Literaturtipps für die Zeit zuhause

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Die Zeit zu Hause kann auf Dauer langweilig werden – muss sie aber nicht. Eigentlich hat man jetzt endlich Zeit, all das zu lernen, was man schon immer können wollte. Backen! Nähen! Französisch! Oder man liest ein gutes Buch, statt das dritte mal Tiger King auf Netflix durchzuschauen.

Wir haben euch auf Social Media gefragt, welche Bücher von PoC-Autor*innen ihr besonders lesenswert findet. Hier ist eure und unsere Top 10 der besten Sachbücher, Romane und Lyrikbände:

Sachbücher

Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten – Alice Hasters

Warum ist es eigentlich so schwer, über Rassismus zu sprechen? „Darf ich mal deine Haare anfassen?“, „Kannst du Sonnenbrand bekommen?“, „Wo kommst du her?“ Wer solche Fragen stellt, meint es meist nicht böse. Aber dennoch: Sie sind rassistisch. Warum, das wollen weiße Menschen oft nicht hören.

Alice Hasters erklärt es trotzdem. Eindringlich und geduldig beschreibt sie, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland prägt. Dabei wird klar: Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesellschaft. Und sich mit dem eigenen Rassismus zu konfrontieren, ist im ersten Moment schmerzhaft, aber der einzige Weg, ihn zu überwinden.

(Hanser Literaturverlag, 17€)

Eure Heimat ist unser Albtraum – Fatma Aydemir & Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.)

https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/buch/details/eure-heimat-ist-unser-albtraum-9783961010363.html

Wie fühlt es sich an, tagtäglich als „Bedrohung“ wahrgenommen zu werden? Wie viel Vertrauen besteht nach dem NSU-Skandal noch in die Sicherheitsbehörden? Was bedeutet es, sich bei jeder Krise im Namen des gesamten Heimatlandes oder der Religionszugehörigkeit der Eltern rechtfertigen zu müssen? Und wie wirkt sich Rassismus auf die Sexualität aus?

Dieses Buch ist ein Manifest gegen Heimat – einem völkisch verklärten Konzept, gegen dessen Normalisierung sich 14 deutschsprachige Autor*innen wehren. Zum einjährigen Bestehen des sogenannten „Heimatministeriums“ sammeln Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah schonungslose Perspektiven auf eine rassistische und antisemitische Gesellschaft.

In persönlichen Essays geben sie Einblick in ihren Alltag und halten Deutschland den Spiegel vor: einem Land, das sich als vorbildliche Demokratie begreift und gleichzeitig einen Teil seiner Mitglieder als „anders“ markiert, kaum schützt oder wertschätzt.

Mit Beiträgen von Sasha Marianna Salzmann, Sharon Dodua Otoo, Max Czollek, Mithu Sanyal, Margarete Stokowski, Olga Grjasnowa, Reyhan Şahin, Deniz Utlu, Simone Dede Ayivi, Enrico Ippolito, Nadia Shehadeh, Vina Yun, Hengameh Yaghoobifarah und Fatma Aydemir.

(Ullstein Verlag, 20€)

Ich bin von hier. Hört auf zu fragen! – Ferda Ataman

Die Art, wie wir über Migration, Geflüchtete und Integration reden, zeigt: Wir haben ein Wahrnehmungsproblem. Wir tun so, als könnten wir ernsthaft entscheiden, ob wir Migrant*innen im Land haben wollen oder nicht, und wenn ja, wie viele wir davon vertragen. Das ist Blödsinn. Sie sind längst da – und ein Teil des „wir“. Die Vorstellung von einer „weißen“ Aufnahmegesellschaft, in die Migranten reinkommen, ist eine Art deutsche Lebenslüge, sagt Ferda Ataman.

Wie viele andere Deutsche, die mit einem ausländischen Namen aufgewachsen sind, reißt ihr langsam der Geduldsfaden. Sie hat es satt, dauernd erklären zu müssen, wo sie eigentlich herkommt, wie sie zu Erdoğan steht oder was sie vom Kopftuch hält. Nur wegen ihres Namens oder des Geburtslandes ihrer Eltern. In ihrer pointierten Streitschrift stellt Ataman fest: „Wir haben ein Demokratieproblem, kein Migrationsproblem. ABER: Wir sind weltoffener, als wir denken. Also Schluss mit Apokalypse.“

(Fischer Verlage, 13€)

Sprache und Sein – Kübra Gümüşay

Kübra Gümüşay beschreibt wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt.

Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt. Kübra Gümüşay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen. Doch wie können Menschen wirklich als Menschen sprechen? Und wie können wir alle – in einer Zeit der immer härteren, hasserfüllten Diskurse – anders miteinander kommunizieren?

(Hanser Literaturverlag, 18€)

Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus – Noah Sow

In der Schule lernen wir, dass alle Menschen gleich seien. Gleichzeitig lernen wir jedoch „Grundwissen“, das noch aus der Kolonialzeit stammt. In deutlicher Sprache und mit tiefgründigem Humor entlarvt die bekannte Künstlerin und Aktivistin Noah Sow den Alltagsrassismus, der uns in Deutschland täglich begegnet. So zeigt sie etwa, wie selbst die UNICEF-Werbung sich rassistischer Klischees bedient, und warum es schlimmer ist, Die weiße Massai zu Ende zu lesen, als nicht zur Lichterkette zu gehen.

Rassismus zu bekämpfen heißt zunächst einmal, ihn zu verstehen. Dieser Prozess wird auch für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft nicht ganz schmerzfrei vonstattengehen können. Aber wie nicht zuletzt Noah Sows Buch deutlich macht: lohnen wird es sich allemal, und zwar für alle.

(Books on Demand, 13€)

Prosa & Lyrik

Berliner Trilogie. Drei Poeme – Aras Ören

Die drei Gedichtbände Was will Niyazi in der Naunynstraße (1973), Der kurze Traum aus Kagithane (1974) und Die Fremde ist auch ein Haus (1980) bilden zusammen die Berliner Trilogie. Die Poeme waren unter den ersten literarisch anspruchsvollen und erfolgreichen Texten, die in Deutschland die Situation türkischer Arbeitsmigrant*innen überhaupt thematisierten. Was will Niyazi in der Naunynstraße, der Auftakt der Trilogie, diente als Vorlage für mehrere Filme und wurde 1987 von Tayfun Erdem vertont. Ören stellt in diesen Texten das Leben von Arbeiter*innen in der Bundesrepublik und in Berlin in all seiner Widersprüchlichkeit dar.

(Verbrecher Verlag, 22€)

Der gebrauchte Jude. Selbstporträt – Maxim Biller

Geboren wurde er in Prag, mit zehn Jahren kam er nach Deutschland, mit siebzehn fing er an zu studieren – die Deutschen, ihre Bücher, ihre Frauen, ihre Fehler. Billers autobiographisches Buch erzählt wie ein Roman die tragikomische Geschichte eines Juden, der in einem Land Schriftsteller wird, in dem es keine Jüd*innen mehr geben sollte. Dieses Selbstporträt zeigt, wie man sich selbst auf die Spur kommt – und seinen Freund*innen und Feind*innen. Bei Maxim Biller sind es die Jüd*innen und die Deutschen, die Reihenfolge spielt keine Rolle. Er erzählt leicht, ironisch und poetisch von einem jungen Mann, der immer wieder hört, er solle nicht darauf bestehen, der zu sein, der er ist, und spätestens dann allen klarmacht, dass er nicht zu bremsen ist, als er mit dem Schreiben beginnt. Was der*die Leser*in bekommt, ist die Geschichte vom Künstler als jungem Mann, der nach seinem Ort im Leben sucht.

(KiWi Verlag, 17€)

Gegen Morgen – Deniz Utlu

Als Kara von Berlin nach Frankfurt fliegt, gerät das Flugzeug in ein schweres Gewitter. Im Angesicht des drohenden Absturzes scheint plötzlich Ramón wenige Reihen vor ihm zu sitzen. Ramón, der nie eingeladen war und trotzdem immer kam, der bei Kara und Karas bestem Freund Vince auf dem Sofa in der Küche übernachtete, bis er von einem Tag auf den anderen verschwand.

