Magazin
Ausstellung vom 14. Dezember 2017 bis 29. April 2018
Künstlergespräche:
Elmgreen & Dragset am 8. Februar 2018
Olaf Metzel am 1. März 2018
Wer sich die 15. Istanbul Biennale nicht vor Ort anschauen konnte, hat nun die Chance sich zumindest einen Teil des Kunstspektakels in der Pinakothek in München (Museum für Kunst, Grafik, Architektur, Design) anzusehen.
a good neighbour ist der Titel der 15. Istanbul Biennale 2017, kuratiert vom dänisch-norwegischen Künstlerduo Elmgreen & Dragset. Mit a good neighbour_on the move setzt die Pinakothek der Moderne das Projekt in München fort. Wie haben sich unsere Vorstellungen von Heimat, Nachbarschaft und Zugehörigkeit in den vergangenen Jahren verändert? Werke von zwölf internationalen Künstlerinnen und Künstlern spiegeln Erfahrungen mit den Folgen globaler Konflikte, mit sozialer Kontrolle, Sichtweisen auf Geschlechterrollen und Formen des Zusammenlebens.
a good neighbour_on the move versammelt Beiträge folgender Künstlerinnen und Künstler:
Burçak Bingöl, geboren 1976 in Giresun, Türkei, lebt in Istanbul, Türkei
Canan, geboren 1970 in Istanbul, Türkei, lebt in Istanbul, Türkei
Vlassis Caniaris, geboren 1928 in Athen, Griechenland, gestorben 2011 in Athen, Griechenland
Vajiko Chachkhiani, geboren 1985 in Tiflis, Georgien, lebt in Berlin, Deutschland
Andrea Joyce Heimer, geboren 1981 in Great Falls, Montana, USA, lebt in Ferndale, Washington, USA
Gözde Ilkin, geboren 1981 in Kütahya, Türkei, lebt in Istanbul, Türkei Mirak Jamal, geboren 1979 in Teheran, Iran, lebt in Berlin, Deutschland
Mahmoud Khaled, geboren 1982 in Alexandria, Ägypten, lebt in Trondheim, Norwegen Victor Leguy, geboren 1979 in São Paulo, Brasilien, lebt in São Paulo, Brasilien
Olaf Metzel, geboren 1952 in Berlin, Deutschland, lebt in München, Deutschland
Erkan Özgen, geboren 1971 in Mardin, Türkei, lebt in Diyarbakir, Türkei Stephen G. Rhodes, geboren 1977 in Houston, Texas, USA, lebt in Berlin, Deutschland
Die türkische Künstlerin Burçak Bingöl (geb. 1976 in Giresun, Türkei, lebt in Istanbul) positioniert im Museum Überwachungskameras aus Keramik, die sie mit Blumenornamenten verziert hat. Ihre „Follower“ verweisen auf eine Gesellschaft, die sich ständig im Beobachtungsmodus befindet. Wir überwachen und kontrollieren – und sind gleichzeitig überall Beobachtete.
Der älteste Künstler der Ausstellung ist Vlassis Caniaris (geb. 1928 in Athen, Griechenland, gest. 2011 in Athen), der zu den einflussreichsten Künstlern seiner Generation in Griechenland zählt. Seine Themen – Freiheit und Fremdheit, Migration und Heimatlosigkeit, „Eliten“ und „Volk“ – sind heute aktuell wie nie zuvor. Caniaris’ Installation „What’s North, what’s South?“ von 1988 (Abb. Titel) ist in seinem Schaffen wegweisend: Was wissen wir von unseren Nachbarn? Wer ist uns nahe – und warum?
Erkan Özgen (geb. 1971 in Mardin, Türkei, lebt in Diyarbakir, Türkei) lässt in seinem Film „Wonderland“ einen taubstummen Flüchtlingsjungen aus Syrien auf seine Weise erzählen, was er in seiner Heimat erlebt hat. Was ihm und seiner Familie genau widerfahren ist, lässt sich nur erahnen. Die Sprachlosigkeit wird zur Metapher.
Wie beeinflussen Familie und Staat, Geschichte, Religion und Medien unsere Identität? In ihrem Animationsfilm „Exemplary“ („Vorbildlich“) erzählt die türkische Künstlerin Canan (geb. 1970 in Istanbul, Türkei, lebt in Istanbul) von einer jungen Frau, die – von ihren Eltern verheiratet – aus der ostanatolischen Provinz ins großstädtische Istanbul zieht.
Die kleinformatigen Gemälde von Andrea Joyce Heimer (geb. 1981 in Great Falls, Montana, USA, lebt in Ferndale, Washington, USA) erzählen in einer unmittelbaren, farbenfrohen Bildsprache und voller Humor von Verrücktheiten, kleinen Verschwörungen und anderen, oftmals skurrilen Vorgängen, die sich so (oder ähnlich) im Umfeld der Künstlerin zugetragen haben. Wieviel Nähe ist für eine gute Nachbarschaft notwendig, wieviel Nähe erträgt sie?
Die Ausstellung a good neighour_on the move lässt über die gezeigten Arbeiten hinaus spürbar werden, dass die globalisierte Welt auch das Selbstverständnis öffentlicher Museen und ihrer Ausstellungen verändert. Die Museen – wie auch die Künstlerinnen und Künstler – sehen sich in einer neuen gesellschaftlichen Situation und stehen einem neuen Publikum gegenüber, das oftmals andere Erwartungen hat als das bisherige. Dessen Perspektiven erweitern unser Verständnis von „Nachbarschaft“ – ob auf das private, häusliche Umfeld bezogen oder auf die Beziehungen zwischen Staaten und Kulturen.
Text: Pinakothek der Moderne
Titelbild: Vlassis Caniaris: What’s North, what’s South? (Children and Testimony), 1988 (Bild: Künstler, Kalfayan Galleries)