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Gesellschaft & Geschichten

Der Aufstand im Warschauer Ghetto

Der bekannteste Akt jüdischen Widerstands in Europa

Die deutschen Widerstandsorganisationen “Weiße Rose” oder “Rote Kapelle”, die sich gegen das NS-Regime stark gemacht haben, sind den meisten wahrscheinlich schon bekannt. Warum wissen wir aber so wenig über den jüdischen Widerstand?

Es herrschte lange das Narrativ, dass Jüd*innen während der NS-Zeit eher passiv geblieben wären. Was hier jedoch außer acht gelassen wird, sind die spezifischen Bedingungen, unter denen die ausgegrenzten, isolierten und geschwächten Jüd*innen handelten.

Für jüdische Aktivist*innen war es noch komplizierter als für nichtjüdische Widerstandsgruppen, da sie zumindest in Osteuropa über viele Ghettos verstreut lebten und sich somit voneinander isoliert organisieren mussten. Die lokale Bevölkerung, die ihnen meist gleichgültig oder gar feindselig gegenüberstand, erschwerte es ihnen, die Hilfe von außen zu bekommen, auf die sie eigentlich angewiesen waren.

Welche Form der jüdische Widerstand annehmen konnte, hing von den Bedingungen im jeweiligen Land ab. 

Europaweit gab es verschiedenste widerständige Handlungen von Jüd*innen. Neben bewaffneten Aktionen in Ghettos und sogar in Vernichtungslagern, gab es Partisan*innen, die in verschiedenen Ländern kämpften, und Menschen, die in die Wälder flohen und auf der “arischen” Seite untertauchten. Untergrundorganisationen verteilten Flugblätter und Zeitschriften, manch einer versuchte, die Arbeit in den Fabriken und Werkstätten in den Ghettos zu sabotieren. In Westeuropa lag der Fokus auf der Rettung von Menschenleben, vor allem durch organisierte Hilfe bei der Flucht in sichere Staaten oder das Untertauchen im eigenen Land.

Verschiedene Formen des Widerstands

Der Kampf der Jüd*innen gegen Hunger und Krankheiten, für die Bildung ihrer Kinder, für ihr kulturelles Leben und um ihre körperliche und geistige Selbstbehauptung, war eine Art der Resistenz, die ohne Waffen geschah.

Dem Ziel der Nationalsozialisten, mit den jüdischen Menschen auch die Erinnerung an sie auszulöschen und zugleich die Spuren ihrer eigenen Verbrechen zu verwischen, wirkten Jüd*innen entgegen, indem sie Tagebücher und Chroniken schrieben, Dokumente sammelten und sogar aus besetzten Gebieten schmuggelten, und Geschehnisse anhand von Fotos oder gemalten Bildern festhielten.

Warschau

Bereits vor dem Beginn der Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka starben im Warschauer Ghetto, dem größten im besetzten Polen, knapp 100.000 Menschen aufgrund der schlimmen Lebensbedingungen. Die “Umsiedlung” der Bevölkerung des Ghettos, also die Deportation in Vernichtungs- und Arbeitslager, wurde 1942 im Rahmen der “Endlösung der Judenfrage” von Heinrich Himmler befohlen. Die große Deportation aus dem Warschauer Ghetto begann am 22. Juli 1942. Den ausgehungerten Jüd*innen in Warschau wurden 3kg Brot und 1kg Marmelade versprochen, wenn sie sich freiwillig zum “Transfer” meldeten.

Bewaffneter Widerstand in Warschau
Die Żydowska Organizacja Bojowa (dt.: Jüdische Kampf-Organisation, ŻOB) wurde am 28. Juli 1942 gegründet und unter der Führung von Mordechaj Anielewicz als Sammlungsorganisation der jüdischen Widerstandsgruppen im Ghetto neu belebt. Durch Kontakte zur Polnischen Heimatarmee gelangten die Kämpfer*innen in den Besitz einiger weniger Waffen.

Am 18. Januar 1943 reagierte der jüdische Untergrund auf eine weitere Aktion der Deutschen mit einem bewaffneten Widerstand, der auch als der “kleine Aufstand” bezeichnet wird. Der Erfolg dieses Widerstandes motivierte viele Bewohner*innen dazu,  sich dem Untergrund anzuschließen.

Am 19. April 1943 begann die Aktion der endgültigen Auslöschung. SS-Einheiten marschierten in das Ghetto ein und wurden von dem Ausmaß des Widerstandes der Bewohner*innen, die sich in Bunkern und Verstecken verbarrikadierten, überrascht. Nach fünf Tagen des Kampfes begannen die Deutschen, die Häuser des Ghettos systematisch niederzubrennen und verwandelten es zu einer Feuerfalle für seine Bewohner*innen. Obwohl die wenigen Kämpfer*innen den deutschen Truppen klar unterlegen waren, hielt die Bevölkerung des Warschauer Ghettos den Widerstand beinahe vier Wochen lang aufrecht.

Die SS zerstörte am 16. Mai als symbolische Aktion die große Synagoge im Ghetto. Leiter der Niederschlagungs-Aktion war der SS-Brigadeführer Jürgen Stroop, der die Ereignisse in einem Bericht festhielt. „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr!“, übertitelte er seinen Bericht. Bis zu diesem Tag waren über 56.000 Menschen von SS- und Polizeieinheiten getötet oder in Vernichtungslager transportiert worden. Einige wenige konnten sich weiterhin verstecken oder fliehen.

Der Aufstand im Warschauer Ghetto ist von enormer Bedeutung, da er zum Symbol des bewaffneten Widerstands von Jüd*innen gegen die NS-Terrorherrschaft wurde. Er wurde zum Vorbild für Jüd*innen in anderen Ghettos und Lagern, welche allerdings von geringerem Umfang waren, was auf Isolation, Mangel an Waffen und die feindselige Umgebung zurückzuführen ist.

 

Quellen:
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/520068/19-april-1943-aufstand-im-warschauer-ghetto/
https://www.yadvashem.org/de/holocaust/about/combat-resistance/warsaw-ghetto.html#narrative_info
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/186872/widerstand-und-selbstbehauptung-von-juden-im-nationalsozialismus/

Text: Aylin Tuncer

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