Kitchen Guerilla – Kochen, egal wo.

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Olaf Deharde, Koral Elci und sein Bruder Onur Elci sind die Anführer der Kitchen Guerilla. Um sich und ihre Freunde kulinarisch zu vergnügen, bauten sie ihre eigene temporäre Küche in gekaperten Restaurants auf bis das Bedürfnis nach größeren Herausforderungen sie überwältigte. Jetzt zaubern sie Wunder in unerwarteten Orten – da wo unter normalen Bedingungen nicht gekocht werden kann. Und der Krieg, den diese mobile Kocheinheit gegen die gastronomische Langweile führt, beschränkt sich nicht auf das germanische Territorium. Mittlerweile spricht man von einer Hamburger und einer Istanbuler Division der Kitchen Guerilla.

 

Erzähl bitte, Koral, wie seid ihr auf die Idee einer wandernden Küche gekommen?

Diese Idee entstand vor zehn oder elf Jahren. Für mich ist das Kochen einer der wichtigsten Bereiche des sozialen Lebens. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen als Leute nach Hause einzuladen, köstliche gesunde Zutaten zu besorgen und eine große Tafel zu decken, um dann gut zu kochen, essen und trinken. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Eltern ein Restaurant in Ankara und später eins in Istanbul hatten – Letzteres hat Onur und mich stark beeinflusst. Wir wollten allerdings kein Restaurant eröffnen, sondern in ständiger Bewegung bleiben.

Keiner von uns ist professionell in der Gastronomie gelandet: Olaf ist Fotograf, mein Bruder Onur ist in der Werbebranche tätig und ich bin Produkt-Designer. Während ich studiert habe, übernahm ich das Familien Eck – eine Kneipe in Hamburg Ottensen, um sie mit Onur zu betreiben. Dort lernten wir Olaf kennen. Wir wurden Freunde und da auch er ein begnadeter Koch ist, haben wir angefangen uns zu fragen: „Wie können wir aus unserer Leidenschaft – denn sie ist kein Hobby – ein gutes Geschäft machen?“ 2009 irgendwann in der Küche, nach der zweiten Flasche Wein, haben wir uns gesagt: „Wir kennen so viele Gastronomen. Warum übernehmen wir nicht einen ihrer Lokale, wenn sie geschlossen haben?“ So fingen wir an, in Restaurants zu kochen, aber auch auf Segelschiffen, in freien Vereinsräumen, in der Motorradwerkstatt eines Freundes, in einer Tankstelle und in einem Flüchtlingslager. Da häuften sich die Locations und die Settings wurden von Mal zu Mal unterschiedlicher. Und später trauten wir uns über die Hamburger Grenzen hinaus.

 

Dieses Projekt hat sich aber sehr schnell entwickelt…

Kitchen Guerilla war schon in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln, München und Stuttgart. Dann waren wir in Dänemark, Frankreich, Griechenland, Libanon, der Schweiz und der Türkei. Mittlerweile haben wir unterschiedliche Nebenprojekte. Wir sind immer die Gastgeber, aber abseits unserer eigenen Events, gibt es Veranstaltungen wie die Tour, die wir in Zusammenarbeit mit der Firma Yeni Rakı durch Deutschland führen werden, deren Ziel es ist, die Trinkkultur um den türkischen Rakı bekannt zu machen.

Dieser Rakı-Hersteller ist nur einer von unseren Partnern und Unterstützern. Unter ihnen gibt es beispielsweise auch Porzellan und Besteckdesigner und mobile Küchenhersteller. Dabei achten wir immer darauf, nur mit Produkten und Lieferanten zu arbeiten, die unsere Erwartungen erfüllen. Da geht es uns um Qualität und auch um Ethik. Wir gucken uns gerne vor Ort an, wie unsere Partner arbeiten. Wir arbeiten nicht mit Konzernen zusammen, die Fertigsuppen fabrizieren und lassen uns auch nicht Lämmer aus Neuseeland einfliegen.

Natürlich gibt es Ausnahmen – es ist nicht so, dass wir uns regional zu streng einschränken. Aber wir versuchen immer mit lokalen Zutaten zu kreieren. Also mit Sachen, die in unserer Umgebung und in der Saison wachsen. Onur und ich sind in Istanbul ausgewachsen und haben deshalb eine Neigung zur mediterranen Küche. Olaf kommt aus Norddeutschland und neigt eher zur nordeuropäischen Küche. Unser Partner in Istanbul, Ali Ronay, ist der einzige gelernte Koch unter uns und ist dadurch von internationaleren Einflüssen geprägt.

Welche Unterschiede gibt es zwischen der Hamburger Division und der Istanbuler Division von Kitchen Guerilla?

Wir operieren sehr ähnlich. Ali hat in Frankreich bei Paul Bocuse gelernt und später Erfahrungen in New York gesammelt. Dann hat er die große Küche in Hotels wie das Kempinski und das Ritz-Carlton geleitet. Aber irgendwann bekam er Lust auf etwas anders als das Kochen für große Hotels, entdeckte unser Projekt im Internet und nahm Kontakt mit uns auf. Als wir uns endlich mit Ali getroffen haben, hat es dermaßen gefunkt, dass wir uns sofort entschieden haben, zusammen zu arbeiten.

 

Ihr wollt, dass das Ganze bei dinner with friends bleibt. Und ihr freut euch über euren Nomaden-Status. Aber habt ihr nicht das Gefühl, dass der Erfolg von Kitchen Guerilla – ausgebuchte Veranstaltungen, mediale Aufmerksamkeit und Preise – euch langsam dazu zwingt, sesshafter zu werden und euch ein festes Lokal zu besorgen?

Auf eine gewisse Weise ja. Kitchen Guerilla befindet sich in einer Expansionsphase. Wir suchen gerade Räumlichkeiten, um eine Basis-Station aufzubauen. Sie muss nicht unbedingt öffentlich zugänglich sein, aber sie soll uns erlauben, Events zu organisieren, Reservierungen oder Buchungen durchzuführen. Die Hauptsache ist: wir wollen einen Spielraum, ein Labor, eine Werkstatt, einen Treffpunkt für Gastronomen haben, wo wir kulinarische Experimente durchführen und neue Rezepte ausprobieren können.

Ein neues El Bulli! Das klingt spannend. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Küchenchefs immer das Beste von den Partys verpassen, weil sie die ganze Zeit vor dem Herd sein müssen. Wie könnt ihr gleichzeitig kochen und die gesellige Atmosphäre eurer Events genießen?

Durch das Zusammenessen, eng beieinander, fördern wir ein Gefühl von Gemeinschaft, das Olaf, Onur und ich zu schätzen wissen. Unsere Stärke liegt daran, dass wir mit offener Küche arbeiten. Wir bereiten möglichst viel vor und machen dann eine Art live cooking. Wir legen auf mit leckerem Essen, so zu sagen. Was Hygiene betrifft sind wir sehr pingelig und extrem vorsichtig – egal wo man ist, es muss sauber gearbeitet werden. Irgendwie schaffen wir es immer transparent und menschennah zu sein in allem was wir machen.

Credits
Text: Evan Romero-Castillo
Fotos: Daniel Kellermann, Olaf Deharde, (abwärts)

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