Arzu Uyan, erzählst du unseren Lesern kurz von dir?
Geboren wurde ich in Speyer und bin dort auch aufgewachsen. Heute bin ich Projektmanagerin und Pflege die Beziehung zu Kunden bei 42DP in Köln. Außerdem bin ich auch für die Unternehmensentwicklung im Bezug auf Verkauf und Marketing verantwortlich. Parallel dazu studiere ich Webwissenschaften, um mir ein Kerngebiet anzueignen.
Vorher hast du aber was ganz anderes gemacht, nicht wahr?
Ich habe als Produktmanagerin für ein Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik gearbeitet. Davor studierte ich Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Marketing. In dem Unternehmen habe ich als Praktikantin angefangen und bin anschließend für ein weiteres Praktikum in die USA gegangen, danach schrieb ich meine Masterarbeit. Nach zwei Jahren Arbeit als Produktmanagerin habe ich jedoch festgestellt, dass die Branche sehr konservativ ist, obwohl sie zu den innovativsten in ganz Deutschland zählt.
Deshalb hast du dich entschieden, den sicheren Job zu schmeißen?
Bei meinen Kollegen von 42DP, die ich seit dem Studium kenne, habe ich gesehen, wie schnell Games, Apps, Installationen, interaktive Exponate und Prototypen entwickelt werden können. Das hat mich fasziniert.
In habe ein Statement von Luciano Floridi (Philosoph & Google-Berater) gelesen, der behauptet, dass wir im Internet authentischer sind. Glaubst du, das „Online-Ich“ stimmt mit dem „Offline-Ich“ überein?
Ich kann nicht aus philosophischer Sicht darüber sprechen, weil ich keine Ahnung von Philosophie habe. Persönlich gesehen finde ich, dass es da schon noch Unterschiede gibt. Vorgänge die in der realen Welt ablaufen, können in der digitalen Welt in der Regel nicht eins zu eins nachvollzogen werden und umgekehrt. Was sich ändert, ist unser Bewusstsein darüber, dass wir alle ständig online sind. In unserer Wahrnehmung findet da kein Unterschied mehr statt.
Was ist das „Internet of Things“?
Das „Internet der Dinge“ ist die Zukunft des Internet. Alles heute noch „mobile“, wird in Zukunft „smart“ sein. Wir leben schon jetzt schon sehr selbstverständlich mit dem Internet. Dinge werden in Zukunft die Bedürfnisse des Menschen erkennen können. Computer werden auf den ersten Blick nicht sichtbar, sondern eingebettet sein in die Dinge, die uns umgeben und unterstützen. Das Internet befindet sich momentan in einer Übergangsphase. In Zukunft werden alle Menschen das Internet nutzen müssen. Im Privatleben kann das zurzeit noch umgangen werden, in der Arbeitswelt hingegen haben wir heute schon oft keine Wahl mehr.
Wie schwer ist es, die Idee des „Internet der Dinge“ anderen zu vermitteln?
Menschen, die an Zukunftsfragen interessiert sind, wissen, dass die Ansätze schon heute existieren. Schaut man sich die gesellschaftliche Entwicklung der letzten fünfundzwanzig Jahre an, so hat sich unsere Lebens-, Kommunikations-, und Arbeitsweise komplett geändert. Die Entwicklung, die wir durch das jetzige Internet haben, wird sich in Zukunft noch weiter verstärken. Das „Internet der Dinge“ zielt auf das Monitoring, die Automatisierung und Effizienz ab, und erlaubt letztendlich das autonome Handeln der Dinge.
Das macht vielen Menschen Angst, oder?
Auf jeden Fall, das wird in Zukunft viele Jobs kosten.
Glaubst du, dass andere Jobs entstehen werden?
Sicherlich, aber es wird niemals mehr so viele Jobs geben wie derzeit. Mit unserem jetzigen Wirtschaftsmodell geht das nicht. Deswegen finde ich, dass das bedingungslose Grundeinkommen eine intelligente Sache ist. Das würde zu unserer zukünftigen Lebensweise besser passen. Die kleinen Dinge, die uns im Alltag nerven, wären potentiell nicht mehr da. Wenn wir diese Entwicklungen richtig nutzen, könnten wir alle ein entspannteres Leben führen, und das wäre doch eine gute Sache.
Der Moderator des TED-Talks hat dich als ehemalige Hauptschülerin und Projektmanagerin mit zwei Hochschulabschlüssen angekündigt.
Woher nimmst du die Motivation, dich weiter zu entwickeln?
In der Hauptschule bin ich immer gut durchgekommen, ohne mich groß anstrengen zu müssen. Ich war ein ganz schön faules Kind. Im Nachhinein glaube ich, dass ich ziemlich unterfordert war. Übrigens glaube nicht, dass das Niveau des Hauptschulabschlusses noch für irgendjemanden ausreicht, um später einen Job ausüben zu können, der Perspektive und Entwicklungspotential bietet. Der Hauptschulabschluss in heutiger Form kann für keine Berufsausbildung die Grundlage sein.
Was ist dein innerer Antrieb?
Da ist der „innere Orientale“, der mir oft sagt: „Du bist doch auch nicht dümmer als die anderen“.
Meinst du das aus einem Komplex heraus?
Mir wurde auf der Hauptschule oft gesagt, ich würde es niemals an die Uni schaffen. Das hat mich als Kind schon so sehr verletzt, ich fühle diese Worte noch heute. Die Leute erwarten automatisch weniger von einem, wenn man von der Hauptschule kommt. Das mangelnde Bewusstsein für seine eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten kann dazu führen, dass ein Mensch es nie lernt, etwas von sich selbst zu halten oder zu erwarten.
Vielen Dank für das Gespräch, liebe Arzu!
Hier wird Arzus Arbeit mit 42DP anschaulich: ART BEEKN. Mit dem interaktiven Wohnzimmer der Zukunft sorgten sie im Rahmen der Passagen 2015 für Aufsehen.
Kunst im Titelbild: Maya Hayuk