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Ausstellung: 15. September bis 12. Oktober 2018, Mi-Sa 14:00 bis 19:00 Uhr (So-Di geschlossen)
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Wir freuen uns, mit Bitter Things das neueste Ausstellungsprojekt von bi’bak zu präsentieren, das die Auswirkungen von Arbeitsmigration auf den Begriff von Mutterschaft und Familie aus der Perspektive von Arbeitnehmer*innen und zurückgelassenen Kindern untersucht. Ausgehend von Erfahrungen transnationaler Familien aus Vergangenheit und Gegenwart bringen die KünstlerInnen Malve Lippmann und Can Sungu in ihrer Installation Erzählungen mit Objekten zusammen, die in den Familien eine zentrale Rolle spielen.
Narrative der Arbeitsmigration sind ein zentrales Thema in den Arbeiten von Sungu und Lippmann, den Gründern des Projektraums bi’bak in Berlin-Wedding. Auf das Thema transnationaler Familien wurden sie aufmerksam, als sie feststellten, dass eine große Anzahl von Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld in der Kindheit von ihren Eltern getrennt worden war. Viele Eltern mussten während der Anwerbeabkommen der 1960er Jahre als sogenannte Gastarbeiter*innen zunächst ohne ihre Kinder ins Ausland ziehen. Viele Jahre lang wurde über diese Schicksale getrennter Familien im Zusammenhang mit Arbeitsmigration nicht gesprochen. Heute sind es vorwiegend Arbeitsmigrant*innen aus Osteuropa, die ihre Familien verlassen, um in ökonomisch besser gestellten Ländern ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Je mehr Lippmann und Sungu sich dem Thema durch ihre künstlerische Recherche zuwandten, desto deutlicher wurde: Objekte spielen eine entscheidende Rolle in dieser neuen Definition von Mutterschaft und Familie, die mit der physischen Trennung umgehen muss. Trotz der täglichen Herausforderungen der Arbeitsmigrant*innen und der schmerzlichen Erfahrung der Entfernung von ihren Kindern, versuchen transnationale Mütter, etablierte Mutterschaftsrollen zu erfüllen. Oftmals spielt das Senden von Geschenken dabei eine wichtige Rolle. Für die Kinder jedoch stecken diese Objekte oder Geschenke oft in einer ambivalenten, spannungsgeladenen Zone, die sich zwischen Erinnerung, Schmerz, Hoffnung, Enttäuschung und Freude bewegt.
Doch wie wird die Beziehung zwischen Eltern und Kindern neu definiert, wenn Geschenke und materielle Unterstützung an die Stelle gemeinsamer Erfahrungen treten? Was passiert, wenn körperliche Nähe an zweiter Stelle hinter Kommunikationstechnologien stehen muss? Bitter Things lädt die Besucher*innen ein, sich die Bedeutung solcher Objekte und Technologien anhand der vielfältigen Geschichten von Arbeitsmigrantinnen und ihren Kindern vorzustellen.
Nach der Ausstellung im DEPO Istanbul ist Bitter Things jetzt im Archive Kabinett in Berlin zu sehen. Die Ausstellung wird von einem Programm aus Filmscreenings, Lesungen und Diskussionen sowie einer Publikation begleitet, die von Archive Books veröffentlicht wurde. Sie enthält wissenschaftliche und literarische Beiträge, Interviews, Lieder und Fotos, die das Thema interdisziplinär beleuchten.
Das Kurzfilmprogramm rückt am 4. Oktober ab 19:30 Uhr die Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeiter*Innen mit Migrationshintergrund in den Vordergrund. Hasta Bakıcı, Abigail und Kot Farkı addressieren mit ihrem Beitrag Ground Level den undankbaren Arbeitsalltag von Pflegekräften in Istanbul. Weitere filmische Beiträge kommen aus Rumänien, Frankreich und China.
Häufig finden Arbeitermigranten familiären Zusammenhalt in gemeinsamen Ritualen, zum Beispiel dem Musizieren. „The Sorrows of Gurbet“ widmet sich am 12. Oktober um 20 Uhr den Generationen umspannenden Geschichten von Solidarität und Kreativität fernab der Heimat. Er wird im Internet, als auch in den Veranstaltungsräumen von bi’bak auf Türkisch, mit deutschen und englischen Untertiteln gestreamt.
BITTER THINGS ist eingebettet in eine Reihe von kulturellen Events, die unter anderem von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa und dem Goethe Institut Istanbul gefördert werden.
Text/Bilder: bi’bak