Wiesn, Radlerhose, Hijab

Selbstbestimmung und Schutz vor sexueller Gewalt

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Die diesjährige Wiesn endete am Tag der deutschen Einheit. Neben dem Besuch von vielen Attraktionen wird auf dem Oktoberfest vor allem eins: besonders viel getrunken. Dass es dabei zu Übergriffen kommt, ist nicht verwunderlich. Die ‚Hallo München‘ warnt vor sexuellen Übergriffen auf dem Heimweg und K.-o.-Tropfen in Getränken.  ZDF heute interviewte Wiesn Besucher*innen und fragt sie nach den besten Tipps und Tricks, um sich zu schütze:

Radlerhose unter dem Dirndl, um sich vor Upskirting zu schützen. Nicht zu viel trinken, damit man kein leichtes Opfer ist und ein hochgeschlossenes Dirndl. 

Andere Besucher*innen berichten davon, von Männern angesprochen und „versehentlich“ angefasst zu werden. Die Initiative „Sicheres Wiesn“ stand in safe spaces bereit, um Opfer zu betreuen – nachdem sie zu Opfern gemacht wurden. 

In einer vorläufigen Bilanz registrierte die ‚Sichere Wiesn‘ insgesamt 310 Hilfesuchende, die den safe space nutzten. 64 Fälle standen in direktem Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt, 11 mal bestand ein ernstzunehmender Verdacht auf Verabreichung von K.-o. Tropfen. Dass Frauen sich gegenseitig Tipps geben, wie sie sich vor Übergriffen schützen können, gehört zur Normalität. Niemand würde auf die Idee kommen, diese Frauen dafür zu verurteilen, dass sie unter ihrem Dirndl eine Radlerhose tragen. 

Wieso werde ich dann dafür verurteilt, wenn ich mich statt durch eine Radlerhose, durch ein Tuch auf dem Kopf schützen möchte?

Laut Statistik haben 97% der befragten Frauen bereits Belästigungen im Alltag erlebt, 86% davon durch „unerwünschte körperliche Berührung“. Auf Social Media berichten immer mehr Frauen davon, wie unwohl sie sich fühlen, wenn sie in der Öffentlichkeit alleine unterwegs sind. Die meisten Leser*innen kennen das, wenn man sich ständig umdreht oder die Straßenseite wechselt, um nicht durch eine Gruppe von Männern laufen zu müssen. 

Wenn es dieses sehr reale Problem gibt, dass Frauen sich berechtigterweise vor einem sexuellen Übergriff fürchten, wieso zeigt dieselbe Gesellschaft dann immer wieder mit dem Finger auf kopftuchtragende Frauen? 

Wieso wird es als rückschrittlich dargestellt, wenn man sich vor einem gesellschaftlichen Problem, für das es offensichtlich noch keine ausreichende Lösung gibt, schützen möchte? 

Als kopftuchtragende Frau habe ich schon vieles gehört. Ich würde unterdrückt werden, ohne es zu realisieren. Ich würde durch mein Kopftuch alle Männer unter Generalverdacht stellen. Die Fakten zu sexuellen Übergriffen werden dabei völlig außer Acht gelassen. Ich würde mich bewusst ausgrenzen, eine Parallelgesellschaft fördern, mich nicht integrieren und zum „politischen Islam“ bekennen. Dabei möchte ich nichts anderes, als die vielen Besucher*innen des Oktoberfestes: mich schützen. Auf dieses Recht zu bestehen, wird einem in Deutschland nicht leicht gemacht.

Scheindebatten über das Kopftuch resultieren daraus, dass kopftuchtragende Frauen Opfer von Gewaltverbrechen werden, die in einigen Fällen sogar zum Tod führen. Der Hijab diene häufig als Projektionsfläche für antimuslimische Einstellungen. Die Pluralität der muslimischen Communities, unterschiedliche religiöse und kulturelle Praktiken und Sozialisierungen werden bei Scheindebatten über das Kopftuch nicht berücksichtigt und Hijabis werden als eine einheitliche Gruppe imaginiert und angesprochen. 

Die Selbstbestimmung ist die Grundlage des modernen Feminismus. Ob Radlerhosen, Subwayshirts  oder Hijabs, es sollte jeder Frau selbst überlassen werden, wie sie sich nicht nur vor Übergriffen schützt, sondern auch ihr eigenes Wohlfühlempfinden fördert. Dass die Schuld in jedem Fall beim Täter liegt, schließt die Tatsache nicht aus, dass man sich immer noch vor potentiellen Tätern schützen muss. Es ist an der Zeit, die Debatte über den Körper der Frau zu beenden und über die Täter zu sprechen. Wir müssen viel mehr und viel lauter darüber debattieren, wie wir als Gesellschaft das Leben einer jeder Frau sicherer machen können, sodass sie sich vor Übergriffen nicht mehr fürchten muss. 

Text:

Faiza Mustansar

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