Vatermal

Uraufführung

Theater Berlin
21-12-2024
Foto: Esra Rotthoff

»Wenn die Welt auch ständig davon schwafelte, dass wir keine Perspektive hatten, wussten wir: Das Gegenteil stimmte. Wir hatten zu viel Perspektive, hatten Dinge gesehen, die andere Kinder ihr Leben lang nicht sehen, während sie die Kürbissuppe ihrer Eltern löffeln.«

Arda weiß nicht, wie viel Zeit ihm noch bleibt. Er liegt mit Organversagen auf der Intensivstation und kann nicht anders, als sich noch ein letztes Mal an all die Momente zu erinnern, in denen er das Gefühl hatte, dem Leben ein Stück näher gewesen zu sein.

Bei ihm sind seine ältere Schwester Aylin und seine Mutter Ümran. Aylin, die es neben der alkoholkranken Mutter nicht mehr aushält, von zu Hause abhaut und auch mit den neuen Pflegeeltern nicht zurechtkommt. Und Ümran, die als Alleinerziehende mit den Umständen und sich selbst kämpft; die für ihre Kinder in Deutschland eigentlich doch alles viel besser machen wollte. Die beiden sprechen vor lauter Verletzung seit zehn Jahren kein Wort miteinander und ihr einziger Berührungspunkt scheint Arda zu sein.

Schließlich ist da noch die große Leerstelle in Ardas Leben: Sein Vater, der vor vielen Jahren ohne ein Abschiedswort die Familie verlassen hat. Ihm will Arda jetzt für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer sein Sohn ist. Also erzählt er: von der geraubten Zeit auf deutschen Ämtern, von seinen Jungs im Park, die seine Ersatzfamilie wurden, von dem Ringen mit der eigenen Männlichkeit, von Aylins und Ümrans Sehnsüchten – alles für und gegen den abwesenden Vater, für seine Familie, für sich.

Necati Öziris Romandebüt Vatermal stand 2023 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und gewann den Literaturpreis Ruhr. Er war lange Jahre Dramaturg und künstlerischer Leiter des Studio Я, seine Theaterstücke Get Deutsch or Die Tryin‘ und Die Verlobung von St. Domingo kamen am Gorki zur Aufführung.