Nach der Notlandung kehrt Kara ruhelos nach Berlin zurück, wo er sich auf die Suche nach Ramón begibt und damit auf die Spuren seiner eigenen Vergangenheit. Er findet den Verlorengeglaubten in einer Plattenbausiedlung und bietet ihm an, in Vince’ ehemaliges Zimmer zu ziehen. Dort bekommt Ramón eines Nachts Besuch von Fremden. Wenig später ist er wieder verschwunden. Dass es diesmal ein Abschied für immer sein könnte, wird Kara bewusst, als er ihm bis nach Paris folgt, dort aber nur mehr eine Stadt in Aufruhr findet.

Deniz Utlu erzählt in Gegen Morgen von einer tiefen Erschütterung und fragt, was uns ausmacht: das, was wir zurückgelassen haben, oder das, was vor uns liegt. In flirrenden Bildern spürt er den Versäumnissen und Potentialen eines Lebens nach sowie der Menschlichkeit, die da beginnt, wo wir nicht auf uns selbst, sondern auf andere achten.

(Suhrkamp, 22€)

TAXI – Cemile Sahin

Eine Mutter entdeckt einen Mann, der ihrem Sohn ähnelt. Ihrem Sohn, den sie an einen Krieg verloren hat. Der Krieg war natürlich sinnlos, hat aber auch der Mutter die Hoheit über ihre eigene Geschichte genommen – und sie gedenkt sich diese wiederzuholen, indem sie diesem Mann, den sie auserwählt hat, dazu bringt die Rolle ihres Sohnes zu spielen.

Ihr Plan: eine Erzählung im Stil US-amerikanischer Serien, Regie: sie, Rosa Kaplan. Der Plan scheint zu funktionieren, so gut sogar, dass dieser unbekannte Mann, der nun bei Rosa wohnt, wirklich zu ihrem Sohn wird und schließlich sogar dazu bereit ist, für seine neue Mutter zu töten. In diesem Roman gelingt Cemile Sahin der Spagat zwischen einer neuen, eigenen Form und einer sehr klaren, zeitlosen erzählerischen Sprache. Ein Roman, bei dessen Lektüre man ähnlich tief in eine Geschichte versinkt, die nicht die eigene ist, wie der Protagonist des Buches.

(Korbinian Verlag, 20€)

Hüzün… Das heißt Sehnsucht. Wie wir Deutsche wurden und Türken blieben – Baha Güngör & Lale Akgün

Identität und Heimat, was bedeuten sie? Keiner schrieb so authentisch über diese Fragen wie Baha Güngör (1950–2018). 60 Jahre lang war er ein Grenzgänger zwischen den Kulturen. Der deutsche Journalist (und damals  noch  erste  türkische  Zeitungsvolontär  der  Bundesrepublik)  erzählt  mit  viel  Humor  eine  Integrationsgeschichte  aus  dem  Herzen  der  ersten  türkischen  Gastarbeiter*innen-Generation.  Doch  erklärt  er  auch,  warum am Ende so viele Integrationsbemühungen zum Scheitern verurteilt  waren  und  sich  das  Gefühl  von  Zugehörigkeit  bis  zum  Schluss  nicht  einstellen  mochte.

Er  starb,  skeptischer  geworden  gegenüber  seiner  deutschen  Heimat,  bevor  dieses  Manuskript  abgeschlossen  werden konnte. Lale  Akgün,  Dipl.-Psychologin,  frühere  Bundestagsabgeordnete  und  eine  lebenslange  Freundin  von  Baha  Güngör,  hat  sein  Buch  einfühlsam vollendet. Auch sie kam als Kind aus Istanbul nach Deutschland. In  einem  spannenden  fiktiven  Gespräch  stellt  sie  ihrem  Freund  Baha  manch  andere  Ansicht  gegenüber. Es zeigt sich: Integration ist nicht gleich Integration.

(Dietz Verlag, 19€)

Bücher gibt’s übrigens auch jetzt, wo die Buchhandlung um die Ecke geschlossen ist! Viele kleine Shops liefern Bestellungen nach Hause oder bieten eine Abholung vor Ort an, z.B. LeseGlück in Berlin Kreuzberg oder die Agnes Buchhandlung in Köln.

Titelbild: Photo by Iñaki del Olmo on Unsplash

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