheit der Dinge“. Wie einfach war es letztendlich dein eigenes Unternehmen aufzubauen?
Süleyman: Ein Unternehmen zu gründen ist alles andere als einfach. Man denkt: „Ich hab‘ einen Namen, ich bau‘ ein Logo und ich vertreibe mein Produkt, jetzt muss ich nur noch zum Gewerbeamt gehen und Mietfläche finden.“, aber da ist noch so viel Detailarbeit. Alleine die Kommunikation: Man muss Kataloge gestalten, ein Corporate Design festlegen. Man muss Leute finden, die mit dir arbeiten wollen, weil sie von deinem Produkt überzeugt sind und es unterstützen.
Erinnerst du dich noch an die Anfänge deiner Firma? Was hat sich seither verändert?
Süleyman: Am Anfang wollte ich meine Betten selber schweißen. Da kam schnell ein Brief von der Handelskammer: „Haben Sie einen Meisterschein? Sind Sie schon 6 Jahre Geselle in einer Schweißerei?“ Das hatte ich natürlich nicht, und durfte deswegen nicht mehr schweißen. Da mussten wir uns Leute suchen, denen wir diesen Auftrag geben können und von diesem Zeitpunkt an entwickelten wir eine Haltung wie Apple: Wir möchten nichts selber produzieren, sondern das Ganze planen und kreativ füllen. Die Herstellung überlassen wir Profis.
Woher wusstet ihr, dass euer erstes Produkt gut bei den Leuten ankommen wird?
Süleyman: Wir testen alle unsere Möbel selber aus. Wir haben Neues schon hier in der Halle, aber schießen das nicht raus, wir gucken erst einmal, was nicht funktioniert. Dann ändern wir die Konstruktion und geben das nochmal in Auftrag und es kommt noch besser an und wir merken, okay, diesmal gefällt uns das und jenes nicht. Wir hören nie auf, uns weiter zu entwickeln. Es gibt eigentlich nichts mehr, was wir an dem Bett noch auszusetzen hätten, wir sind nämlich schon bei Version elf oder zwölf.
Gab es große Herausforderungen, wo du rückblickend froh bist, sie bewältigt zu haben?
Süleyman: Ganz in den Anfängen haben wir einen Riesenauftrag von einem Schweizer Konzern bekommen, er hat 85 Betten bei uns bestellt und das in den ersten sechs Monaten! Wir mussten eine Gruppe von zehn, fünfzehn Leuten zusammenstellen und dass wir das geschafft haben, macht mich sehr stolz.
Wie findest du Leute, mit denen du gut zusammenarbeiten kannst?
Süleyman: Das sind meine Freunde aus der Grundschule oder zum Beispiel auch mein Bruder. Ich arbeite gerne mit Menschen, die ich liebe oder die mir sehr sympathisch sind.
Mit Leuten, die ich nicht abkann, mache ich keine Geschäfte.
Das ist eine Gefühlssache bei mir: Mit Leuten, die ich sehr mag und merke, die haben ein gutes Herz, mit denen arbeite ich gerne zusammen. Es ist wunderschön, selber zu bestimmen, mit wem man arbeiten möchte.
Bei der Zusammenarbeit mit Dritten kommt doch bestimmt auch mal vor, dass du auf Jemanden angewiesen bist, obwohl du ihn nicht sympathisch findest…?
Süleyman: Ja, klar. Das gab es sogar schon mal: Anfangs haben wir uns sehr gut verstanden, irgendwann haben wir aber gemerkt, dass er ein total unfreundlicher Mensch ist und uns nicht hilft, wenn wir ihn brauchen. Da mussten wir weiterziehen. Was soll’s? Dann wird eben jemand anderes Geld durch uns verdienen. Es gibt viele Leute, die einfach nicht zu uns passen. Das merkt man auch ganz schnell, ob jemand easy ist oder nicht. Am besten hält man sich immer Ausweich-Kontakte bereit, sodass wenn es mit dem Einen nicht funktioniert, man mit anderen weiterarbeiten kann.
Wenn du vorher gewusst hättest, wie viel Arbeit hinter deiner Firma steckt, hättest du es dann noch angepackt?
Süleyman (entschieden): Ja! Ich liebe meine Arbeit! Ich stecke seit zwei Jahren Vollzeit in dieser Firma und arbeite manchmal bis in die Nacht durch. Ich komme jeden Tag sehr gerne hierher. Ich bin froh, in dieser Halle zu sein, am Computer zu sitzen und etwas Neues zu gestalten.
Gibt es etwas, was du rückblickend bereust, getan oder nicht getan zu haben?
Süleyman: Naja, jetzt im Nachhinein merke ich, unser größter Fehler war es, den Namen, den wir verwenden, nicht richtig abzuchecken…
Ich habe auf eurer Webseite gelesen, dass ihr ihn ändern wollt… Warum?
