Menschen mit Migrationsgeschichte beschäftigen sich oft ihr ganzes Leben lang mit der Frage wohin sie eigentlich gehören. Doch gibt es heutzutage noch diese Strenge Trennung zwischen Kulturen oder sind die Grenzen schon längst verschwommen?
Deutschland ist ein Einwanderungsland mit vielen verschiedenen Kulturen, die aufeinandertreffen. Einige Menschen wachsen zwischen mehreren Kulturen auf. Manche von ihnen nehmen bewusst Aspekte einer anderen Kultur auf, andere unbewusst. Vielen Einwander*innen oder auch ihre Kinder und sogar die Kinder der Kinder fehlt etwas. Seien es die Eltern, ein Teil der Familie oder auch die Kultur, die Bräuche oder Orte. Das Vermissen ist ein gravierender Teil der Aufrechterhaltung der Kultur. Gerade Personen, die aus unterdrückten Minderheiten wie z. B. dem Aleviten- oder Ezidentum stammen, begleitet die Assimilation schon ihr Leben lang. Die Zwangsassimilierung, die Auslöschung ihrer Kultur und somit der Identität.
Unter Menschen mit Migrationsgeschichte herrschen gravierende Unterschiede, die das freiwillige Dasein und das gezwungene oder auch etwas dazwischen beschreiben. Die Begriffe Exil und Diaspora sind eng miteinander verknüpft. Dabei handelt es sich um Gruppen, die historische Erfahrungen mit Verfolgung oder erzwungener Migration aus ihrem Heimatland gemacht haben.
Diese Erfahrungen sind aufgrund der Zerstreuung der Familienmitglieder oft geprägt durch das Leben im Fremden, einem Gefühl des Verlusts, Marginalisierung und Sehnsucht. Daraus resultieren unter anderem Widerstand und Hybridität. Außerdem gibt es auch Remigration, bei der die Personen oftmals nach einem längeren Aufenthalt wieder in das Herkunftsland zurückkehren (das können z.B. Gastarbeiter*innen sein) sowie Transmigrant*innen, die entweder im Laufe ihres Lebens aufgrund von einer Verbesserung der Lebensumstände ihren Wohnort wechseln oder im Laufe des Lebens einen weiteren Länderwechsel vornehmen (auch Menschen, die zwei Wohnorte in verschiedenen Ländern haben).
Der Begriff „Kultur” weist eine Komplexität auf. Allerdings ist in diesem Artikel der ethnologische Kulturbegriff gemeint. Das Gedächtnis des Menschen ist aufgrund seiner Zugehörigkeit in eine bestimmte Gesellschaft und Kultur spezifisch geprägt. Kulturelle Differenzen betreffen nicht ausschließlich Menschen von Land zu Land. Aufgrund der Einwanderung innerhalb eines Landes treffen viele verschiedene Kulturen aufeinander.
Doch was bedeutet Kultur eigentlich?
Kulturelle Unterschiede können in unterschiedlichen Arten und Weisen untersucht werden. Im Großen und Ganzen lassen sich diese Unterschiede den Symbolen, Held*innen, Ritualen und Werten zuordnen.
Symbole | Held*innen | Rituale | Werte |
Beschreiben Worte, Bilder, Gesten oder Objekte mit einer bestimmten Bedeutung, die nur in der gleichen Kultur als solche erkannt werden. | Zu ihnen gehören reale oder fiktive Personen, welche in der jeweiligen Kultur hoch angesehene Eigenschaften besitzen (Verhaltensvorbilder). | Sind kollektive Tätigkeiten, die innerhalb einer Kultur als sozial unerlässlich gelten. Zum Beispiel in Formen des Grüßens oder soziale und religiöse Zeremonien. | Bilden den Kern einer Kultur (laut Hofstede). Als Werte werden allgemeine Neigungen, bestimmte Umstände zu bevorzugen, bezeichnet (Gefühle mit einer positiven oder negativen Orientierung). Sie gehören zu den ersten eigenarten, die ein Kind unbewusst erlernt. |
Über politische Staatsgrenzen hinweg existierende Gruppen sind dabei religiöse und ethnische Kulturen. Gruppen dieser Art bilden Minderheiten gegenüber der dominierenden Kultur des Landes und ihrer eigenen herkömmlichen Gruppenkultur.
Manche dieser Menschen passen sich der Mehrheitskultur des Landes an, wobei andere weiterhin den ursprünglichen Eigenarten nachkommen. Innerhalb einer Ethnie werden somit nicht alle Werte und Praktiken durch Techniken oder Produkte beeinflusst. Denn Generationsunterschiede spielen auch da noch eine große Rolle. “Junge” Türk*innen unterscheiden sich so beispielsweise in einigen Punkten von “alten” Türk*innen. Genauso wie sich “junge” Deutsche von “alten” Deutschen unterscheiden. Solche Unterschiede betreffen jedoch zumeist oberflächliche Aspekte wie Mode, Held*innen oder Konsum. Im Sektor der grundsätzlichen Einstellung und den Werten unterscheiden sich junge Türk*innen von jungen deutschen ebenso wie alte Türk*innen von alten Deutschen. Die meisten Menschen sehen ihre Kultur als eine Art “Maßstab” für andere Dinge, diese “Einstellung” wird Ethnozentrismus genannt. Andere Kulturen werden damit aus der Sicht der eigenen Gruppe (den Sitten und Normen) betrachtet.
Es können schon vermeintlich “einfache” Dinge wie eine Begrüßung, die Esskultur oder anderes sein, was einen überfordert oder stark variiert. Während wir in Deutschland daran gewöhnt sind, bei der Begrüßung die Hände zu schütteln, darf sich eine Frau beispielsweise in einem streng muslimisch geprägten Land nicht wundern, wenn sie die Hand einem Mann ausstreckt und er es dann bevorzugt, diese nicht zu schütteln, sondern seine Hand auf sein Herz zu legen, um sie zu begrüßen. Diese Barrieren finden diese aufgrund der Einwanderung nicht ausschließlich über Ländergrenzen hinaus statt.
Die Gründe für das Zusammentreffen verschiedener Kulturen sind vielfältig – von der Flucht, der Auswanderung bis hin zum Klimawandel. Doch indem auf andere Kulturen mit einem kritischen Blick geschaut wird, werden “andersartige” klar von der eigenen Gruppe abgegrenzt. Viele Menschen, die zwischen mehreren Kulturen aufwachsen und Aspekte dieser übernehmen, bekommen dadurch ein “Außenseiter Gefühl”.
Alleine das Sprechen derselben Sprache und die Aneignung kultureller Faktoren reichen für viele nicht aus. Für Menschen mit einem Migrationshintergrund kann dies das Gefühl hervorrufen, nicht genug zu sein oder dazuzugehören. Zum einen, weil sie in Deutschland als “die anderen” gesehen und zum anderen, weil sie im Herkunftsland auch als “zu anders” wahrgenommen werden.
Was muss dann erreicht werden, um diese Brücke zwischen beiden Kulturen in einem selbst, zu bauen?
Text: Rojda Çomak