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Politik

Keine Chance für Rom*nja

Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien und Montenegro gelten als sog. ,,sichere Herkunftsländer’’, was bedeutet, dass Asylanträge aus diesen Staaten zumeist als ,,offensichtlich unbegründet“ abgelehnt werden. Doch Rom*nja sind in den Westbalkanländern von massiver Ausgrenzung, rassistischer Gewalt und Armut betroffen. Als Geflüchtete in Deutschland droht ihnen aber aufgrund ihrer Migration aus diesen ,,sicheren Herkunftsländern’’ oft nur der Duldungsstatus oder eine sofortige Abschiebung.

Warum fliehen Rom*nja aus dem Balkan und was bedeutet es, geduldet zu werden? Ist das neue Chancen-Aufenthaltsrecht auch eine Perspektive für Rom*nja auf ein sichereres Leben?

Fallbeispiel Serbien

Die umfassende Recherche ,,Es ist deutsch in Kaltland’’ zeigt auf, unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen Rom*nja in Serbien leben müssen: Aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit und Vorurteilen gegenüber dieser werden Rom*nja von Serb*innen ungern eingestellt. Keine Arbeit heißt keine Wohnung. Wer in informellen Siedlungen oder auf der Straße leben muss, ist einem höheren gesundheitlichen Risiko ausgesetzt, während medizinische Versorgung teuer ist. Der Staat leistet keine Hilfe, denn ohne festen Wohnsitz wird keine Registrierung ausgestellt. Sozialhilfeleistungen stehen nur registrierten Bürger*innen zu – genauso wie Schulplätze. Durch den Ausschluss aus der Gesellschaft auf allen Ebenen werden Rom*nja in den informellen Wirtschaftssektor gedrängt, um zu überleben.

,,Wo auch immer man anfängt, die Dynamik aufzuzeigen, beginnt man sich im Kreis zu drehen – für viele Romni und Roma ein lebensbedrohlicher Kreislauf aus Ausgrenzung und Armut.’’ Historikerin Karola Fings erklärt, dass die Mehrheitsgesellschaft das Elend, das sie so verabscheut, selbst schafft. Letztendlich bestätigen sich so Feindbilder und werden reproduziert.

Es ist einleuchtend, warum Rom*nja Asyl in Deutschland suchen, denn in Serbien sind sie unzumutbaren Bedingungen ausgesetzt. Ähnlich ist die Situation im Kosovo und angrenzenden Balkanstaaten, die von der Regierung allerdings allesamt als ,,sichere Herkunftsstaaten’’ eingestuft werden.

 

,,Sichere’’ Herkunftsländer

Bosnien-Herzegowina, Serbien, Nordmazedonien, Albanien, Kosovo und Montenegro gelten als sog. ,,sichere Herkunftsstaaten’’. Das heißt, der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Menschenrechtslage so sicher ist, dass Personen aus betroffenen Ländern keinen Schutz in Deutschland benötigen. Aus diesem Grund werden die meisten Asylanträge aus ,,sicheren Herkunftsstaaten’’ mit ,,offensichtlich unbegründet’’ abgelehnt. Die antragstellende Person hat außerdem nach Ablehnung nur eine Woche Zeit eine Klage einzureichen, aber selbst bei einem laufenden Prozess kann die asylsuchende Person abgeschoben werden. 


,,Je erfolgloser Romni und Roma bei der Antragstellung in Deutschland sind, desto größer seien die Hemmungen für andere, diesen Ausweg aus ihrer Misere ebenfalls zu suchen. Das zumindest glaubt man im Bundesinnenministerium. Dass das nicht stimmt, lässt sich schon an den Zahlen ablesen: Trotz nahezu ausschließlich negativer Entscheidungen steigen die Antragszahlen Jahr für Jahr an. Das liegt daran, dass Menschen fliehen, weil ihre Lebenssituation unerträglich ist und nicht, weil die Gelegenheit dazu besonders günstig oder die »Anreize« aus Deutschland so verlockend wären.’’

