Am 08. April findet jährlich der Internationale Rom*nja Tag statt. Der Tag soll auf die Lebensumstände und Diskriminierungserfahrungen von Sinti*zze und Rom*nja aufmerksam machen sowie an die Verfolgung während des Holocausts erinnern.
Warum der 08. April?
Am 08. April 1971 fand in London der erste Internationale Rom*nja-Kongress statt, an dem Roma-Bürgerrechtsorganisationen aus 14 Ländern beteiligt waren. Ein Ergebnis des Kongresses war der Beschluss, die abwertende, rassistische Fremdbezeichnung zu verwerfen und stattdessen fortan die Selbstbezeichnung Roma zu verwenden. Zur Erinnerung an diesen wichtigen Kongress wurde der Tag 1990 zum Internationalen Rom*nja Tag ernannt.
„Beim Internationalen Roma-Tag geht es darum, Roma als eine vielfältige europäische Minderheit anzuerkennen, die mit ihrem ausgeprägten kulturellen Erbe, ihrer Sprachen, ihrer Geschichte und ihrer Traditionen zum europäischen Gefüge beiträgt. Am 8. April feiern wir unsere Einzigartigkeit und unseren Reichtum.” Gabriela Hrabanova, Direktorin der Europäischen Basisorganisationen der Roma (ERGO)
Wer sind Sinti*zze und Rom*nja?
Sinti*zze und Rom*nja sind Angehörige von zwei Minderheiten, die sich in einigen Bereichen deutlich unterscheiden. Während Sinti*zze vorrangig in West- und Mitteleuropa leben, haben Rom*nja ihren Lebensmittelpunkt eher in Osteuropa. In Deutschland leben mindestens 100.000 Menschen, die Sinti*zze und Rom*nja angehören.
Sinti und Roma sind die Selbstbezeichnungen, die das rassistische Wort ablösen, auch wenn es teilweise zur individuellen Eigenbezeichnung verwendet wird. Sinti*zze und Rom*nja sind jeweils die gegenderten Schreibweisen.
[weibl. Singular: Romni, Plural: Romnja. männl. Singular: Rom, Plural: Roma. | weibl. Singular: Sintizza, Plural: Sintizze, männl. Singular: Sinto, Plural: Sinti.]
Wieso die rassistische Fremdbezeichnung gegenüber Sinti*zze und Rom*nja nicht mehr verwendet werden darf
Das Wort, so Rom*nja-Aktivist Gianni Jovanovic, steht für Leid und Gewalt und erinnert an den Porajmos – den Genozid an Sinti*zze und Rom*nja in der NS-Zeit, dem ca. eine halbe Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. In den KZs wurde Sinti*zze und Rom*nja neben einer Nummer der Buchstabe „Z“ tätowiert, um ihre Zugehörigkeit sichtbar zu machen. Aus diesem Grund wird zum Teil auch die Abkürzung abgelehnt, da schon der einzelne Buchstabe traumatisch sein kann. Das Wort an sich ist eine sprachliche Konstruktion, um Sinti*zze und Rom*nja zu degradieren.
Der Internationale Tag der Rom*nja ist gleichzeitig eine Erinnerung daran, dem sogenannten „Antiziganismus“ gesamtgesellschaftlich entgegenzutreten und Verantwortung zu übernehmen. Sinti*zze und Rom*nja sind nach wie vor Hassverbrechen, Zwangsräumungen, rassistischer Erfassung durch die Polizei sowie systematischer Diskriminierung ausgesetzt.
Laut dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma zeigen Studien, dass Sinti*zze und Rom*nja zu der Minderheit gehören, die am stärksten von Diskriminierung betroffen ist. Während Corona habe sich das noch verstärkt: Vor allem in Südost- und Mitteleuropa kam es zur Ausgrenzung aus vielen Lebensbereichen – vom Bildungssystem über den Wohnungsmarkt bis hin zur Gesundheitsversorgung.
„Antiziganismus“ ist eine spezifische Form des Rassismus, die sich gegen Menschen richtet, die den heterogenen Sinti*zze und Rom*nja Gemeinschaften angehören. Die Rassismen gegen Sinti*zze und Rom*nja sind nicht neu. Sie haben sich, seitdem Sinti*zze und Rom*nja seit dem Mittelalter in Europa leben, verfestigt und in das kulturelle Gedächtnis der europäischen Gesellschaft eingeschrieben. Obwohl der Hass auf und die Diskriminierung von Menschen, die als Sinti*zze und Rom*nja gelesen werden, weit verbreitet ist, findet das Thema nach wie vor wenig Beachtung.
Der Begriff selbst ist umstritten, da er zum einen den rassistischen Begriff enthält und ihn damit reproduziert, zum anderen von der sogenannten Tsiganologie abgeleitet ist, einer vermeintlich wissenschaftlichen Disziplin, die auf rassistisch-biologistischen Annahmen beruht. Dennoch wird er zum Teil von Roma-Organisationen benutzt, um auf den enthaltenen Rassismus hinzuweisen.
Alternativen für die Bezeichnung sind Antiromaismus, wobei hier Sinti*zze nicht explizit genannt werden, oder Gadjé-Rassismus. Gadjé ist ein Wort aus dem Romanes, der Sprache der Sinti*zze und Rom*nja. Es bezeichnet Nicht-Rom*nja – der Begriff betont also den von Gadjé ausgehenden Rassismus gegenüber Sinti*zze und Rom*nja.
In der Politik sind Sinti*zze und Rom*nja nach wie vor unterrepräsentiert. Aber es werden endlich erste Schritte gemacht: Seit 2019 gibt es eine Unabhängige Kommission Antiziganismus, ein Gremium, das sich aus Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammensetzt und das Bundesinnenministerium berät. Und am 09. März 2022 hat das Bundeskabinett den ersten „Beauftragten der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland“ berufen: Mehmet Daimagüler. Er koordiniert seitdem die Maßnahmen der Bundesregierung und soll eine Informationsstelle zur Erhebung rassistischer Übergriffe gegenüber Sinti*zze und Rom*nja einrichten.
Quellen:
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
Zentralrat Deutscher Sinti und Roma
https://www.bs-anne-frank.de/mediathek/blog/internationaler-tag-der-romnja
https://www.fluter.de/sinti-roma-kurz-erklaert
https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/rassismusdebatte-warum-wir-das-z-wort-nicht-mehr-benutzen-sollten
https://www.bpb.de/themen/rassismus-diskriminierung/antiziganismus/
Amadeu Antonio Stiftung