Süleyman: Wir wollen ihn nicht ändern, wir müssen ihn ändern. Wir kommunizieren das nicht an unsere Kunden, dass wir es müssen. Wir sagen, wir ändern den Namen von „Tatkraft“ zu „Mazanli“, weil wir darin Potenzial sehen, uns auch global durchzusetzen. Wir sind aber dazu verpflichtet, denn der Name „Tatkraft“ wird schon von einer Firma aus Estland verwendet. Uns war nicht klar, dass es ein europäisches Register dafür gibt, wo Namenseintragungen etwas Anderes sind, und zwar Markenschutzrecht, als Patente. Als ich das Design von meinem Bett patentiert habe, sagte mir das Patentamt, dass es keine europaweiten Patentierungen gibt. Ich kannte auch den Unterschied zwischen Patentrecht und Markenschutz nicht.
Du hast ja Wirtschaft studiert, warst du nicht dadurch schon in der Thematik drin? Was hättest du anders machen können?
Süleyman: Ein Anwalt, der sich mit Urheberrecht auskennt, wäre wohl förderlich gewesen, aber ich hatte das Geld damals nicht. Ich habe ja alles ohne Unterstützung von Banken aufgebaut. Ich habe von meiner Mom einen Einstiegskredit erhalten und damit die erste Produktion losgeschossen. Irgendwann haben wir so viel verkauft, dass die Wohnung meiner Eltern, wo alles anfing, mit Betten vollgestellt war. Dann habe ich diese Halle hier gemietet mit meinem Freund Andreas zusammen und wir haben gemeinsam weitergemacht, sind gemeinsam gewachsen und da angekommen, wo wir heute sind.
Auf deiner Webseite schreibst du, du wolltest als Kind Batman sein. Was hat es damit auf sich? Batman hat ja zwei Identitäten…
Süleyman (schmunzelt): Ja, das ist bei mir auch so: Einerseits bin ich ein analytischer Mensch, ich bin ja Wirtschaftler, aber andererseits steckt in mir ein kreativer Mensch. Diese Seite habe ich schon immer mit Musik ausgelebt. Ich spiele Gitarre und habe Hip-Hop-mäßige Beats gebaut. Ich bin heute immer noch ein Fan von Batman, aber das sind so Kindereien. Ich habe ihn sehr bewundert und wollte sein wie er. Mein Bruder war immer Robin für mich (lacht herzlich).
Hast du Vorbilder, die dich in deiner Arbeit inspirieren?
Süleyman: Mies van der Rohe, ein Bauhaus-Architekt ist mein ganz großes Vorbild. Er hat den berühmten Barcelona-Sessel hergestellt. Ich war immer Bewunderer seiner Kunst und seiner bahnbrechenden Architektur, seiner simplen Linien. Ich wollte auch so etwas Gerades und Schlichtes machen. Eine andere Quelle meiner Inspiration sind die Sommer meiner Kindheit, wo wir auf schrecklich quietschenden Metallbetten schliefen. Die waren zwar sehr robust, aber gleichzeitig auch sehr schwer. Ich wollte genau das Gegenteil machen: Es sollte ein Metallbett sein, das schmal und leicht ist, aber gleichzeitig stabil.
Was kannst du jungen Menschen mit auf den Weg geben, die ihren Entwurf zu einem Endprodukt umsetzen wollen, sei es jetzt ein Möbelstück, oder eine andere Idee?
Süleyman: Sie sollten auf jeden Fall schauen, welche persönlichen Eigenschaften sie in sich tragen und davon ausgehend, ob sie das was sie machen, auch wirklich lieben.
Ich finde, es ist sehr wichtig, das zu tun, was man liebt. Dass man nicht sagt: „Oh nein, morgen ist schon wieder ein Arbeitstag!“, sondern: „Ey super, morgen kann ich wieder loslegen!“
Außerdem noch, dass man nie aufgibt. Man muss ein sehr bissiger Mensch sein. In den letzten zwei Jahren habe ich viele Rückschläge hinnehmen müssen, aber ich bin da wie Wasser: Wenn mir ein Weg versperrt ist, dann fließe ich drum herum und suche mir einen anderen Weg. Es geht immer irgendwie weiter, man darf nur nie aufgeben. Ich habe eine sufistische Einstellung zum Leben: Ich glaube, dass jeder von uns eine Bestimmung hat und dass alles was passiert, richtig ist. Daraus versuche ich das Beste zu machen.
Sufismus ist doch die mystische Strömung des Islam… Was bedeutet diese Philosophie für dich?
Süleyman: Also für mich bedeutet Sufismus, der Suchende zu sein. Und ich bin immer auf der Suche nach etwas Besserem. Ich bleibe nicht stehen und gebe mich nicht ab mit dem was ich im Leben habe. Das bedeutet für mich auch, dass es keine Fehler im eigentlichen Sinne gibt. Für mich sind das Chancen, neu zu starten und etwas besser zu gestalten, als es vorher war. Im Nachhinein sagt man oft: „Dieses und jenes hätte ich mal anders machen sollen…“, aber auch diese Wege haben ja zu irgendetwas geführt. Das Ende von Etwas ist der Anfang von etwas Anderem.
Fotografie: Jannike Stelling