Duldung – Was bedeutet das?

Viele Rom*nja bekommen aufgrund ihrer Herkunft aus diesen Staaten in Deutschland keinen offiziellen Aufenthaltstitel, sie werden lediglich ,,geduldet’’.

Bei der Duldung wird die Abschiebung einer ausreisepflichtigen Person vorübergehend ausgesetzt, da Gründe bestehen, die eine Rückführung nicht möglich machen, z.B. das Fehlen eines Identifikationsdokuments. Für die Dauer der erteilten Duldung (wenige Tage bis sechs Monate) entfällt die Strafbarkeit dieses illegalen Aufenthalts, aber eine unangekündigte Abschiebung ist trotzdem möglich, sobald die ,,Abschiebungshindernisse’’ laut deutschem Staat nicht mehr bestehen. 

Ein Duldungsstatus geht einher mit eingeschränkter Reisefreiheit und dem Verwehr einer Arbeitserlaubnis. 

Leben mit Duldung

In der Rom*nja-Community sei es vollkommen normal, von Duldung zu Duldung zu leben, aber das hinterlässt Spuren: ,,Das Leben in permanenter Unsicherheit habe oft schwerwiegende psychische Folgen wie Schlaflosigkeit, Ängste, Konzentrations- und Lernschwierigkeiten. Unter diesen Bedingungen erfolgreich eine Schule abzuschließen, gelingt nur wenigen. Das Schulversagen werde dann wiederum als mangelnde Integration gewertet, die sich negativ auf die Aufenthaltsperspektiven auswirke.’’

Einerseits bleibt ,,Gedultenen’’ ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verwehrt, andererseits entstehen aufgrund von ,,Abschiebungshindernissen’’ lange Aufenthalte, in denen Geflüchteten die gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt. Ein Teufelskreis.

Chancen-Aufenthaltsrecht 

Das Chancen-Aufenthaltsrecht soll Abhilfe leisten. Vor ungefähr einem Jahr trat das neue Gesetz in Kraft. Es sollte Menschen, die seit mind. fünf Jahren in Deutschland geduldet werden, nicht straffällig geworden sind und sich zur Grundordnung bekennen, die Chance geben, sich mit einer Aufenthaltserlaubnis von 18. Monaten ,,unter Beweis zu stellen’’. Innerhalb dieser Zeit müssen A2 Deutschkenntnisse erworben, der Lebensunterhalt überwiegend eigenständig getragen, sowie die Identität geklärt werden, um für einen dauerhaften Aufenthaltstitel nach den 18 Monaten infrage zu kommen. ,,Aufgrund der Desintegrationspolitik der letzten Jahrzehnte werden Langzeitgeduldete es auch weiterhin schwer haben, die geforderten Bedingungen zu erfüllen. Gleichzeitig wird es Ausländerbehörden nach wie vor leicht gemacht, die neuen Möglichkeiten für schutzsuchende Roma nicht anzuwenden“ , äußert sich der Bundes-Roma-Verband zum Chancen-Aufenthalt.

Keine Chance für Rom*nja

Schlussendlich sieht es so aus, als würde Deutschland seine Augen vor dem herrschenden Rassismus gegenüber Rom*nja im Westbalkan verschließen und sich zum Komplizen machen, denn auch hier nimmt der Teufelskreis der gesellschaftlichen Ausgrenzung und einem damit verbundenen prekären Leben kein Ende. Die ,,Unabhängige Kommission Antiziganismus’’ fordert, dass Deutschland Rom*nja, als besonders gefährdete Gruppe schützt. Das beinhaltet eine rassismuskritische Schulung des Behördenpersonals, ein zugängliches Asylverfahren und die sofortige Aufhebung der Westbalkanländer als ,,sichere Herkunftsstaaten“. Zumindest wären dies erste Schritte, um geflüchteten Rom*nja eine bessere Zukunftsperspektive schenken zu können.



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